Die Stadt Gernsbach zieht die Kaufoption für ein Rathaus-Grundstück auf dem Pfleiderer-Areal nicht. Das hat der Gemeinderat am Montagabend einstimmig beschlossen. Ein neuer Verwaltungssitz an der Murg ist nach Einschätzung der Stadt wirtschaftlich nicht darstellbar. Stattdessen sollen ein Abriss des bestehenden Anbaus am Salmenplatz und dessen Neubau geprüft werden.
Das neue Rathaus auf dem Pfleiderer-Areal, das Bürgermeister Julian Christ ins Gespräch gebracht hatte, ist nun endgültig vom Tisch. Nach städtischen Angaben sind dafür weniger Fördergelder abrufbar als für eine Sanierung im Bestand. Außerdem rechnet die Verwaltung durch die Corona-Krise mit einem Einnahmerückgang von 2,3 Millionen Euro.
Kein Rathaus auf dem Pfleiderer-Areal
Daher soll jetzt geklärt werden, ob eine Sanierung des bisherigen Anbaus oder dessen Neubau an selber Stelle günstiger ist. Das Kerngebäude steht unter Denkmalschutz.
Wir halten den jetzigen Standort für richtig.Stefan Eisenbarth, CDU-Gemeinderat
Die Gemeinderatsfraktionen begrüßten mehrheitlich den Verzicht auf die Option. „Wir halten den jetzigen Standort für richtig“, betonten Stefan Eisenbarth (CDU) und Stefan Krieg (Grüne). Er belebe die Innenstadt.
Derweil tut sich auf dem Pfleiderer-Areal, zumindest sichtbar, wenig. Das Bebauungsplanverfahren musste unter anderem wegen des Hochwasserschutzes pausieren.
In den vergangenen Monaten liefen hinter den Kulissen Gespräche zwischen der Stadt Gernsbach, dem Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) und dem Rastatter Landratsamt.
Das Ergebnis ist keine Überraschung: Die Murg soll im Bereich des Pfleiderer-Areals verbreitert werden. Wie Bauamtsleiter Albert Betting bei einem Pressegespräch am Montagnachmittag erklärte, senkt sich der Wasserspiegel der Murg zwischen Stadtbrücke und Pfleiderer-Areal dadurch um 40 Zentimeter.
„So lässt sich die Hochwassergefahr für weite Teile der Nordstadt erheblich reduzieren“, betonte Bürgermeister Julian Christ.
Die Entscheidung, die Murg-Aufweitung als ersten Schritt umzusetzen, hätten das RP und das Landratsamt getroffen – nicht die Stadt.
Die Maßnahme ist in Gernsbach umstritten, da der Hochwasserschutz auch an anderer Stelle Schwächen aufweist, etwa an der Schlossstraße. Laut Christ soll er dort in den kommenden Jahren ebenfalls verbessert werden.
Uferbereich ist mit Chemikalien belastet
Ein konkretes Zeitfenster dafür nennt der Rathauschef nicht: „Das hängt auch von der Haushaltslage ab.“ Für den Hochwasserschutz an diesem Murgabschnitt ist das Regierungspräsidium verantwortlich.
Die Stadt Gernsbach muss sich mit 30 Prozent an den Kosten beteiligen. Für die Murg-Aufweitung am Pfleiderer-Areal belaufen sie sich laut Betting auf 1,5 bis zwei Millionen Euro.
Untersuchungen haben ergeben, dass der betroffene Uferbereich, wie auch andere Teile des Geländes, mit Chemikalien belastet sind. Die Investorengruppe Krause, die auf dem Pfleiderer-Areal Einkaufsmärkte, Wohnungen und Gewerbeflächen realisieren will, hat eine Dekontaminierung im Kostenrahmen von 4,5 Millionen Euro zugesagt.
Am höchsten ist die Belastung im Bereich der früheren Industrie-Tauchbecken, wo Parkplätze für die geplanten Lebensmittelmärkte entstehen sollen.
Reicht das vereinbarte Budget für die Dekontaminierung dieser Fläche nicht aus, „muss man den Rahmen enger fassen“, so Betting.
Das heißt: In diesem Fall bliebe dort Gift im Boden. Der zuständige Altlasten-Experte Michael Reinhard hält das nach eigener Aussage für unbedenklich.
Wie das Fachbüro Arcadis informiert, ist eine Gefährdung von Mensch und Tier nicht zu erwarten. Der belastete Uferbereich soll mit mindestens 35 Zentimetern Bodenmaterial abgedeckt werden.
Bauschutt wird wieder verwendet
Teile des Bauschutts, der seit Wochen auf dem Gelände liegt, ist laut Betting nur leicht belastet und soll beim Bau der künftigen Gebäude wieder verwendet werden, etwa in Fundamenten. Die Dekontaminierung hätte ursprünglich noch in diesem Sommer beginnen sollen.
Christ rechnet mit der Erschließung des Baugebiets im kommenden Jahr. Dafür habe man auch einen Umweltbericht in Auftrag gegeben, der „rechtlich nicht zwingend notwendig wäre.“ So wolle man „auch die Kritiker mitnehmen.“
Durch die Murg-Verbreiterung entfällt der geplante Dammweg in Flussnähe. Stattdessen wird es einen Weg direkt am Ufer geben. Auf dem vormals für das Rathaus reservierten Grundstück könnten laut Christ weitere Wohnungen oder Gewerbeflächen entstehen.
Nach aktueller Planung werden auf dem Pfleiderer-Areal künftig rund 300 Menschen leben. Wieviel sie für Ihren Wohnraum bezahlen müssen, steht noch nicht im Detail fest. „Der Investor will natürlich auch Geld verdienen“, räumte Christ ein. Über dem geplanten Vollsortimenter entstünden aber bezahlbare Wohnungen.