Jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt. Anja Mahler blickt durch ein Mikroskop, das auf einem weißen Tisch steht. Dann lötet sie einen haarfeinen Draht auf einer winzigen goldenen Platte fest. Der sogenannte Dehnungsmessstreifen ist gerade mal so groß wie ein Stecknadelkopf und erfasst in der Messtechnik verschiedene Verformungen. „Dehnungsmessstreifen sind das Herzstück eines jeden Sensors“, sagt die Teamleiterin Sensorik beim Gernsbacher Messtechnikhersteller Burster. „Beim Verdrahten braucht es höchste Konzentration.“
Diese Arbeit machten derzeit nur Frauen, betont Matthias Bodemer, der Leiter des Marketings. „Sie bringen sehr viel Fingerfertigkeit mit.“ Doch auch Männer seien natürlich willkommen, wenn sie das gut können, sagt Bodemer und lacht.
Die Firma Burster aus Gernsbach-Scheuern feiert am Freitag ihren 60. Geburtstag. 1961 gründeten Hubert und Irmgard Burster das Familienunternehmen. Aktuell wird die mittelständische Firma in der zweiten Generation von Matthias Burster geleitet. Sein Prokurist Bernd Ziegler zeigt sich mit dem Werdegang der Firma zufrieden: „Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt“, sagt er. Das Unternehmen stehe wirtschaftlich gut da.
Bosch und Schaeffler sind Kunden
Burster hat Zieglers Aussage nach mehr als 8.000 Kunden weltweit und einen Exportanteil von mehr als 50 Prozent. Für die Firma sei die Automobilbranche der größte Markt – mit Kunden wie beispielsweise Bosch oder Schaeffler. „Unser Spektrum ist aber breiter gefächert“, erklärt Ziegler. Das Repertoire umfasse Sensoren wie Kraft- oder Drehmoment-Sensoren sowie Produkte der Kalibriertechnik, der Widerstandsmesstechnik und Prozessüberwachungstechnik.
Matthias Bodemer nennt konkrete Beispiele: „Auch Lippenstifte werden mit unseren Produkten entwickelt“, betont er. Ein Drehmoment-Sensor von Burster messe die Kraft, die benötigt wird, um den Lippenstift aus der Halterung heraus- und reinzudrehen. „Das darf nicht zu schwer- oder zu leichtgängig sein“, erklärt er.
Zudem hat Burster für die Trägerrakete Ariane der Europäischen Weltraumorganisation einen vakuumtauglichen, hitzebeständigen Drehmomentsensor entwickelt. Dieser überwacht im Weltraum, dass die Solarpaneele der Rakete beweglich sind und nicht klemmen. Die Paneele richteten sich nämlich automatisch an die Sonneneinstrahlung aus, sagt Bodemer.
Lieferengpässe erschweren die Arbeit
Trotz dieser „Höhenflüge“ geht die Corona-Pandemie auch an Burster nicht spurlos vorbei. „Die Lieferengpässe merken auch wir“, sagt Ziegler. „Da ist spürbar Sand im Getriebe.“ Erschwerend komme hinzu, dass die Messgeräte meist aus sehr vielen Einzelteilen bestehen – je nach Produkt rund 3.000. Für die Herstellung würden zudem teils seltene Elemente wie Gold oder Platin benötigt.
Doch wie geht Burster mit dieser Problematik um? „Wir bestellen große Mengen auf Vorrat und bauen die Lagerbestände auf“, erklärt Ziegler. „Dann sind wir abgesichert.“ Nach seiner Aussage eine große Herausforderung: Schließlich brauche es eine genaue und vorausschauende Planung, um große Mengen zu bestellen. Bisher habe das gut geklappt, betont er. Doch wichtig sei vor allem auch, dass es unter den Mitarbeitern bisher nur vereinzelt und keine schweren Corona-Verläufe gegeben habe.
Wir haben 150 Mitarbeiter in Gernsbach und 30 im Ausland.Bernd Ziegler, Prokurist
„Wir haben 150 Mitarbeiter in Gernsbach und 30 im Ausland“, sagt Ziegler. Dazu zählen unter anderem Informatiker, Industrieelektroniker, Ingenieure, Konstrukteure und Facharbeiter wie etwa in der Sensorik bei Anja Mahler. In Italien, Indien, China und den USA hat Burster eigene Niederlassungen, die aber keine Produktionsstätten sind. Der Standort in den USA befinde sich noch im Aufbau, entwickle sich aber gut, erklärt Ziegler.
Künftig will Burster nach Zieglers Aussage auch verstärkt in den Bereich Robotik und Elektromobilität einsteigen. „Beim Verbrennungsmotor gibt es wenig Planungssicherheit“, sagt er mit Blick auf den Wandel hin zum Elektroauto.