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Emelie Knöpfle über junge Menschen in der Kommunalpolitik

Gernsbacher Jung-Gemeinderätin: „Manchmal frage ich mich, wer hier die 23-Jährige ist“ 

Emelie Knöpfle ist Juso-Kreisvorsitzende, Zweitkandidatin bei der Landtagswahl und sitzt im Gernsbacher Gemeinderat. Damit ist die 23-Jährige eine Ausnahme: Im Interview erklärt sie, warum das so ist und was sie im Gemeinderat nervt.

Jung-Gemeinderätin Emelie Knöpfle (SPD) aus Gernsbach
Jung-Gemeinderätin Emelie Knöpfle (SPD) aus Gernsbach Foto: Stephan Kaminski

Emelie Knöpfle sitzt im Gernsbacher Gemeinderat, ist Juso-Kreisvorsitzende, SPD-Zweitkandidatin für die Landtagswahl im Wahlkreis Rastatt und Mitglied im Landesausschuss-Präsidium der Jusos Baden-Württemberg. Knöpfle ist eine Ausnahme: Die junge Generation findet in den Murgtäler Gemeinderäten kaum statt.

Im Gespräch mit BNN-Redakteur Dominic Körner erklärt die 23-Jährige, weshalb nur wenige junge Menschen gewählt werden, warum Franziska Giffey die bessere Kanzlerkandidatin wäre als Olaf Scholz – und was sie im Gemeinderat nervt.

Frau Knöpfle, in Ihrem Alter wollen viele Menschen nichts von Politik wissen. Sie hingegen bekleiden gleich mehrere Ämter. Warum?
Knöpfle

Ich war schon immer politisch interessiert. Mit 17 wurde ich Gastmitglied bei der SPD, nachdem ich bei einer politischen Bildungsreise in Berlin dabei war. Im Anschluss bekam ich einen Brief vom Vorsitzenden des Ortsvereins und habe schnell gemerkt: Das sind fast nur ältere Männer. Dann war das Thema für mich erst einmal gegessen, und ich habe mich auf das Abi konzentriert. Danach hatte ich wieder mehr Zeit und wollte mich einbringen.

…und das ausgerechnet in der SPD. Dabei sind die Grünen doch gerade so hip?
Knöpfle

Ich habe mich der SPD angeschlossen, weil Bildung noch immer vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das ist ein Unding! Zum Beispiel haben wir nach wie vor kein vom Elternhaus unabhängiges Bafög. Kinder aus nichtakademischen Familien studieren seltener. Die Grünen verdienen in Baden-Württemberg ihren Namen nicht. Und die CDU hatte auf wichtige Fragen wie Klimaschutz und Bildung nicht die richtigen Antworten für mich. Nur die SPD kann eine sozialverträgliche Klimapolitik machen.

Dennoch ist Ihre Partei bei Wahlen zuletzt dramatisch eingebrochen.
Knöpfle

Wir haben kein klares Profil mehr, wir werden nicht als SPD erkannt. Das hat auch mit der langen Zeit in der Groko zu tun. Wir können unsere Erfolge nicht mehr als unsere eigenen verkaufen. Schauen Sie sich den Mindestlohn an: Die SPD kämpft dafür, die CDU wehrt sich zuerst dagegen und nennt es am Ende ihren Verdienst.

Den Mindestlohn hat Andrea Nahles durchgeboxt. Zum Dank wurde sie aus ihrem Amt als SPD-Vorsitzende geekelt...
Knöpfle

Es ist leider ein Grundproblem der SPD, dass wir uns in Personalfragen unsolidarisch gezeigt haben. Wir dürfen das nicht mehr öffentlich austragen.

