Skip to main content

„Eine Frege des Lifestyles“

Rehaklinik-Leiter in Freiolsheim: Nächster Trend auf dem Drogenmarkt sind Schmerz- und Schlafmittel

Die Rehaklinik in Freiolsheim widmet sich drogen- und mehrfachabhängigen Menschen. Ihr Leiter, Wolfgang Indlekofer, sieht einen zunehmen Missbrauch starker Schmerz- und Schlafmittel sowie Antidepressiva.

Wolfgang Indlekofer sitzt an einem Schreibtisch
Das Suchtverhalten wandelt sich - und mit ihm das therapeutische Angebot in der Rehaklinik Freiolsheim. Immer differenzierter und individueller wird dieses, berichtet der therapeutische Gesamtleiter Wolfgang Indlekofer. Foto: Christiane Widmann

Die Opioid-Krise in den USA sorgt seit einiger Zeit für Schlagzeilen. Die Zahl von Drogenabhängigen und Drogentoten hat dort seit der Jahrhundertwende stark zugenommen.

Zurückgeführt wird dieser Anstieg auf eine verharmlosende Vermarktung und leichtfertige Verschreibung von Opioid-Schmerzmittel. Doch Medikamentenmissbrauch ist nicht nur jenseits des Atlantiks ein Thema, sondern auch in Deutschland. „Den nächsten Trend“ sieht Wolfgang Indlekofer darin.

Wolfgang Indlekofer ist therapeutischer Gesamtleiter der Rehaklinik in Freiolsheim, die sich drogen- und mehrfachabhängigen Menschen widmet. Welche Suchtmittel wie konsumiert werden hat sich gewandelt, berichtet er.

War früher Heroin für viele Abhängige das Mittel der Wahl, so liegen derzeit entspannendes Cannabis und aufputschende, wachmachende Amphetamine im Trend. Wurden Drogen früher gespritzt, so werden sie mittlerweile vorwiegend geraucht und gesnieft, sprich: durch die Nase eingesogen.

Die nächste Entwicklung erwartet er im zunehmenden Missbrauch starker Schmerz- und Schlafmittel sowie Antidepressiva. Schon jetzt, schätzt er, dürfte die Hälfte seiner Patienten sich schon einmal mithilfe von Medikamenten beruhigt oder berauscht haben. Reine Opioide sieht er in Deutschland hingegen weniger als Problem an, da das Betäubungsmittelgesetz sie beschränkt.

Verschiebung hat mit Lifestyle zu tun

Die Verschiebung zu anderen Suchtmitteln sei eine Frage des Lifestyles, erklärt Indlekofer. Während Heroin mittlerweile der Geruch der Gosse anhaftet, stehen THC, Ecstasy und Co für eine gute Zeit mit Freunden und für private und berufliche Leistungsfähigkeit.

So manches Mittel kann online gekauft werden. Der Griff zu Medikamenten wiederum ist mittlerweile alltäglich geworden, für jedes Zipperlein gibt es ein Mittel.

Für die Arbeit in der Rehaklinik haben die geänderten Gewohnheiten Folgen. Mehrfachabhängigkeiten sind die Regel geworden. Schon die Standard-Schnelltests in der Rehaklinik umfassen 20 Stoffe. Toxikologen testen in Verdachtsfällen Urinproben auf 5.000 weitere Stoffe – von Ibuprofen bis zu synthetischen Drogen.

Psychiatrische Auffälligkeiten nehmen zu

Wenn Patienten mit mehreren Suchtmitteln unterschiedliche Bedürfnisse bedient haben, wird auch die Behandlung, die Umgewöhnung, komplexer.

Hinzu kommt Indlekofer zufolge, dass psychiatrische Auffälligkeiten wie Depressionen oder Psychosen bei Patienten zunehmen – sei es, weil mehr Krankheitsbilder anerkannt sind, sei es, weil die Zahl der Betroffenen steigt.

Behandlung ist individueller geworden

Die Therapien sind deshalb individueller geworden, differenzierter. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Spezialisierung der Fachkräfte: Neben medizinischem, psychologischem und psychotherapeutischem Personal sind zum Beispiel Kreativ- und Physiotherapeuten, Ernährungs- und Sozialpädagogen vertreten.

Ziel ihrer Arbeit ist es, mit den Patienten einen Behandlungsplan zu erarbeiten, sie zu einer abstinenten Lebensführung zu begleiten und sie bei ihrer Eingliederung zu unterstützen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang