Nach erfolgreichen Jahren als Stürmer in der Bezirksliga wurde Daniel Retsch, Bürgermeister von Weisenbach, mit 25 Jahren Spielertrainer. Seit er 2019 Rathauschef wurde, habe er dann nicht mehr so viel gespielt, sagt der 39-Jährige. Doch als dann die Anfrage kam, ob er Teil der Fußballnationalmannschaft der Bürgermeister werden will, weckte das alte Gefühle. „Jetzt hat mich schlussendlich wieder der Ehrgeiz gepackt“, sagt Retsch.
Von Donnerstag an (31.3.) will sich Retsch beim mehrtägigen Trainingslager in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) beweisen. Dabei reicht es nicht, ein paar Tore zu schießen, wie Teamchef Detlef Wellbrock sagt, seines Zeichens Rathauschef in Loxstedt bei Bremerhaven.
Neben einem fußballerischen Lebenslauf müsse es auch menschlich passen. Bei Europa- und Weltmeisterschaften seien die Rathauschefs gewissermaßen als Botschafter unterwegs. Auch soziales Engagement sei gefragt. So unterstützt die Bürgermeister-Mannschaft die SOS-Kinderdörfer.
Ein Gremium aus sportlicher Leitung und Vereinsvorstand entscheidet nach dem Trainingslager, wer in den Kader für die EM aufgenommen wird, die für Ende Mai/Anfang Juni in der Slowakei geplant ist. Rund 15 Anwärter seien auf dem Zettel, mit den bisherigen Spielern seien es etwa 35, sagt Wellbrock. Nur 20 können für die EM gemeldet werden.
Klingt nicht gerade nach Freizeitvergnügen, sondern eher nach hartem Auswahlverfahren à la Heidi Klum. Der Teamchef aber winkt ab: „Das ist kein Hauen und Stechen, kein Zickenkrieg wie bei manchen Casting-Shows.“ Sportlicher Ehrgeiz sei aber gefragt. „Und sicherlich wird auch der eine oder andere enttäuscht nach Hause gehen.“
Fußballteam der Bürgermeister gibt es seit 2008
Seit 2008 gibt es die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Bürgermeister. Hintergrund der Gründung ist unter anderem die Kommunikation untereinander und mit ausländischen Kollegen. Die Größe der Kommune spiele dabei keine Rolle, so Wellbrock. Fußballspielende Oberbürgermeister von Großstädten samt der nötigen Zeit gebe es naturgemäß allerdings weniger als Bürgermeister kleinerer Gemeinden.
Die Rathauschefs sind nicht die einzige Berufsgruppe, die eine eigene Nationalmannschaft hat. So kicken etwa die besten Fußballer der deutschen Streitkräfte in der Bundeswehr-Fußballnationalmannschaft.
Die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Winzer nennt sich „Weinelf“. Unter dem Dach der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bunds spielen Romanciers, Lyriker und Dramatiker in der Autoren-Nationalmannschaft, kurz Autonama. Und hauptberuflich ganz was anderes machen auch die Mitglieder des FC Bundestag. Im Kader der Parlamentsmannschaft sind Abgeordnete aller Fraktionen.
Bei den Bürgermeistern steht laut Wellbrock ein Generationswechsel an. Retsch wurde von seinem Amtskollegen aus dem nahe gelegenen Muggensturm, Dietmar Späth, gefragt, ob er dabei sein wolle. Späth, der künftige Oberbürgermeister von Baden-Baden, gehört zu den Mitgründern der Nationalelf. Zudem kommt er wie Retsch und der Bietigheimer Constantin Braun aus dem Landkreis Rastatt. Die Region um Baden-Baden könnte mit bald vielleicht drei Spielern so prominent in der Nationalmannschaft vertreten sein wie keine andere.
„Gänsehautfeeling“ bei der Nationalhymne
Retsch bezeichnet sich selbst als Teamplayer. „Konkurrenz scheue ich nicht“, sagt der 39-Jährige. Mit dem Alter habe man mehr Überblick und könne die Schnelligkeit der Jüngeren etwas ausgleichen. „Außerdem spornt das an, fit zu bleiben.“ Es sei nicht nur eine Hobbymannschaft, betont er. Das werde schon mit Ernsthaftigkeit betrieben. Und: „Wenn man das Nationaltrikot anhat und die Nationalhymne läuft, ist das schon Gänsehautfeeling.“
Dass er den Anzug bald öfter mal gegen das Fußballtrikot tauschen kann, ist für Retsch nur ein Teil der Motivation. „In der dritten Halbzeit ist es schon gemütlicher“, da sei er dann Privatperson. Aber er freue sich auch auf den Austausch mit internationalen Kollegen. Wellbrock beispielsweise erinnert sich an Spiele in Israel und Armenien und spricht von „sportpolitischen Reisen“.
Solche Auslandsreisen sind nach Retschs Angaben auch der Grund, warum der Gemeinderat für den Fall einer Berufung in das Nationalteam das Ganze bestätigen muss. Dabei gehe es um Versicherungsfragen, erklärt er. Für Trainingslager und Turniere nehme er Urlaub. „Die Kosten für Reisen gehen natürlich auf mich und fallen nicht der Gemeinde an.“