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Schwerkranke Gaggenauerin

Joanna Kühn gibt die Hoffnung nicht auf

Es ist eine beispiellose Leidensgeschichte: Mehrere Operationen und über 200 Arzttermine hat Joanna Kühn aus Gaggenau bereits hinter sich. Hoffnung gibt ihr mittlerweile ein Medikament, aber die Krankenkasse zahlt nicht, weil es in Deutschland nicht zugelassen ist.

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Lange Leidensgeschichte: Joanna Kühn musste unzählige Operationen und Untersuchungen über sich ergehen lassen. Bis heute ist sie arbeitsunfähig. Foto: Joanna Kühn

Dunbar-Syndrom, Magenlähmung, Hashimoto, Knochentumor, Budd-Chiari-Syndrom, Dünndarm-Fehlbesiedlung und Aneurysma: Die Krankenakte von Joanna Kühn ist lang, ihre Leidensgeschichte beispiellos. Seit 2010 hat die junge Gaggenauerin – viele ihrer Befunde liegen den BNN vor – mehr als 200 Arzttermine, mehrere Operationen und unzählige Untersuchungen hinter sich gebracht. Jahrelang wartete sie auf eine Diagnose, während Mediziner ihr psychische Probleme bescheinigten.

Beispiellose Leidensgeschichte

Mittlerweile hat die 26-Jährige 40 Kilogramm abgenommen, ist arbeitsunfähig und verschuldet. Trotzdem sagt sie: „Ich habe den Glauben an ein gesundes und glückliches Leben nicht aufgegeben.“

Weil die Krankenkasse nicht alle Behandlungen und Medikamente bezahlt, bittet Joanna Kühn im Internet um Spenden. Die BNN nehmen den „Tag der seltenen Krankheiten“ am 28. Februar zum Anlass, über das Schicksal von Joanna Kühn zu berichten.

Junge Frau muss Ausbildung abbrechen

"Magen-Darm-Probleme habe ich, seit ich denken kann“, erinnert sich die Gaggenauerin. Vor neun Jahren indes verändert sich ihr Leben – und normalisiert sich bis heute nicht.

Immer wieder bekommt Kühn starke Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen, Durchfall. 2014 wird die junge Frau erstmals am Bauch operiert, nachdem sie aus dem Bauchnabel geblutet hat. Ein Jahr später zwingen sie die Schmerzen, ihre Ausbildung zur Bürokauffrau abzubrechen.

Die Symptome nehmen zu: Appetitlosigkeit, Übelkeit, ständiges Erbrechen. Milz und Leber vergrößern sich, ihr Ruhepuls liegt bei mehr als 130 Schlägen pro Minute. Ärzte entdecken eine chronische Entzündung der Schilddrüse und einen Knochentumor im Oberschenkel. Der Versuch, ihre Ausbildung wieder aufzunehmen, scheitert.

Ärzte tappen im Dunkeln

Seit dem 9. Mai 2016 ist Joanna Kühn arbeitsunfähig. „Es ging einfach nicht mehr“, sagt sie. Einen Monat später tritt eine halbseitige Gesichtslähmung auf, die bis heute nicht vollständig abgeklungen ist.

Da die Ärzte trotz vieler Untersuchungen im Dunkeln tappen, vermuten sie psychosomatische Ursachen hinter den Schmerzen.

„Aus der Schublade kam ich nicht mehr raus, obwohl ich keine psychischen Probleme habe“, sagt Kühn. Ihre Krankenkasse habe sie zu einer stationären Behandlung gedrängt, aus der sie sich selbst am 8. Februar 2017 entlässt. Eine wochenlange Krankengeldsperre ist die Folge.

Deutscher Dr. House

In ihrer Verzweiflung fährt Joanna Kühn zu Jürgen Schäfer nach Marburg. Der Mediziner hat sich auf seltene Krankheiten spezialisiert, er gilt als deutscher Dr. House. Deshalb habe sie sich „vor seine Tür gesetzt, bis er sich Zeit für mich nahm.“ Mit Erfolg: Schäfer wirft einen Blick in ihre Unterlagen und ordnet weitere Untersuchungen an. „Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein“, sagt Kühn.

Im April 2017 wähnt sie sich am Ziel: Endlich gibt es eine Diagnose – Dunbar-Syndrom. Es wird durch die Einklemmung einer Arterie durch das Zwerchfell verursacht. Am 15. August 2017 wird Joanna Kühn operiert. Der Gaggenauerin werden Venen vom Oberschenkel in den Bauchraum verlegt.

Sieben Stunden liegt sie auf dem OP-Tisch, drei Tage auf der Intensivstation. Sie erleidet multiple Mini-Lungenembolien und ein Aneurysma an der Leiste. Am 23. Oktober 2017 wird Kühn erneut operiert.

Im künstlichen Koma

Im April 2018 spitzt sich die Situation zu: Die nächste Operation dauert 13 Stunden. Nach einem Leber-Milz-Nieren-Infarkt wird Kühn ins künstliche Koma versetzt, später erhält sie eine hohe Dosis Morphium. Kühn halluziniert, sieht Monster auf sich zukommen. Ein Höllentrip: „Ich habe gedacht: Jetzt stirbst du.“ Wieder stellt sich keine Besserung ein. Durch den starken Durchfall verliert Kühn viel Flüssigkeit. Täglich hängt sie bei ihrem Gernsbacher Hausarzt am Tropf. „Ihm vertraue ich“, betont Kühn, „er hat meine Sorgen immer ernst genommen.“

Verdacht auf seltene Lebererkrankung

Untersuchungen in Leipzig nähren den Verdacht auf das Budd-Chiari-Syndrom, eine seltene Lebererkrankung. „In Deutschland hat sich kein Arzt darauf spezialisiert“, erzählt Kühn, deshalb müsse sie ans Leberzentrum nach Bern. Dort, sagt sie, greife ihre Krankenversicherung nicht. Schließlich wird bei ihr eine Fehlbesiedlung im Dünndarm diagnostiziert. Dort befinden sich Bakterien, die eigentlich im Dickdarm sein sollten.

Ich beginne jeden Tag mit einem Lächeln, egal wie schmerzhaft und anstrengend er wird.
Joanna Kühn

Dann keimt Hoffnung auf: Ein Medikament wirkt, die Schmerzen lassen nach. Aber wieder zahlt die Krankenkasse nicht – weil es in Deutschland nicht zugelassen ist. Für 98 Tabletten gibt Kühn nach eigener Aussage 672,56 Euro aus. Sie reichen ihr sieben Wochen.

„Für weitere habe ich kein Geld“, sagt die 26-Jährige. Sie müsse täglich Morphium nehmen, „um es durch den Tag zu schaffen.“ Ihren Glauben an ein gesundes Leben hat Joanna Kühn dennoch nicht verloren: „Ich beginne jeden Tag mit einem Lächeln, egal wie schmerzhaft und anstrengend er wird.“

Spenden

Im Gaggenauer Kinderbekleidungsgeschäft Trallalü (Hauptstraße 61) steht außerdem eine Spendenbox für Joanna Kühn.

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