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Gaggenau

Patienten der Rehaklinik Freiolsheim berichten vom Leben mit Drogensucht – und ihrem Ausstieg

Drogensucht ist kein Thema, über das Betroffene leichthin sprechen. Zwei Patienten der Rehaklinik in Freiolsheim haben sich trotzdem bereit erklärt, über ihren Weg in die Sucht zu sprechen, über ihr Leben mit Drogen – und ihre Entscheidung, sich in Therapie zu begeben.

Symbolfoto zum Thema Drogen Sucht Spritze Süchtig Kokain Heroin . Fotobeschreibung: Male junkie hand trying to grab injection syringe of cooked heroine. Hard drug overdose and addiction concept.
Superkräfte, Belohnung, Ausgleich: Drogen versprechen viel – und halten wenig. Foto: zephyr_p - stock.adobe.com

Maja S. und Stefan R. (Namen geändert) sind Patienten der Freiolsheimer Rehaklinik für drogen- und mehrfachabhängige Menschen. Maja S. ist 22 Jahre alt. In wenige Zeilen gepresst liest sich ihre Geschichte wie folgt: Als Schülerin hat sie kaum Freunde und wenig Selbstbewusstsein. Sie begeistert sich für Janis Joplin und Jimmie Hendrix, ist neugierig auf Drogen, die ein erweitertes Bewusstsein und Kreativität versprechen.

Mit 14 Jahren macht sie ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol, mit 16 folgt Cannabis in der Schulhof-Clique, mit 17 sind chemische Drogen an der Reihe. Mit 19 Jahren lernt sie über ihren damaligen Freund Heroin kennen. Zuletzt folgt Kokain.

Nach jedem Drogen-High kam der Aufprall

Die Drogen scheinen sie frei zu machen, zu kreativen Höhenflügen zu treiben.

Doch die Probleme sind nie weit entfernt. Depressionen, Ärger mit den Eltern, Streit mit dem Partner, Entzugserscheinungen, Geldnot.

Ich habe keinen anderen Ausweg gewusst
Maja S. hat ihren Kokain-Konsum mit Sex finanziert

Die junge Frau geht weit, um ihren Konsum zu finanzieren: Sie verkauft ihren Körper. „Als das Koksen anfing, die letzten Monate vor der Therapie, habe ich keinen anderen Ausweg gewusst. Ich wollte nicht klauen, ich kann nicht klauen. Ich habe mir dann gedacht: Okay, gibt es einen Weg, das möglichst wenig eklig zu machen? Ok, dann machen wir’s so.“

Sie sagt das scheinbar gelassen. Doch das Blut steigt ihr in Stirn und Wangen, sie schluckt mehrfach vernehmlich. „Ich habe das auch gar nicht gecheckt in dem Zustand. Es wurde mir erst bewusst, was ich mit mir gemacht hab, als ich schon auf Therapie war. Das musste ich dann auch erst mal sacken lassen.“

Eine noch nie da gewesene Geschichte? Wohl kaum. Worte, die ins Herz schneiden? Ohne Zweifel. Doch dieser Bericht gehört zu all den Suchterfahrungen, mit denen Maja S. umgehen muss.

Die Suchtgedanken sind nie fern

Die Abhängigkeit ist längst nicht überwunden. „Suchtgedanken hat man immer wieder mal. Ich glaube, es ist niemandem hier fremd, dass man sich denkt: Jetzt was zu konsumieren wäre … geil. Jetzt Einen rauchen oder jetzt einen schönen Schuss setzen. Wir sind halt süchtig. Konsumieren wäre halt einfach. Sich nüchtern den Sachen stellen ... eher nicht so.“

Ihre Langzeit-Therapie verdankt sie einem Gerichtsurteil. 2018 ist sie im Zug mit Drogen erwischt worden, ein Jahr darauf folgte der Richterspruch. „So lange haben sie sich tatsächlich Zeit gelassen. Ein Jahr, in dem noch einiges passieren konnte.“

Nach eigenen Angaben hat sie selbst auf die Therapie hin verhandelt, weil sie nicht ins Gefängnis wollte. „Und wohl auch selber wusste, dass ich nicht mehr lange so mitmache.“

Ich will nicht zurück in das Leben, das ich vor der Therapie gelebt habe
Maja S.

Zu Beginn hätte sie nicht gedacht, dass sie die vollen sechs Monate in der Klinik durchhält. Mittlerweile hat sie verlängert. „Ich habe echt wieder Zukunftspläne aufgebaut. Ich will nicht zurück in das Leben, das ich vor der Therapie gelebt habe.“ Sie träumt von einem Neuanfang in einer neuen Stadt, mit neuen Freunden, neuem Partner. Sie hat vor, beruflich in Richtung Familienhilfe oder Jugend- und Heimerzieherin zu gehen.

