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Tempo 30 in der Innenstadt

Riesen-Frust bei Anwohnern wegen umstrittener Vorgehensweise im Gaggenauer Bauausschuss

Eigentlich sollte der Bauausschuss über Tempo 30 in vier Straßen der Gaggenauer Innenstadt entscheiden – doch der drückt sich und will das Thema lieber im Gemeinderat beschließen.

August-Schneider Straße Gaggenau, Ender der 20er-Zone
Und dann kommt 50: Kurz vor dem Bahnübergang endet Tempo 20 in der August-Schneider-Straße. Foto: Swantje Huse

„Das war ein klares Versagen des Bauausschusses.“ Mit seinem Ärger ist Peter Schmidt nicht allein. Vor der Jahnhalle stehen am Montagabend rund ein Dutzend frustrierter Gaggenauer. Sie alle sind Anwohner der Innenstadt und waren gekommen, um dabei zu sein, wenn der Bauausschuss für ihre vier Straßen ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde beschließt. Doch dazu kommt es nicht. Stattdessen wird das Thema vertagt. „Der Frust ist groß“, sagt Schmidt nach dieser Entscheidung.

Im Gaggenauer Bauausschuss steht es fifty-fifty

Denn die kommt überraschend und auf Antrag der CDU. Sie will das Thema lieber im Gesamt-Gemeinderat besprechen, erklärt Bauausschuss- und CDU-Mitglied Rosalinde Balzer für ihren verspäteten Parteikollegen Rudi Drützler. „Hier sind nur acht Gemeinderatsmitglieder statt 26“, so Balzer. Die CDU erhoffe sich „mehr Akzeptanz“ für den Beschluss, wenn er im großen Gremium gefällt werde.

Zuspruch erhält sie von Heinz Adolph von den Freien Wählern. „Das ist eine prekäre und vielschichtige Geschichte“, so Adolph. Zu vielschichtig, „um sie durch uns entscheiden zu können“. Bereits innerhalb seiner Fraktion gebe es unterschiedliche Meinungen zu der Geschwindigkeitsreduzierung.

Wir wissen, dass Herr Drützler mit Nein stimmen würde.
Michael Pfeiffer, Bürgermeister und Sitzungsleiter

Aussagen, die bei Gerlinde Stolle (SPD) und Bettina Agostini (FDP) auf Verwunderung stießen. „Wir müssten mal anfangen, sonst wird das nie was“, sagt Stolle und verweist darauf, dass lediglich Entscheidungen für vier Straßen getroffen werden sollen. „Das Thema ist schon durch so viele Gremien gegangen.“ Dafür erntet sie leisen Applaus von den Zuschauerrängen.

Auch Agostini zeigt sich erstaunt. „Es ist verwunderlich, dass jetzt doch der Wunsch nach dem Gemeinderat auftaucht.“ Zumal das Thema „intensiv und mehrfach“ im Ausschuss und in der Arbeitsgruppe Mobilität besprochen worden sei.

Es geht um vier Straßen in Gaggenau

Darauf weist sogar die Sitzungsvorlage hin. Darin heißt es, dass sich die „aus Mitgliedern des Gemeinderates und Vertretern von Polizei, ADFC und Arbeitskreis Umwelt bestehende Arbeitsgruppe Mobilität“ im Sommer „eingehend“ mit dem Thema Geschwindigkeitsreduzierungen beschäftigt habe.

Diese Gruppe empfehle dem Ausschuss „einstimmig, dem Konzept der Verwaltung zuzustimmen, künftig auf folgenden Straßen nur noch 30 km/h zuzulassen“. Es folgen die vier Straßen, für die der Beschluss hätte fallen sollen: August-Schneider-Straße, Beethovenstraße, Daimler-Benz-Straße und Kniebisstraße.

„Lärm und Geschwindigkeit sind zweierlei. Wenn überall 30 ist, reduziert das den Lärm nicht zwingend.“ Diese Aussage von Rosalinde Balzer ärgert die betroffenen Anwohner besonders. „Da muss ich widersprechen“, nutzt David Schöffler die Gelegenheit der Einwohnerfragestunde für ein Statement. Den Tempowechsel in der August-Schneider-Straße von 20 auf 50 Kilometer pro Stunde „habe ich noch nirgendwo gesehen“. Selbst wenn man sich an die Verkehrsregeln halte, erfordere es mehrere Schaltvorgänge. „Und das nutzen Poser gnadenlos aus.“

Die trauen sich nicht, etwas zu entscheiden und dafür geradezustehen.
Peter Schmidt, verärgerter Anwohner

Auch der Sprecher des Arbeitskreises Umwelt (AKU) ärgert sich. „Geschwindigkeit und Lärm sind keine zwei Dinge“, sagt Folker Hahn. „Das sind uralte Argumente.“ Er habe im Vorfeld der Ausschusssitzung alle Fraktionen angeschrieben, um für das Tempolimit zu werben. „Von allen kam das Signal, dass die Entscheidung durchgeht.“

Doch genau das passiert nicht. Auf den Antrag der CDU hin wird abgestimmt, ob das Thema in den Gemeinderat verwiesen wird. Ergebnis: vier Mal Nein, vier Mal Ja. Eigentlich wäre der Antrag damit abgelehnt, die Diskussionen und vor allem die Entscheidung im Bauausschuss möglich.

Doch Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos), der die Sitzung leitet, zögert – und plädiert dafür, das Thema zu „vertagen“. „Wir wissen, dass Herr Drützler verspätet kommt und mit Nein stimmen würde.“ In diesem Wissen nun dennoch im Ausschuss zu entscheiden, sei „unfair“, so Pfeiffer.

Betroffene bleiben kämpferisch

Das sehen die Anwohner anders. „Die trauen sich nicht, im kleinen Gremium etwas zu entscheiden und dafür auch geradezustehen“, sagt ein verärgerter Peter Schmidt nach der Sitzung aus und erntet Zustimmung von den Umstehenden. Ja, sie alle kämpften für weniger Lärm, vor allem nachts. Aber nicht nur. „Uns geht es auch um die Sicherheit“, sagt David Schöffler.

Immerhin ende die 20er-Zone in der August-Schneider-Straße direkt an einem Fußgängerüberweg, der intensiv von Schülern genutzt werde. „Die Autofahrer haben schon das 50er-Schild vor Augen, sind ungeduldig und geben Gas“, beschreibt er die gefährlichen Szenen, die er selbst schon erlebt habe.

Lärm und Geschwindigkeit sind zweierlei.
Rosalinde Balzer, CDU-Stadträtin

Nun heißt es also, weitere zwei Wochen warten, bis – eventuell – eine Entscheidung getroffen wird. Denn das Thema ist nur vertagt, könnte also vom Ausschuss doch noch in den Gemeinderat verwiesen werden. Damit würde es frühestens in einem Monat auf der Tagesordnung auftauchen.

AKU-Sprecher Hahn versucht sich in Optimismus. „Man kann das ja auch als demokratischen Prozess verstehen“, sagt er schulterzuckend. „Und wenn das so ist, haben wir auch kein Problem mit einem Monat Verzögerung.“ Und wenn nicht? „Dann“, so ist sich die Gruppe einig, „dann werden wir schon noch auf die Barrikaden gehen.“ Kommentar

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