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Wolf behält seinen Schutzstatus

Schaf- und Ziegenhalter im Murgtal sind enttäuscht: Mehr Schutz für den Wolf als für Weidetierhalter?

Wölfe dürfen weiterhin nicht bejagt werden. Das hat der Bundestag am 26. April beschlossen. Schaf- und Ziegenhalter im Murgtal sind enttäuscht.

Ein Wolf.
Wird wieder heimisch: Im Nordschwarzwald ist der Wolf GW852m – hier ein Symbolbild – seit Jahren unterwegs und reißt immer wieder Tiere. Geschossen werden darf er deshalb nicht. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/zb/dpa/Archivbild

Der Wolf behält seinen hohen Schutzstatus. Zwischen den Evakuierungen aus dem Sudan und dem medienwirksam kommunizierten Wolfsgipfel ist die Entscheidung des Bundestags am späten Mittwochnachmittag beinahe untergegangen.

Die CDU/CSU-Fraktion hatte den Antrag gestellt, den Abschuss von Wölfen in Deutschland zu erleichtern. Und ist damit gescheitert. Zum großen Bedauern der Weidetierhalter im Murgtal.

Enttäuschung und Resignation bei Schaf- und Ziegenhaltern

„Ich hab wirklich Frust“, sagt etwa Hans-Jörg Wiederrecht. Er ist der Vorsitzende der Ziegenfreunde Bermersbach, die aktuell 45 Hektar Fläche mit ihren Tieren beweiden. „Ich hab nichts anderes erwartet, als dass nichts rauskommt.“ Derzeit haben die Ziegenfreunde rund 95 Tiere, davon 18 Jungtiere. „Noch“ befinden die sich in der sicheren Umzäunung, doch nicht mehr lange.

Lediglich vier Hektar ihrer Weideflächen haben die Ziegenfreunde bisher mit sogenannten „wolfsabweisenden Zäunen“ einfrieden können. Mehr war bisher aus finanziellen Gründen nicht möglich.

„Mit den geltenden Förderrichtlinien brauchen wir zehn bis 15 Jahre, bis alles eingezäunt ist“, sagt Wiederrecht. „Und bis dahin haben wir längst Wolfsrudel hier.“ Zwei Mal schon hat der Wolf bei den Ziegenfreunden zugeschlagen.

Ich hör auf. Dies Jahr noch. Dieses Jahr noch, ab dem nächstem nicht mehr.
Konrad Roth, Ziegenhalter aus Gausbach

Auch Konrad Roth ist alles andere als begeistert, als er von der Entscheidung des Bundestags hört. „Ich glaub, ich spinn’“, entfährt es ihm spontan.

Und dann. „Ich hör auf. Dieses Jahr noch, ab dem nächstem nicht mehr.“ Roth pflegt mit seinen 23 Ziegen und der Unterstützung von 16 Rindern fünf große Weiden im Sasbachtal. Hobbymäßig.

Vier Ziegen hat Roth bei drei Wolfsrissen verloren. Eine Entschädigung hat er dafür nicht gesehen. „Keinen Cent. Es wurde immer was gefunden, warum der Fehler bei mir liegt.“

Mit festen Zäunen könne er sowieso nicht arbeiten, allenfalls mit Netzen. „Wenn man bei uns im Gelände Zäune bauen wollte, das tät’ Millionen kosten.“

Zwar könnte er die Finanzierung zu 100 Prozent geltend machen. „Aber ich müsste das ja vorfinanzieren“, sagt Roth. Und das ist für ihn als Hobbytierhalter keine Option.

Aussicht auf ein Wolfsrudel macht Angst

Bisher von Wolfsrissen verschont geblieben ist Johannes Wekerle. Er betreibt die Landschaftspflege berufsmäßig, hat derzeit 700 Schafe und Lämmer, mit denen er 190 Hektar Weidefläche offen hält.

Damit er im Fall der Fälle entschädigt werden kann, hat er seine Tiere mit der Norm entsprechenden Netzen und Zäunen umgeben. Einen wirklichen Schutz sieht er darin allerdings nicht. „Die Netze sind zu niedrig oder es gibt bei zu trockener Witterung Probleme mit dem Erdungsschutz“, erzählt Wekerle. Dann kriege der Wolf eben keinen ordentlichen Schlag, sondern spüre kaum noch was.

Das bestätigt auch Martin Hauser. Der Wildtierbeauftragte des Landkreises Rastatt ist immer dann im Einsatz, wenn ein Tier möglicherweise von einem Wolf gerissen wurde. Er sammelt dann DNS und schickt sie zur Auswertung zur Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) nach Freiburg.

Die Schwierigkeit mit den stromführenden Netzen kennt er. „Wir haben aber auch schon Risse entschädigt, bei denen der Schutz wegen der Trockenheit nicht gegeben war“, betont er.

Daraus ergibt sich aber ein anderes Problem, so Hauser: Der Wolf lernt. „Gerade die Jungtiere probieren aus und suchen Schwachstellen.“

Weshalb es so wichtig sei, möglichst viele Herden mit wolfsabweisenden Zäunen und Netzen zu schützen. „Wenn die Eltern gelernt haben, dass sie den Zaun nicht überwinden, dann verhält sich das Rudel auch so.“

Inzwischen glaube ich, dass der Wolf zum Erliegen der Weidewirtschaft führt.
Hans-Jörg Wiederrecht, Vorsitzender der Ziegenfreunde Bermersbach

Gerade die Aussicht auf ganze Wolfsrudel im Schwarzwald macht die Ziegenhalter Hans-Jörg Wiederrecht und Konrad Roth so pessimistisch. Sie sind jetzt schon davon überzeugt, dass es neben dem bekannten GW852m noch einen weiteren umherziehenden Wolf in der Gegend geben muss.

„Ich habe ja anfangs gedacht, dass Wölfe und Weidewirtschaft nebeneinander funktionieren“, sagt Wiederrecht. „Aber inzwischen glaube ich, dass der Wolf zum Erliegen der Weidewirtschaft führt.“

Auch Berufsschäfer Johannes Wekerle denkt, dass das Zusammenleben von Wolf und Weidetieren im Murgtal „nur sehr bedingt möglich“ sei. „Mit einem einzelnen Wolf vielleicht. Mit einem Rudel eher nicht.“

Wildtierbeauftragter sieht keinen Nutzen im Abschuss eines Wolfs

Der Wildtierbeauftragte Martin Hauser hat Verständnis für diese Ängste. Die Lösung sieht er allerdings nicht in einem Erleichterten Abschuss von Wölfen – zumal sogenannte Problemtiere auch jetzt schon geschossen werden dürfen. Für ihn wäre es wichtiger, die Förderrichtlinien so zu ändern, dass die Weidetierhalter nicht in Vorleistung gehen müssen. Das sei eine „eindeutige Schwachstelle“.

Denn während in anderen Bundesländern bereits ganze Rudel lebten, sei das Murgtal mit „seinem einen Wolf“ damit nicht vergleichbar. „Wenn der weg ist, kommt der nächste“, ist Hauser überzeugt. „Wenn man ihn überhaupt kriegt.“ Er jedenfalls habe GW852m seit seinem Nachweis vor sechs Jahren noch nie zu Gesicht bekommen.

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