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Widerstand im 2. Weltkrieg

Wie ein Pantomime aus Gaggenauer Partnerstadt Annemasse 70 Kinder rettete

Im Film „Resistance – Widerstand“ spielt die Gaggenauer Partnerstadt Annemasse in Frankreich eine Rolle. Sie war im Zweiten Weltkrieg das Tor zur Freiheit für jüdische Kinder.

Der Pantomime Marcel Marceau mit Gesichtsschminke auf der Bühne.
Der als Bip bekannte Pantomime Marcel Marceau im September 2005. Foto: Alejandro Ernesto/dpa

Wenn in Kürze der Film „Resistance – Widerstand“ in die deutschen Kinos kommt, dann spielt darin auch Gaggenaus französische Partnerstadt Annemasse eine wichtige Rolle. Über Annemasse führt nicht nur der Weg in die französischen Alpen, im zweiten Weltkrieg erwies sich die Stadt für viele jüdische Kinder als Tor in die Freiheit.

Grund dafür ist die Lage direkt an der Schweizer Grenze -die Stadt Genf befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Im Jahre 1944 fanden über die grüne Grenze riskante Grenzübergänge statt, die vielen jüdischen Kindern das Leben retteten. Davon handelt der Film „Resistance – Widerstand“. Weitere Besonderheit: Der später weltberühmte Schauspieler und Pantomime Marcel Marceau wirkte an der Rettung von mindestens 70 Kindern mit und konnte dabei auf sein mimisches Talent bauen.

Regelrechte Rettungsketten des französischen Widerstandes

Im Jahre 1944 war ganz Frankreich in der Hand der Nationalsozialisten. Kinder, die in jüdischen Waisenhäusern lebten, waren in höchster Gefahr. Daher versuchten mutige Mitglieder der Widerstandsgruppe Resistance sie in Sicherheit zu bringen. Federführend bei der Rettung der Kinder war die Organisation Œuvre de secours aux enfants (OSE), die auch zahlreiche Kinder aus dem Lager Gurs befreite.

Ein bedeutender französischer Widerstandskämpfer war Georges Loinger (1910-2018). Für seinen Einsatz wurde er später vielfach geehrt, sogar mit dem Bundesverdienstkreis. Er hatte seinen Cousin Marcel Mangel (1923-2007), einen jungen jüdischen Metzgersohn aus Straßburg, für die Sache des Widerstandes begeistert. Mangel fälschte unter anderem Pässe; für sich selbst wählte er Marceau als Decknamen – nach einem General aus Napoleons Armee. Nach dem Krieg absolvierte er eine Schauspiellehre und erlangte weltweite Berühmtheit.

Katy Hazan, die Archivarin des OSE, erläutert in einem „Schweigen ist Gold“ betitelten Beitrag des deutsch-französischen Senders Arte den Ablauf der Rettungsaktionen sowie den historischen Hintergrund.

1943/44 verschärften die Nazis die Verfolgung der Juden in Frankreich. Jüdische Waisenkinder, die in der Region Limousin Unterschlupf gefunden hatten, mussten schnell in Sicherheit gebracht werden. Dank des OSE wurde eine regelrechte Rettungskette ins Leben gerufen, bei der auch Marcel Marceau mitmachte. Dreimal hat er Kinder aus Limoges im Zug nach Annemasse gebracht.

Vorgetäuschte Ferienfahrt

Die Gruppe tat so, als ob sie in die Ferien fuhr. Marceau konnte offensichtlich gut mit Kindern umgehen und hatte vorher schon Vorstellungen in Kinderheimen gegeben. „Er konnte die Kinder zum Lachen bringen und hat sie beruhigt,“ erklärte Hazan.

Die beiden Cousins Georges Loinger und Marcel Marceau hatten die Flucht in die Schweiz gut geplant und fanden Mitstreiter in dem damaligen Bürgermeister von Annemasse, Jean Deffaugt, sowie Ernest Balthazard, dem Leiter einer Anlaufstelle im Bahnhof. Die Kinder durften am Bahnhof von Annemasse keine Aufmerksamkeit erregen.

Am Bahnsteig wurde von Balthazard das Schild „Colonie de vacances“ aufgestellt, das die Deutschen glauben ließ, dass sich die Kindergruppe auf dem Weg in die Ferien in die Savoyer Berge befand. Die Kinder sollten sich fröhlich geben, um den zahlreichen deutschen Militärs nicht aufzufallen. Hier kam Marcel Marceau ins Spiel: er sorgte für Heiterkeit und führte die Kinder durch den Bahnhof, ohne Argwohn zu erregen.

„Das Talent und der Mut von Marcel Marceau trugen dazu bei, vielen jüdischen Kinder das Leben zu retten,“ sagte Katy Hazan.

Einmal begleitete Marceau etwa 30 Kinder noch weiter Richtung Schweiz. Bei Einbruch der Nacht brachte er zusammen mit seinem Cousin die Kinder in das Waldgebiet an der Grenze und übergab sie einem Schlepper. „Man muss sich vorstellen, dass die Kinder Angst hatten, sich von ihren Betreuern zu trennen. Besonders die Kleinen klammerten sich an ihnen fest und riefen: ,Verlasse uns nicht’.“ Marcel Marceau habe sie besänftigt. Nach einem weiteren Fußmarsch von zwei Kilometern verließ auch der Schlepper die Kinder und gab ihnen die Anweisung, geradeaus weiter zu gehen und den Fluss Foron zu überqueren. Dann erreichten sie die Schweiz und waren gerettet.

Stillschweigen lebenswichtig

Von 1942 bis 1944 konnten auf diese Weise mehr als 1.000 jüdische Kinder fliehen. Bei dieser Aktion war das Stillschweigen überlebenswichtig. 1947 machte Marcel Marceau die Kunst des Schweigens zu seinem Beruf und wurde als Pantomime weltberühmt. Nun deckt der neue Film seine bislang unbekannte Rolle als Retter verfolgter Kinder auf.

Der Film „Resistance – Widerstand“ zeigt, was er und seine Freunde durchgemacht haben, als sie Juden versteckten und gegen den Völkermord der Nazis kämpften. Regie führt dabei Jonathan Jakubowicz, der auch das Drehbuch anhand der Erinnerungen von Georges Loinger schrieb.

Jesse Eisenberg spielt Marcel Marceau, Matthias Schweighöfer mimt den berüchtigten Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie.

Info

Der Kurzfilm des Senders ARTE mit dem Titel „Schweigen ist Gold“ ist unter https://www.youtube.com/watch?v=6IS-zg5-5NM verfügbar.

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