Die Spuren der Jahrhundert-Katastrophe im Ahrtal bleiben unübersehbar – im Landschaftsbild genauso wie im Innersten der Menschen, in ihren Seelen.
Am 14. Juli 2021 hatte ein Extrem-Hochwasser ganze Landstriche verwüstet, 134 Menschen starben, viele mehr verloren ihre Existenzgrundlage. Die verheerende Flut hat in ganz Deutschland große Hilfsbereitschaft ausgelöst, auch im Murgtal.
Ein Verein, der sich besonders stark engagierte, sind die Motorradfreunde Reichental. Sie haben sich jetzt vor Ort ein Bild gemacht, was sich im nördlichen Rheinland-Pfalz seither getan hat.
Die Betreiber des Hotels wollten nach der Flut aufgeben.Thomas Bauer, Vorsitzender der Motorradfreunde Reichental
„Es hat sich nicht viel geändert, die Leute sind nach wie vor am Schaffen – Tag und Nacht.“ Vorsitzender Thomas Bauer steuerte mit elf Vereinskameraden ganz bewusst das Ahrtal an, um die Region mit ihrer Jahresabschlussfahrt ein weiteres Mal zu unterstützen.
Denn: In der normalerweise vom Tourismus lebenden Gegend fehlen die Gäste. Die meisten Herbergen sind noch nicht wieder komplett aufgebaut, die Infrastruktur zumindest teilweise.
Auch im Landhotel Ewerts in Insul, in der die Reichentaler untergekommen sind, ist noch viel zu tun. Weil das Wasser dort „nur“ bis zum ersten Stockwerk floss, sind die Zimmer darüber noch in Schuss. Sie erreicht man über ein Rohbau-Treppenhaus, erzählt Bauer.
„Die Betreiber des Hotels wollten nach der Flut aufgeben“, weil ihnen – auch altersbedingt – die Kraft für den Wiederaufbau fehlte, aber der Junior habe das nicht zugelassen. Jetzt empfangen sie wieder Gäste.
Spende der Motorradfreunde Reichental unterstützt die Helfer
Das ist auch das Ziel des Ehepaars Rita und Peter Schaffron. Ihnen gehört der Bikertreff Waldfrieden am Ortsrand von Schuld, dessen Garage und große Teile des Biergartens bei der Flut weggespült wurden.
Auch die Unterkellerung des kompletten Gebäudes war vollständig hinüber und musste zum Großteil abgerissen werden. Immerhin funktionieren Wasser- und Abwasserversorgung wieder.
Geheizt wird mit zwei Holzöfen. „Wenn es den großen Zusammenhalt der Biker aus der Region nicht geben würde, wären sie schon letztes Jahr verfroren“, erzählt Bauer. Die Motorradfahrer, die sonst gerne im Bikertreff einkehren, haben das notwendige Holz besorgt.
Mit den 15.000 Euro, die von den Motorradfreunden aus Reichental gespendet wurden, bezahlen die gesundheitlich angeschlagenen Schaffrons die Verpflegung der zahlreichen Helfer im Waldfrieden. „Die versuchen jetzt, das Ding so gut wie möglich zu renovieren“, so Bauer.
Doch die Probleme sind viel tiefgreifender und bilden eine Art Teufelskreis. Es fehlt an Handwerksbetrieben und am Material, es gibt kaum Azubis, man findet keinen Koch, Nachwuchs in der Gastronomie ist quasi gar nicht vorhanden, erläutert Steffen Beck.
Er ist Mitglied bei den Motorradfreunden Reichental und verweist auf ein weiteres Problem: Wenn von der Versicherung Geld fließen soll, brauchen die Betroffenen Kostenvoranschläge von Handwerksbetrieben – „und die findest du im Moment nicht“.
Bauer ergänzt: „Welche Firma macht ein Angebot, wenn sie mit den Aufträgen nicht nachkommt?“ Auch deshalb sei in Schuld und Umgebung noch nicht wirklich viel wieder aufgebaut.
Wasser- und Abwasserkanäle, Straßen – das sei es weitgehend. „Die Häuser, die es weggespült hat, sind immer noch weg“, schildern Beck und Bauer ihre Eindrücke von der Tour ins Ahrtal. „Auch der Lebensmittelmarkt ist noch im Rohbau, Schutthaufen liegen in der Gegend.“
Ahrtal leidet auch heute noch unter den Folgen der Flutkatastrophe
Trotzdem richten die Motorradfreunde Reichental einen Appell an alle Biker: „Fahrt da hin!“ Bauer und Beck berichten von „toller Gastfreundschaft, tollen Menschen, die trotz allem nicht jammern, und von sehr günstigen Preisen“. Seit dem anfänglichen Katastrophentourismus kurz nach der Flut komme kaum noch jemand ins Ahrtal.
Wenn es den nahe gelegenen Nürburgring nicht geben würde, wäre die Gegend „längst touristisch gestorben. Die Menschen dort leben aber von den Besuchern“, betonen die Motorradfreunde Reichental und gehen mit gutem Beispiel voran. Der Verein plant, 2023 auch seinen Sommerausflug in die Region zu unternehmen, die am 14. Juli 2021 ihr Gesicht für immer verändert hat.