Eltern versuchen, zu helfen – ohne Erfolg

„Mittlerweile stehen meine Eltern echt hinter mir. Kein Vergleich dazu, wie es zugegangen ist bei uns zuhause. Es war echt Krieg teilweise. Als Eltern ist man ziemlich machtlos. Wir haben vereinbart, dass ich die Stadt am besten ganz meiden werde, außer vielleicht für einen Besuch. Es ist halt schon ein Risiko.“

Was motiviert mich, am Ball zu bleiben? - Ein gutes Leben führen
Maja S.

Doch es ist längt nicht alles rosarot. „Zukunftsängste sind echt so ein Ding, das mich immer wieder runterzieht und auch zu Suchtgedanken bringt.“ Konkrete Pläne macht sie noch nicht, „um mich jetzt nicht zu überfordern“.

„Aber ja, was motiviert mich, am Ball zu bleiben? – Ein gutes Leben führen.“

Stefan ist schon zum zweiten Mal bei der Langzeit-Therapie

Stefan R., 37 Jahre alt, ist bereits zum zweiten Mal zur Langzeit-Therapie in Freiolsheim. Alkohol und Drogen haben sich für ihn zur Belohnung und zum Ventil entwickelt. Als Jugendlicher flüchtet er sich in Suchtmittel, als sein familiäres Umfeld in Trümmer geht.

Er trinkt Alkohol, raucht Marihuana, probiert LSD. Über die Jahre konsumiert er dann querbeet: „Ecstasy, Amphetamin, Kokain, psychedelische Drogen, Pilze.“

Ich habe immer wieder probiert, clean zu leben
Stefan R.

Immer wieder versucht er, seinen Konsum zu kontrollieren – und immer wieder schaukelt dieser sich hoch. „Ich habe immer wieder probiert, clean zu leben. Das hat immer für eine kurze Zeit funktioniert. Bis irgendein beziehungsweise zwei Probleme gleichzeitig aufgetaucht sind, die nicht lösbar waren, und ich wieder zu Drogen gegriffen habe.“

Bei der Arbeit gibt er 150 Prozent – und macht sich so noch mehr Druck

Er versucht, sich mit allerlei Substanzen über Tiefphasen, Konflikte und Stress hinwegzutragen. Doch auf Dauer gerät er ins Trudeln.

„Ich habe zwar immer gearbeitet, auch immer sehr gut, super Zeugnisse. Aus Angst, dass man mir meinen Konsum irgendwie ansehen könnte, habe ich immer 150 Prozent gegeben. Bis zu einem Punkt, wo’s im Drogenkonsum zu arg wurde. Ich habe meistens selbst die Reißleine gezogen, bevor ich gekündigt wurde. Als ich gemerkt habe, es geht nicht mehr weiter.“

Ich habe mich unter den glücklichen Auserwählten gefühlt
Stefan R.

Er versucht sich zu fangen, mit Anfang 20 in einem Methadonprogramm, dann als 32-Jähriger in der Klinik. „Ich habe hier sechs Monate Langzeit-Therapie gemacht und bin danach drei Monate in die Tagesklinik nach Durlach. In der Zeit, wo dieser geschützte Rahmen da war, hatte ich überhaupt kein Problem, abstinent zu bleiben. Nur wusste ich: Es gibt Süchtige, die einen kontrollierten Konsum hinbekommen. Und ich habe mich unter den glücklichen Auserwählten gefühlt. Das war ein Trugschluss.“

Fünf Jahre später beginnt er die zweite Therapie. „Ich stand noch schlimmer da als das erste Mal. Kein Führerschein mehr. Keine Freundin. Kein Job. Die Eltern wieder enttäuscht. Und mich eben auch wieder enttäuscht. Und auch viele Wertsachen verkauft, sodass ich eigentlich wirklich mit Null dagestanden bin.“

Die strenge Linie in Freiolsheim hilft Stefan R.

Er schätzt die klare Linie der Klinik: Wer rückfällig wird, fliegt. „Wenn wie bei manchen Einrichtungen mit drei Rückfällen gearbeitet wird, weiß man, dass man drei Joker hat. Und hat die Sucht immer präsent im Kopf.“ Doch der Abstand zu den Drogen ist wichtig: „Umso länger die Therapie ist beziehungsweise die Abstinenzzeit, umso unwahrscheinlicher ist ein Rückfall.“

Vieles motiviert ihn, dran zu bleiben. Besonders der Gedanke an seine Eltern: „Sie will ich nicht mehr enttäuschen.“ Er will einen stressarmen Job finden, Geld sparen, verreisen, den Führerschein zurückbekommen. Er hat wieder Hobbys. Er will sich ein suchtmittelfreies Umfeld schaffen. Und nicht zuletzt eine neue Partnerin finden.

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