Tatsächlich fällt auf, dass sich die SPD wie keine andere etablierte Partei öffentlich zerfleischt. Können oder wollen die Genossen nicht friedlich sein?
Knöpfle

Ich weiß nicht, wieso wir das nicht auf die Kette bekommen. In der SPD stecken viele Emotionen. Und man darf nicht vergessen: Wir hatten in der Vergangenheit charismatische Köpfe wie Willy Brandt und Helmut Schmidt. Die suchen wir immer noch. Leider haben wir sie nicht mehr.

Wenn Sie die Groko kritisch sehen, kann Ihnen Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nicht gefallen…
Knöpfle

Das mag sein, aber er hat in der Corona-Krise eine gute Figur gemacht. Das muss man ihm lassen.

Wer wäre eine bessere Besetzung?
Knöpfle

Meine Wahl wäre Franziska Giffey. Sie hat Charisma.

Dafür ist Ihr Führungstandem Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht gerade bekannt, oder?
Knöpfle

Ich gebe zu: Diesen Eindruck habe ich lange geteilt. Aber nachdem ich sie mehrfach reden hören habe, sehe ich das anders. Sie sind leidenschaftlich und kämpferisch, vor allem Saskia Esken. Das gefällt mir.

Hand aufs Herz: Wer wird 2021 Kanzler?
Knöpfle

Olaf Scholz.

Das müssen Sie ja sagen.
Knöpfle

Ich glaube wirklich daran. Er kann in der politischen Mitte viele Stimmen gewinnen. Wichtig ist: Wir brauchen klare Antworten auf die Fragen der Menschen. Viele Politiker drücken sich schwammig aus. Schon wir Jungen bewegen uns manchmal in einer Filterblase. Die Leute da draußen wollen eindeutige Aussagen. Dazu können die jungen Politiker auch viel über soziale Medien beitragen.

Ist das Problem nicht viel eher, dass die Arbeiter, die frühere SPD-Klientel, zu anderen Parteien links und rechts abgewandert sind?
Knöpfle

Den klassischen Arbeiter als SPD-Wähler gibt es heute nicht mehr. Wer bei Daimler am Band steht, hat einen guten Verdienst. Der sorgt sich eher um seine Steuerabgaben und seine Arbeitsbedingungen. Die SPD hat den Anschluss zur IG Metall und anderen Gewerkschaften verloren. Den wollen wir wieder herstellen, das ist unsere Identität.

Denkt die Politik zu wenig an die Jugend?
Knöpfle

Wir haben in Deutschland noch nie Politik für die Zukunft gemacht. Immer nur für die Gegenwart. Eigentlich ist jetzt der Zeitpunkt für Zukunftspolitik gekommen. Bildung, Klimaschutz, ÖPNV-Versorgung und Breitbandausbau sind wichtige Themen. Die digitalen Strukturen in Baden-Württemberg sind eine Katastrophe. Das haben die Anfänge der Corona-Krise gezeigt.

Kommen wir zur Kommunalpolitik. Weshalb engagieren Sie sich im Gernsbacher Gemeinderat?
Knöpfle

Ich saß schon im Jugendgemeinderat, den es seit einigen Jahren leider nicht mehr gibt. In der Kommunalpolitik sieht man ganz klar das Ergebnis seiner Arbeit und kann gemeinsam mit den Leuten vor Ort anpacken. Das ist sehr ertragbringend.

Sie sprechen es an: In Gernsbach gibt es keinen Jugendgemeinderat. Die meisten Kommunalpolitiker sind, wie überall im Murgtal, deutlich älter als Sie. Hinzu kommt: Die Sitzungsunterlagen für den Gemeinderat sind keine leichte Lektüre. Wie kann man dennoch junge Menschen für die Kommunalpolitik begeistern?
Knöpfle

Das geht sicher in den Schulen. Die Stadt muss aber auch unverbindliche Angebote für Jugendliche schaffen. Ein Modell wie der Jugendgemeinderat funktioniert heute nicht mehr, weil man sich zwei Jahre lang daran binden muss. Besser wären Projekte, bei denen sich die Jugend einbringt. Leider haben junge Leute in Gernsbach keine Stimme mehr.

