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Begegnung mit Menschen

Otto Kraft hütet seit 14 Jahren die Selbacher Marienkapelle

Der 71-jährige Otto Kraft hütet die Marienkapelle zwischen Selbach und Ebersteinburg ehrenamtlich. Während den 14 Jahren, in denen er die Kapelle schon pflegt, hat schon einige Geschichten und Schicksale der Kirchenbesucher mitbekommen.

Otto Kraft auf einer Kirchenbank. Im Hintergrund Rosenkränze und ein Bild von Maria
Jeden Tag fährt Otto Kraft zur Marienkapelle hinauf, um einen angenehmen Raum für Besucher zu schaffen. „Ich mach’s unheimlich gern“, sagt er. Foto: Slobodan Mandic

Die Marienkapelle zwischen Selbach und Ebersteinburg ist Anlaufstelle für verschiedenste Besucher. Tag für Tag tragen sie ihre Sorgen, Sehnsüchte und ihren Dank hinein.

Der Mann, der für sie einen angenehmen Raum schafft, ist Otto Kraft. Er pflegt die Kapelle ehrenamtlich. Sie ist für ihn etwas Besonderes – „wirklich ein Ort zum Innehalten“.

Heller Kerzenschein dringt Abend für Abend aus der Marienkapelle nahe der Wolfsschlucht. Von der Rotenbachtalstraße aus ist er für Autofahrer gut zu sehen, die in Richtung Baden-Baden unterwegs sind.

Seit 14 Jahren pflegt Otto Kraft die Kapelle

Die Lichter werden von Gläubigen aus der Umgebung entzündet, von Menschen, die Patienten im Ebersteinburger Krankenhaus und Hospiz besuchen, von Pendlern, Urlaubern und Wanderern. „Es gibt tagsüber keine Zeit, wo keine Kerze brennt“, sagt Otto Kraft.

Seit 14 Jahren pflegt er ehrenamtlich die kleine Kapelle und die zugehörigen Grünanlagen. Jeden Tag bringt er neue Kerzen und putzt die Wachsflecken der alten von Metall, Stein und Holz. Kraft entfernt Spinnweben, wischt Staub und sorgt für gepolsterte Bänke.

Ich mach’s unheimlich gern. Solange ich laufen kann, werde ich’s tun.
Otto Kraft, ehrenamtlicher Kapellenwärter

Er gibt den Blumen und Devotionalien der Besucher einen Platz: Kreuzen, Rosenkränzen, Engelsfiguren, Heiligenbildern. Er räumt abgebrochene Äste vom Parkplatz und mäht den Rasen.

„Ich mach’s unheimlich gern“, sagt der 71-Jährige. „Solange ich laufen kann, werde ich’s tun.“ Doch es ist viel Arbeit. „Ich muss gestehen, ich habe nicht gewusst, was auf mich zukommt.“

Ein Stück Geschichte bewahren

Die St. Nikolaus-Gemeinde hatte den Selbacher angesprochen, als sein Vorgänger aus Altersgründen aufhörte, der ehemalige Pfarrgemeinderatsvorsitzende Bruno Hartwig. Otto Kraft war als engagiert bekannt und ging gerade in Altersteilzeit.

Ein Grund für seine Zusage war die lange Geschichte der Kapelle. Kraft wollte das historische Gebäude erhalten. Derzeit arbeitet er auch an einer kurzen Chronik für Besucher. Die Kapelle ist um 1750 erbaut worden. Seither wurde sie mehrfach erneuert, zuletzt 2002. Vor wenigen Jahren ließ die Selbacher St. Nikolaus-Gemeinde unter anderem die Marienfigur restaurieren.

Hier oben kann ich meinen Glauben leben.
Otto Kraft, ehrenamtlicher Kapellenwärter

Doch auch über die Historie hinaus ist die Kapelle für Otto Kraft etwas Besonderes. „Das ist wirklich ein Ort zum Innehalten.“ Menschen können dort allein sein mit ihrem Glauben. Das gilt auch für ihn: „Hier oben kann ich meinen Glauben leben.“

Es kommen Menschen, die Maria als Mutter Gottes verehren. Aber auch solche, die sich in der Institution Kirche nicht heimisch fühlen.

Die Begegnungen mit Menschen machen den Reiz aus

Wie viele Besucher es täglich sind, weiß er nicht. Anhand der verbrauchten Kerzen schätzt er: rund zwei Dutzend. Es könnten aber mehr sein. Manche bringen Kerzen mit, andere zünden keine an. Sicher ist er, dass die Besucherzahl im Sommer steigt. Da bringt Kraft mehrmals am Tag neue Kerzen.

Die Begegnungen mit Menschen machen für ihn den Reiz seiner Arbeit aus. „Das ist das Schönste: ins Gespräch kommen, Freundschaften schließen.“

Wunder und traurige Schicksale in der Marienkapelle Selbach

So erfährt er von Wundergeschichten: Zum Beispiel besuche eine Frau die Kapelle, weil das Gebäude und die umstehenden Bäume den Orkan Lothar unbeschadet überstanden hätten.

Aber er hört auch von bedrückenden Schicksalen. „Das sind verdammt traurige Sachen. Das geht mir schon ein bisschen nach.“

Die Gebetsbücher, die Besucher seit Jahrzehnten befüllen, geben einen Eindruck von der Vielfalt ihrer Anliegen. Manche schreiben von ihrer Dankbarkeit. Andere bitten um Verzeihung für etwas, das ihr Gewissen belastet.

Einige beten dafür, ihre Beziehung kitten zu können oder einen neuen Partner zu finden. Andere hoffen auf gute Prüfungsergebnisse oder Gesundheit für sich selbst oder ihre Angehörigen.

Unbekannte laden Müll auf dem Parkplatz der Kapelle ab

Wie die Devotionalien behandelt Otto Kraft auch die Bücher mit Respekt. Diesen vermisst er jedoch bei Unbekannten, die Müll vor der Kapelle abladen. Er sah sich schon Küchen und Autoreifen gegenüber. Die meldete er dann der Stadt Baden-Baden.

Mittlerweile sei es besser geworden, sagt er. Doch Müllbeutel finde er bisweilen immer noch. Diebstähle kommen ebenfalls vor, zum Glück aber nur selten. Krafts knapper Kommentar: „Du kannst alles erleben hier oben.“

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