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Aus eins wird zwei

Mit der Auflösung des Wasserversorgungsverbands entstehen zwei Versorgungsgebiete

Der Wasserversorgungsverband Vorderes Murgtal löst sich auf. Warum das so ist und was das für den Endverbraucher bedeutet, erklärt unser Redaktionsmitglied Swantje Huse.

ARCHIV - 18.11.2012, Hamburg: ILLUSTRATION - Trinkwasser wird vor einem «Wasser»-Schriftzug in ein Wasserglas gegossen. Der diesjährige Umweltpreis des Landes Rheinland-Pfalz steht unter dem Motto «Wasser ist Leben». Verliehen wird die mit insgesamt 9000 Euro dotierte Auszeichnung am (von Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne). (zu dpa «Rheinland-pfälzischer Umweltpreis wird verliehen» vom 17.09.2018 Foto: Daniel Reinhardt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
Lebensmittel Wasser: Die Verbraucher aus Gernsbach werden bereits seit Ende 2019 von den Stadtwerken Gaggenau versorgt. Foto: Daniel Reinhardt

Derzeit werden die formellen Weichen gestellt, Mitte 2022 soll es dann soweit sein: Dann ist der WVV, wie der Wasserversorgungsverband Vorderes Murgtal kurz heißt, Geschichte.

Wir klären die wichtigsten Fragen rund um die Auflösung.

Wasserversorgungsverband Vorderes Murgtal – was steckt eigentlich hinter dem Wortungetüm?

So sperrig das Wort auch ist, es beschreibt die Aufgabe ziemlich treffend. Der Verband kümmert sich um die Trinkwasserversorgung im Vorderen Murgtal, genauer in Gernsbach, Gaggenau-Selbach, Rastatt-Förch und Kuppenheim. Dabei geht es darum, dass die Kommunen, die ihren Trinkwasserbedarf nicht selbst decken können, unterstützt werden. Das ist vor allem in Gernsbach der Fall.

Wie kann es sein, dass sich Gernsbach nicht selbst versorgen kann?

Die Geschichte ist komplex und beginnt bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts, also vor der Gemeindereform. Damals waren die heutigen Ortsteile noch nicht Bestandteil der Stadt Gernsbach und versorgten sich selbst. Mit der Zeit und dem steigenden Lebensstandard wuchs auch der Trinkwasserbedarf immer stärker. Die Gemeinden ab Gaggenau das Murgtal hoch hatten immer größere Schwierigkeiten, ihre Versorgung über die eigenen Quellen abzudecken. „Das war ein ziemliches Leidensszenario“, sagt Paul Schreiner, Werkleiter der Stadtwerke Gaggenau, die seit Januar 2020 die operative Leitung des WVV innehaben. Weshalb dann nicht Gaggenau ausgeholfen hat, sondern stattdessen Förch eingesprungen ist, ist heute nicht mehr so genau nachzuvollziehen. „Vermutlich gab es Animositäten“, so Schreiner. 1967 wurde deshalb der WVV gegründet. Triebfeder war neben Gernsbach als größtem Verbandsmitglied noch Kuppenheim. Außerdem war Selbach mit dabei – hier gab es manchmal in den Sommermonaten überhaupt kein Wasser.

Wieso ist Gaggenau im WVV, wenn es damals doch Probleme mit Gernsbach hatte?

Gaggenau ist – genauso wie Rastatt – durch die Gebietsreform Anfang der 1970er-Jahre reingerutscht. Förch wurde Rastatt eingemeindet, Selbach, das sich auch durch den WVV versorgen ließ, Gaggenau.

Wenn aber doch alles gut ist, wieso soll der WVV dann überhaupt aufgelöst werden?

Die kurze Antwort lautet: marode Leitungen und PFC. Der WVV besteht bis heute quasi aus den Leitungen der Anfangsjahre. 2010 wurde zwar in Förch eine Enthärtungsanlage gebaut, damit das Wasser nicht so hart ist, was gerade beim technischen Gebrauch problematisch sein kann. Viel mehr ist aber nicht gemacht worden. Dann kam 2013 der PFC-Skandal.

Wieso spielt das PFC im Vorderen Murgtal eine Rolle. Die verseuchten Äcker liegen doch ganz woanders?