Haben junge Menschen denn überhaupt Interesse daran, sich politisch zu engagieren? Oft heißt es: Die Jugend von heute ist unpolitischer als früher.
Knöpfle

Lange Zeit stimmte das. Aber jetzt sind wir doch wieder politisch. Bei den Demonstrationen von Fridays For Future gehen viele junge Leute auf die Straße. Einige vielleicht auch deshalb, weil sie freitags nicht in die Schule wollen. Aber wenn sie mal dabei sind, lassen sie sich mitreißen. Und wenn es im Gemeinderat um Themen wie das Jugendhaus geht, besuchen auch junge Leute unsere Sitzungen. Das Interesse ist also da.

Trotzdem ist Ihre Generation im Gemeinderat unterrepräsentiert. Werden junge Menschen seltener gewählt?
Knöpfle

Grundsätzlich ja. Die älteren Kandidaten haben den Vorteil, dass sie in der Stadt meist bekannter sind. Außerdem wird den Jungen weniger zugetraut. Wir werden auch in der Presse seltener zitiert. In Gernsbach verhält es aber nicht so: Sowohl bei SPD als auch bei CDU wurden die jüngsten Kandidaten auf Anhieb gewählt.

Allerdings melden sich die jungen Gemeinderäte in Gernsbach kaum zu Wort. Ist man als neues Mitglied erst einmal zurückhaltend, bevor man große Reden schwingt?
Knöpfle

Man muss sich reinfinden. Wir sprechen da über immense Pensen. Manchmal hat die Sitzungsvorlage zu einem einzigen Thema 200 Seiten.

Wie gehen die etablierten Gemeinderäte mit Ihnen um? Haben die Sie gleich ernstgenommen?
Knöpfle

Im Wahlkampf wurde die Kandidatur der Jungen zum Teil ins Lächerliche gezogen. Von anderen Fraktionen, aber auch von Bürgern. Nach dem Motto: Ach, noch ein paar Junge, damit die Liste komplett ist. Mittlerweile nehmen uns die Ratskollegen für voll. Indem man im Plenum etwas Wertvolles beiträgt, kann man sich schon behaupten.

Sie sitzen seit gut einem Jahr im Gemeinderat. In diesen Zeitraum fielen auch emotionale Debatten über das Pfleiderer-Areal und eine Schließung des Lautenbacher Bades, für die sich keine Mehrheit fand. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Knöpfle

Der Gemeinderat ist das zehrendste Gremium, dem ich bislang angehört habe. Manchmal wünsche ich mir, dass die Arbeit anders ist. Es gibt Spannungen zwischen den einzelnen Gemeinderäten, die sich auf den gesamten Rat übertragen. Zu diesem Thema habe ich mich auch schon in nichtöffentlicher Sitzung geäußert. Manchmal frage ich mich, wer hier die 23-Jährige ist.

Als die Schließung des Lautenbacher Freibades zur Debatte stand, gab der Gemeinderat kein gutes Bild ab. Es entstand der Eindruck, dass Teile des Gremiums die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen stellen wollten und im Hinterzimmer über Mehrheiten verhandelten.
Knöpfle

Ich hätte mir mehr Transparenz gewünscht und, dass man früher mit den Lautenbachern spricht. Politik ist eine komplexe Angelegenheit und immer eine Sache von Kompromissen. Wichtig wäre eine gute Debattenkultur innerhalb des Gemeinderates. Fehlen Diskretion und Verlässlichkeit, entsteht leicht ein schiefes Bild in der Öffentlichkeit.

Blicken wir zum Abschluss noch einmal auf den Bund. Sie legen sich fest: Olaf Scholz wird Kanzler. Wieviel Prozent holt die SPD?
Knöpfle

45 Prozent.

Und jetzt bitte im Ernst.
Knöpfle (lacht)

28 Prozent.

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