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Attraktive Innenstädte

Große Ketten meiden Mittelzentren: IHK sieht Immobilieneigentümer in Gaggenau als wichtigen Faktor

Vielen Innenstädten geht die Luft aus. Auch in Gaggenau gibt es Leerstand. Neben den Kommunen sind für die Industrie- und Handelskammer Immobilieneigentümer eine wichtige Stellschraube.

Bäckerei Anatolia, Gaggenau
Food funktioniert: Am Freitag eröffnet die türkische Bäckerei Anatolia in der Gaggenauer Hauptstraße. Foto: Adrian Mahler

Die Schemen des Namenszugs sind bei genauem Hinsehen noch zu erkennen – viel mehr erinnert nicht mehr an das Sporthaus Fischer am Eingang zur Gaggenauer Fußgängerzone.

Wie es mit dem Geschäft weitergeht, ist derzeit noch offen. Dass es verschwunden ist, ist dagegen symptomatisch für die Entwicklung vieler Innenstädte. „Wir haben oft rückläufige Kundenfrequenzen und deshalb weniger Umsätze“, sagt Bernd Fleischer. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Immobilien und Innenstadt bei der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe (IHK).

Dieses Problem sei durch Corona noch verstärkt worden. „Die Menschen sind noch mehr ins Internet abgewandert.“ Insbesondere im Non-Food-Bereich leiden die Innenstädte laut Fleischer besonders.

„Im Food-Bereich ist die Welt noch okay, vom Fachkräftemangel mal abgesehen.“ Auch hier hat Gaggenau ein passendes Beispiel parat: Die türkische „Bäckerei Anatolia“ von Ismail Melih Tuzlaci, die am 3. Dezember in der Hauptstraße eröffnet.

Es reicht nicht mehr, ein, zwei Fahrradständer aufzubauen und die Leute kommen wieder.
Christopher Woschek, IHK-Innenstadtberater

Die Probleme sind seit rund zehn Jahren bekannt. Vor allem der Internethandel macht es dem klassischen Einzelhandel schwer. Fleischer spricht von Corona als Katalysator. Auch Brandbeschleuniger ist ein häufig verwendetes Wort.

Innenstadtberater Christopher Woschek, der im Sommer die Gaggenauer City unter die Lupe genommen hat, sagt: „Es reicht nicht mehr, ein, zwei Fahrradständer aufzubauen und die Leute kommen wieder.“ Innenstädte seien viel komplexer.

„Die Innenstadt geht nur gemeinsam“, so Woschek. Heißt: Alle Akteure müssen an einem Strang ziehen. „Von der Kommune, über den Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleister bis zu den Immobilienbesitzern.“

Auffällig an der Auflistung: Die großen Filialisten kommen nicht vor. Dabei war der Umgang zweier großer Marken mit dem inhabergeführten Sporthaus Fischer der Hauptgrund für das Aus des Gaggenauer Geschäfts, wie Ernst Fischer im Spätsommer gegenüber dieser Redaktion erklärte.

Doch nicht nur Schwierigkeiten mit der Belieferung kleiner Geschäfte durch große Marken, sondern auch die Ansprüche der namhaften Filialisten an die Geschäftsräume sind ein großes Problem für die Mittelzentren.

Ex-Sporthaus Fischer, Gaggenau
Textil hat Probleme: Wie es mit dem leerstehenden ehemaligen Sporthaus Fischer weitergeht, ist derzeit noch offen. Foto: Adrian Mahler

Läden auf zwei Ebenen? Nicht mehr gewollt. Ein Umdenken der Ketten? Daran glaubt Bernd Fleischer nicht. „Die großen Ketten weichen nicht von ihrer Linie.“ Also müssen die Immobilieneigentümer ran.

Welche Möglichkeiten die Eigentümer haben, hat die IHK ihnen am Dienstag in einer großen Veranstaltung rund um Innenstädte und Immobilien versucht zu zeigen. Aus Gernsbach war auch Bürgermeister Julian Christ (SPD) dabei und hat seine Innenstadt als Best-Practice-Modell vorgestellt.

Lautet die Zauberformel Umnutzung?

Die Hauptbotschaft der Veranstaltung: Bevor Räume ewig leerstehen, sollten sie lieber „umgenutzt“ werden. Sprich: Aus einem ehemaligen Ladenlokal könnte Gastronomie werden, oder ein Büro oder gar Wohnungen. Kernbotschaft Nummer zwei: Die Mieten haben sich deutlich nach unten entwickelt.

Die Kommunen müssen flexibler sein, um die Innenstädte attraktiv zu halten.
Jürgen Schmidt, Immobilienmakler

Dennoch sieht Jürgen Schmidt den Ball nicht allein bei den Eigentümern. Er ist als Gewerbeimmobilienmakler in der Region unterwegs, kennt den Markt gut und hat auch das ehemalige Sporthaus Fischer in der Vermarktung.

„In der Regel sind das keine Großinvestoren, sondern Einzeleigentümer, die mal als Anlage in einen Laden investiert haben.“ Er rate seinen Kunden daher dazu, alles erst einmal zu lassen, wie es sei. Schließlich müsse sich die Investition auch rechnen.

Schmidt sieht vielmehr die Kommunen am Zug. „Die müssen flexibler sein, um die Innenstädte attraktiv zu halten“, so der Immobilienfachmann.

Um Leerstand zu vermeiden, sei etwa eine anteilige Förderung der Mieten für ein halbes oder ein ganzes Jahr, damit sich der neue Mieter am Ort etablieren kann. Klar sei aber auch: „Gaggenau ist für die großen Namen kein Thema“, sagt Schmidt. „Selbst Rastatt fällt da raus.“

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