Das stimmt zwar. Jetzt wird aber zum Problem, was einst die Lösung war: Weil sich das Murgtal nicht selbst versorgen konnte und in die Rheinebene orientiert hat, wird nun von dort PFC-haltiges Wasser quasi ins Murgtal zurücktransportiert. Auch hier spielt die vorhin genannte Enthärtungsanlage übrigens eine Rolle: Sie filtert das PFC eigentlich ausreichend aus. Da das Wasser dann aber quasi „tot“ ist, muss es wieder mit Mineralien angereichert werden. Das geschieht, indem anderes Wasser beigemischt wird. Und das wiederum enthält PFC, auch wenn es aus dem am wenigsten belasteten Brunnen stammt.

Heißt das, die Gernsbacher erhalten bis heute PFC-verseuchtes Trinkwasser?

Ein ganz klares Nein. Die Versorgung ist Ende 2019 quasi in einer Nacht- und-Nebel-Aktion umgestellt worden, weil die PFC-Werte nicht mehr eingehalten werden konnten. Seitdem versorgen die Gaggenauer Stadtwerke die Gernsbacher Haushalte, und das mit unbelastetem Wasser. Damit das überhaupt möglich ist, wurde eine eigentlich für kurzfristige Ersatzwasserversorgung gedachte Leitung genutzt. Inzwischen ist der Bau einer neuen Leitung zwischen Gaggenau und Gernsbach fast fertiggestellt. Die Auflösung des WVV besiegelt damit also einen Zustand, der bereits jetzt existiert.

Wieso muss der WVV dann überhaupt aufgelöst werden?

Eine Auflösung ist aus formellen Gründen nötig. „Nur so erhalten wir die Hoheit über unsere Wasserversorgung zurück“, erklärt Gernsbachs Bürgermeister Julian Christ. Eigenständige Entscheidungen sind Verbandsmitgliedern eigentlich nicht möglich. Für Gernsbach gilt aktuell eine Ausnahmeregelung, damit die PFC-freie Wasserversorgung überhaupt möglich wurde. So entstehen aus einem großen Versorgungsgebiet mit vier Städten zwei getrennte Versorgungsgebiete mit je zwei Kommunen, Gernsbach und Gaggenau sowie Kuppenheim und Rastatt.

Hätte man nicht einfach ein bisschen Geld in die Hand nehmen und sanieren können?

Theoretisch schon. Allerdings wäre das ziemlich teuer geworden. Sieben Millionen Euro hat eine Kostenschätzung 2018 ergeben. Bei der Explosion der Preise in den vergangenen Jahren geht Paul Schreiner davon aus, dass inzwischen mit bis zu zehn Millionen Euro zu rechnen gewesen wäre. Die Leitung, die jetzt zwischen Gaggenau und Gernsbach gebaut wird, wäre wegen der vorgeschriebenen Ersatzversorgung sowieso gebraucht worden. Sie schlägt mit zwei Millionen Euro zu Buche. Hinzu kommen die Kosten für die Baumaßnahme zwischen Rastatt und Kuppenheim, die allerdings keine Investition des WVV sind.

Ändert sich etwas für die Verbraucher?

Nein, sagen Paul Schreiner und Julian Christ. Bereits die Umstellung auf die Ersatzversorgung Ende 2019 sei unbemerkt verlaufen, man gehe davon aus, dass auch die Inbetriebnahme der neuen Leitung im nächsten Jahr ohne Probleme ablaufen werde. Auch geschmacklich ändert sich nichts.

Werden jetzt die Preise teurer?

Eine berechtigte Sorge, hat die PFC-Problematik in der Vergangenheit doch schon mehrfach zu Preiserhöhungen in Gernsbach geführt. Der Stadt sind dadurch laut Rathaus rund eine Million Euro Mehrkosten in einem Jahr entstanden. Bürgermeister Julian Christ sagt dazu: „Unser Ziel ist es, die Gebühren stabil zu halten.“ Kleinere Erhöhungen will er nicht ausschließen, verspricht aber: „Es wird stabiler und planbarer.“ Und für Gaggenau sagt Werkleiter Paul Schreiner: „Für die Wassergebühren ist keine Erhöhung geplant.“

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