Hat Ottenau eigentlich ein Dorfzentrum? Und wenn ja, wo ist es? Die junge Frau, die gerade ihre Einkäufe auf dem Parkplatz des Discounters im Kofferraum verstaut, muss überlegen, bevor sie antwortet. „Ich weiß es gar nicht“, sagt sie schulterzuckend und schaut sich um. „Hier ist zumindest das meiste, wo man hingehen kann.“
Eine Situation, die Gerlinde Stolle häufiger erlebt. Sie ist nicht nur SPD-Stadträtin, sondern auch Ur-Ottenauerin und meint: „Rund um den Penny-Kreisel ist ein Zentrum entstanden. Das muss man anerkennen.“
Doch genau damit tut sich die Stadt Gaggenau schwer, wie Stolle vor Kurzem in einer Sitzung des Gemeinderats erfahren musste. Darin ging es um die geplante Erweiterung des Pronto Casa. Was eigentlich kein Problem sein sollte, ist in Ottenau nicht ganz so einfach, da das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt klar definiert, wo sich Einzelhandel ansiedeln darf und wo nicht. Und Ottenau ist dafür zwar vorgesehen, aber nicht am Kreisverkehr.
Stadt Gaggenau hat den Fokus auf die Ebersteinstraße gelegt
Deshalb brauchte es für Pronto Casa eine Ausnahmegenehmigung des Gemeinderats – die es auch gab. Auch Stolle stimmte dafür. Die Herangehensweise der Stadt kritisiert sie dennoch. „Diesen Bereich zum Nahversorgungszentrum zu erklären, wäre doch nur logisch“, sagt die SPD-Stadträtin im Gespräch mit dieser Redaktion.
Im Gemeinderat stieß sie mit der Argumentation bei der Stadtverwaltung auf taube Ohren. „Wenn wir das als Nahversorgungszentrum definieren, müssen wir hier ganz andere Ansiedlungen zulassen“, hieß es von dort.
Laut Einzelhandels- und Zentrenkonzept, das der Gemeinderat nach zehn Jahren erst im Frühjahr aktualisiert und fortgeschrieben hat, ist der zentrale Versorgungsbereich in der Innenstadt vorgesehen. „Außerdem haben wir Nahversorgungszentren in Hörden, Bad Rotenfels und Ottenau“, erläutert Stadtplaner Maximilian Krebs. Doch eben nicht am Kreisverkehr, sondern in der Ebersteinstraße. „In Gewerbegebieten soll es keinen Einzelhandel geben. An der Ebersteinstraße dagegen gerne.“
An der Apotheke gibt es keine Chance für Entwicklungen.Gerlinde Stolle, Ottenauerin und SPD-Stadträtin
Für Gerlinde Stolle ist das Augenwischerei. Das alte Zentrum an der Lindenbrücke sei sowieso Vergangenheit. „Und an der Apotheke gibt es keine Chance für Entwicklungen“, so die Ur-Ottenauerin, deren Eltern früher ein Schreibwarengeschäft im Stadtteil betrieben. Könnte dann nicht zu viel Konkurrenz entstehen? Stolle winkt ab: „Wir haben doch die Möglichkeit zur Steuerung.“
Dass rund um den Penny-Kreisel eine Dorfidylle entstehen wird, glaubt auch Stolle nicht. „Aber wer hätte gedacht, dass sich hier so ein tolles Restaurant ansiedelt wie das Vinophil?“, gibt sie zu bedenken. Sie glaubt jedenfalls an das Potenzial ihres Stadtteils und will weg von den ewigen Ausnahmegenehmigungen. „Das ist nachher nur ein Riesengespraddel. Dem einen wird’s erlaubt, dem anderen nicht“, so ihre Befürchtung.
In Gewerbegebieten soll es keinen Einzelhandel geben.Maximilian Krebst, Stadtplaner Gaggenau
„Da ist Einzelhandel, da hat sie recht“, räumt Stadtplaner Krebs ein. Aber: „Wir wollen keine weitere Verstärkung haben.“ Einzelhandels-Neuansiedlungen, etwa im Leerstand bei Elektro Dreher, seinen nicht möglich. „Der Raum soll für Handwerk und produzierendes Gewerbe freigehalten werden.“ Ausnahmegenehmigungen werde es nur für bestehende Einzelhändler geben – wie eben im Fall von Pronto Casa.
Stolle findet das nicht gut. Sie ist für Klarheit – und Offenheit: „Wenn jemand eine gute Idee hat, sollte man sich das ruhig anhören.“ Und sie bleibt dabei: An der Max-Roth-Straße ist ein Nahversorgungszentrum entstanden. Auch wenn die Rathausspitze das nicht hören will. „Da lügt man sich was in die Tasche.“