Den Trauerschleier des Friedhofs lüften, um sich zwischen Grabsteinen und Totenlichtern zu einem geselligen Treffen in gemütlicher Runde zusammenzufinden: Für so manchen mag das vielleicht etwas befremdlich klingen.
In Bad Rotenfels könnte das aber zeitnah Wirklichkeit werden: Kaffee-Nachmittage, Klassik-Konzerte und ein Platz der Begegnung sind in einem Konzept angedacht, durch das die Bad Rotenfelser Vereinsgemeinschaft Friedhöfe für ein geselliges Miteinander nutzen will.
„Es wird nie ein Rock-Konzert auf dem Friedhof geben“, betont Jürgen Maier-Born mit einem Lachen vorweg. Musik in einem angemessenen und respektvollen Rahmen sei aber durchaus denkbar, sagt der Vorsitzende der Gemeinschaft Bad Rotenfelser Vereine. Gemeinsam mit Friedhofspfleger Albert Kamm will er Friedhöfe als Orte des gesellschaftlichen Zusammenkommens salonfähig machen.
Vergangenheit prägt Bild vom Friedhof in Bad Rotenfels
Auslöser war, dass in den Köpfen vieler Menschen ein noch „ein längst vergangenes Bild von einem Friedhof“ herrsche, befindet Kamm. Die Logik eines Grabes nach „Quadratisch, praktisch, gut“ sei veraltet und der heutigen Zeit schlicht nicht mehr angemessen. Da nicht jeder Mensch gleich ist, müsse das auch an den Gräbern sichtbar sein. „Keines gleicht dem anderen.“
Es gebe keine zeitlos vorgeschriebene Regel in Bezug auf Tod und Trauer, die einer Neugestaltung der Ruhestätten im Wege stehen, so der Tenor bei Kamm und Maier-Born. Deswegen: „Ein moderner Friedhof muss wesentlich mehr bieten“, ist sich der Gärtner sicher.
Wie das funktionieren soll? Dafür ist das soziale Miteinander zentral, erklärt Kamm. In seiner persönlichen Vision gehören neben neuen Denkweisen in der Grabgestaltung auch Getränkeautomaten oder Spielplätze für Kinder – auf dem Friedhof.
Die Menschen sollen „gerne“ auf den Friedhof kommen, sich unterhalten und zur Ruhe kommen. Die Aura der reinen Arbeit am Grab und der Trauerstimmung müsse dafür überwunden werden. Die Ruhestätte solle zu einem Ort werden, „an dem man sich gerne trifft und wo man gerne hingeht“, erklärt Kamm im Gespräch.
Mehr Platz dank Trend zur Urne
Gekoppelt sei diese Idee an die Frage, wie ein Friedhof in 30 oder 40 Jahren aussehen soll. Das ist für Maier-Born die der zentralen Fragen bei dem Vorhaben, den Ruheraum für Verblichene wieder mit Leben zu füllen. Ausschlaggebend sei ebenfalls die veränderte Bestattungskultur: Durch den jahrelangen Trend zum Urnengrab wird Platz für neue Gestaltungsmöglichkeiten frei, erklärt er. Diesen wollen die beiden mit einem Umdenken in der Trauerkultur füllen und den Friedhof wieder zu einem Ort der Lebenden machen.
Dass mit mehr Menschen, die in ihrer Freizeit die Ruhestätte aufsuchen, mit deutlich mehr Müll zu rechnen ist, glaubt Maier-Born indes nicht. Er ist überzeugt: „Da haben die Leute schon genug Respekt.“
Um ihre Idee der Bevölkerung zu präsentieren, veranstaltet die Vereinsgemeinschaft am Freitag, 3. Juni, einen „Abend der Begegnung“ mit Lesungen von Gedichten, Predigten und einer Bewirtschaftung. Maier-Born betont, das sei „keine Veranstaltung zum Geld verdienen“, sondern diene dazu, die Bürger in einem informellen Rahmen zusammenzubringen.
Für einen wohltätigen Zweck kann dennoch gespendet werden. Wie die Idee über den Freitag hinaus angenommen wird, werde sich laut Maier-Born noch zeigen müssen. Sollte sie bei den Bad Rotenfelsern auf fruchtbaren Boden treffen, seien etwa Kaffee-Nachmittage, klassische Konzerte oder Abendveranstaltungen durchaus denkbar.