
Ein verblasstes, verbogenes und mit der Aufschrift „shud“ verschmiertes Schild weist den Weg zum Kurpark. Ein verkritzelter Verteilerkasten und die verunstaltete Wand des Rettungstreppenhauses für den Tunnel stechen ins Auge. „Das ist nicht schön, das ist trostlos“, bedauert Raymund Scudlik den Zustand rund um den Schlesierplatz.
Aber es gibt einen Lichtblick: Dieser Tage ist der Schlesiergedenkstein an seinen angestammten Platz zurückgekehrt.
Begrünung des Bereichs bereits geplant
Er war seit Spätsommer 2019 wegen der umfangreichen Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Ertüchtigung des Tunnels und des Rettungstreppenhauses vorübergehend im vorderen Teil des Kurparks zwischengelagert.
Jetzt nimmt er wieder seinen ursprünglichen Platz vor dem Nahkauf auf Höhe des Stadthotels am Schlesierplatz ein. Die abschließende Begrünung des Bereichs wird noch im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe erledigt, wie die Stadt Gernsbach auf Anfrage dieser Redaktion ankündigt.
Der Schlesiergedenkstein stammt Angaben der Verwaltung zufolge aus dem Jahr 1982. Mit der Aufstellung des Findlings und den 1978 beschlossenen Straßenbenennungen Pommernstraße, Ostpreußenweg und Schlesierplatz im Bereich des ehemaligen „Hoesch-Areals“ setzte die Stadt Gernsbach damit ein Zeichen der Verbundenheit. Es galt den vielen Menschen, die als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ins Murgtal gelangt waren und hier eine neue Heimat gefunden hatten.
1965 war einer Erhebung zufolge jeder sechste Einwohner Gernsbachs Flüchtling oder Vertriebener, blickt die Stadt zurück. Ein erster entsprechender Gedenkstein war auf Initiative der Ortsgruppe des Vertriebenenverbands bereits 1960 beim Denkmal am Rumpelstein errichtet worden.
Rentner Scudlik hat das Gefühl, dass die „Innenstadt-Mitte“ ignoriert wird
Raymund Scudlik hat durch seinen Vater, der aus Schlesien stammt, Bezug zu diesen Gedenksteinen. Wohnhaft in der Eisenlohrstraße, ist er viel im Bereich Innenstadt-Mitte unterwegs. Zudem fährt der 69-jährige Rentner fast jeden Tag mit dem Linienbus „spazieren“ – und schaut sich aufmerksam um, nicht nur in Gernsbach.
In seiner Wahlheimat, in die er 1992 als Lehrer an der Papiermacherschule kam, stört ihn vor allem das Erscheinungsbild im „Schlesier-Viertel“, das zig Schmierereien und weitere unschöne Blickfänge „prägt“.
Bei all der Diskussion um die Altstadt lasse man in Gernsbach „die Innenstadt-Mitte links liegen“. Diesen Eindruck hat Scudlik zumindest.
Wer sich dort umschaut, kann das nachvollziehen. „Das Umfeld um das Fluchttreppenhäuschen ist sehr lieblos gehalten. Es wächst da nichts als Unkraut“, klagt Scudlik. Das Häuschen selbst – wie die am südlichen und nördlichen Rettungstreppenhaus auch – habe „überhaupt keine Ausstrahlung“ und mache einen verlorenen Eindruck.
Auch das Rettungstreppenhäuschen am Jugendhaus ist schon seit mehr als einem halben Jahr mit einem Graffiti „verziert“ – und „anscheinend fühlt sich niemand bemüßigt, die Toilettengrafik zu übertünchen“, bedauert der 69-Jährige.
Beispiele, wie es besser geht, sieht Scudlik bei seinen Bustouren in der Gegend einige. In Baden-Baden etwa hat eine Künstlerin in der Nähe der Bushaltestelle „Im Metzenacker“ zum Abzweig „In den Schweigrother Matten“ hin am Straßenrand einen Verteilerkasten durch bildhafte Farbgebung so verziert, „dass es ein Hingucker geworden ist“.
Ist der Gedenkstein der Anfang von mehr Verschönerungsmaßnahmen?
Auf Anschauungsobjekte wie dieses in der Nachbarstadt verweist der Gernsbacher in der Hoffnung, dass weitere Maßnahmen zur Verschönerung der Innenstadt-Mitte von Gernsbach folgen.
Für die nun erfolgte Rückkehr des Schlesiergedenksteins – sauber geputzt und die Buchstaben frisch mit schwarzer Farbe nachgezogen – an seinen angestammtem Platz beim Nahkauf bedankt sich Raymund Scudlik ausdrücklich bei der Stadt Gernsbach.
Für die Gestaltung der unmittelbaren Umgebung (Blumenschmuck in den Landesfarben Schlesiens – dunkelblau und goldgelb) sei er bereit, eine zweckgebundene Spende von 200 Euro zu überreichen.