Mit einem verzweifelten Hilferuf hat sich Manuela Schüttemeier am Freitagabend an den Ortschaftsrat in Reichental gewandt. Seit dem am 1. April im Erdgeschoss ihres Hauses eine achtköpfige Familie einquartiert wurde, kommt die gesundheitlich schwer gezeichnete Frau nicht mehr zur Ruhe.
Vom Ordnungsamt der Stadt Gernsbach fühlt sie sich nicht ernst genommen, aber ihre Situation sei ernst: „Es muss jetzt was passieren, ich kann so nicht mehr“, schildert sie ihre Gemütslage.
Die „waschechte Reichentalerin“ klagt darüber, nachts in ihrem Anwesen in der Badstraße 10 kaum noch ein Auge zumachen zu können, so krass sei der Lärmpegel oft. „Eine achtköpfige Familie in solch eine Mini-Wohnung einzupferchen, das ist schon menschenunwürdig“, meint Schüttemeier zur Unterbringung, die der Familie, gegen die sie persönlich nichts habe, von der Stadt Gernsbach zugewiesen wurde.
Reichentalerin findet zu Hause keine Ruhe mehr
Es sei regelmäßig dermaßen laut, dass „meine Nerven blank liegen“, berichtet die 57-Jährige über die Zustände in der 60 Quadratmeter kleinen Wohnung unter ihr, die ihre Gesundheit weiter gefährdeten. Sie trägt einen automatischen Defibrillator und leidet an verschiedenen onkologischen Erkrankungen, weshalb sie Ruhe braucht. Ruhe, die sie daheim nicht findet. Zuletzt habe sie sogar zweimal die Polizei gerufen – auch das sei aber ohne nachhaltigen Erfolg geblieben.
Die Stadt Gernsbach teilt auf Anfrage mit, dass ihr die Wohnung zur Miete angeboten worden sei, um sie an bedürftige Einwohner weiter zu vermieten: „Jede Gemeinde ist als Ortspolizeibehörde verpflichtet, in Not geratenen Einwohnern ein Dach über dem Kopf bereitzustellen. Bei den Personen in Reichental handelt es sich um Einwohner mit Migrationshintergrund, aber ohne Flüchtlingsstatus. Die Familie musste kurzfristig seitens der Stadt untergebracht werden.“
Die Familie musste kurzfristig seitens der Stadt untergebracht werden.Eine Sprecherin der Stadt Gernsbach
In diesen Situationen komme es regelmäßig vor, erläutert die Stadt weiter, dass idealer Wohnraum nicht zur Verfügung steht – gerade für große Familien. Die Wohnung in Reichental sei daher „nicht ideal, aber als Notmaßnahme angemessen“. Die Bemühungen, anderen Wohnraum für die Familie zu generieren, laufen seitens der Stadt weiter, versichert eine Sprecherin.
Schließlich sei auch die räumliche Entfernung von Reichental nicht ideal, jedoch verfüge die Familie über ein Auto. Der Vater spreche gut deutsch und könne so den ÖPNV nutzen, beziehungsweise den Familienmitgliedern die Nutzung ermöglichen.
Stadt Gernsbach sieht keinen Grund zu Beanstandungen
Den Beschwerden von Manuela Schüttemeier sei sowohl von Seiten der Stadt Gernsbach als auch des Polizeivollzugsdiensts nachgegangen worden: „Es konnten jedoch keine Umstände festgestellt werden, welche zu beanstanden wären.“ Die städtische Integrationsbeauftragte Lisa Knupfer sei darum bemüht, die Situation zu entschärfen, in dem sie die Familie bei Behördengängen, Schulterminen, Sprachkurssuche und sonstigen Angelegenheiten unterstütze.
Es konnten jedoch keine Umstände festgestellt werden, welche zu beanstanden wären.Eine Sprecherin der Stadt Gernsbach
Das Bauamt fahre zudem regelmäßig in der Badstraße 10 vorbei, um die Müllthematik und ähnliches zu kontrollieren. Dem Ordnungsamt als Unterbringungsbehörde sei die schwierige Wohnsituation der Parteien bekannt und daher werde auch von dieser Seite her eine zufriedenstellende Lösung angestrebt, versichert die städtische Pressestelle.
Reichentals Ortsvorsteher Guido Wieland (SPD) verwies am Freitag nach dem Hilferuf Schüttemeiers darauf, mit der Leiterin des Ordnungsamts, Angela Tomic, im Gespräch zu sein. Der Wohnungsmarkt in Gernsbach sei allerdings ausgelastet und nur wenige Vermieter seien bereit, eine achtköpfige Familie aufzunehmen.
Ortsvorsteher stellt Problemlösung für Flüchtlingsproblematik in Aussicht
Man wisse um das Problem im Haus in der Badstraße und arbeite an einer Problemlösung, betonte Wieland. Zudem hätten vor Ort schon mehrfach Kontrollen stattgefunden. Diese würden jedoch immer nur nach vorheriger Anmeldung des Amtes erfolgen, ließ die Beschwerdeführerin die Ortschaftsräte wissen. Damit werde der Familie reichlich Gelegenheit gegeben, Ordnung in Haus und Hof zu schaffen, wenn es erforderlich sei.
Die Aussagen ihrer Tochter bestätigte Elfriede Wieland, die im selben Haus wohnt. Daraufhin entgegnete Wieland, dass unangemeldete Kontrollen möglicherweise vom Mietrecht nicht gedeckt werden.
Es sei Aufgabe des Vermieters, also in dem Fall der Stadt, seine Mieter darüber aufzuklären, wie der Müll getrennt werden muss und welche Gepflogenheiten gelten, die ein Zusammenleben mit anderen Hausbewohnern möglich machen würden. Außerdem bot Wieland Schüttemeier an, gemeinsam das Gespräch mit der zuvor obdachlosen Familie zu suchen. „Ich kann mit denen reden, aber ich kann das Amt nicht anweisen, Maßnahmen anzuordnen“, so Wieland abschließend.