Von Karl-Heinz Fischer
Wer Schmerzen hat, der geht zum Arzt und bekommt dort Hilfe. Meistens gehören zu dieser Hilfe auch Medikamente und da gibt es, so erstaunlich das für ein entwickeltes, wirtschaftlich blühendes Industrieland wie Deutschland auch sein mag, in jüngster Zeit Probleme, von denen auch Apotheker im Murgtal ein Lied singen können.
Aber, so bringt es Peter Schneider von der Eberstein Apotheke in Ottenau auf den Punkt: Es gibt zwar Versorgungslücken und Engpässe, doch durch verstärkte Anstrengungen haben es die Apotheken im Murgtal gemeinsam mit den Ärzten geschafft, dass am Ende wohl kein Patient unversorgt bleiben musste. Bernd Nufer von der Central Apotheke macht allerdings darauf aufmerksam, dass dies so nicht für Apotheken gilt, die Kliniken beliefern, die oft große Mengen einzelner Medikamente benötigen. Da habe es schon ernsthafte Probleme und wohl auch einzelne Härtefälle gegeben, die für den Patienten nicht gut ausgingen.
Davon abgesehen aber haben sich die Apotheken inzwischen vielfältige Wege erschlossen, mit den Lieferengpässen umzugehen. Wenn ein Medikament nicht verfügbar ist, kann der Apotheker beispielsweise Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nehmen und gemeinsam nach einem anderen Mittel suchen, das die gleiche oder vergleichbare Wirkung erzielt. Oder man ruft bei einem Kollegen an, ob der das Mittel noch vorrätig hat. Nufer nennt noch einen anderen Weg, zu dringend erforderlichen Medikamenten zu kommen: In Einzelfällen kann sich der Apotheker auch direkt an den Hersteller wenden, der dann die Apotheke aus seinen Reserven beliefert – natürlich mit einem gewissen Zeitverzug.
Patienten müssen sich umstellen
Unannehmlichkeiten bleiben in dieser Lage also auch den Patienten nicht erspart. Viele Menschen nehmen bestimmte Medikamente, zum Beispiel Mittel zur Senkung des Blutdrucks, regelmäßig ein und sind an Form und Verpackung bestimmter Hersteller gewöhnt. Sie müssen sich plötzlich an häufig wechselnde Darreichungsformen und Verpackungen gewöhnen. Lieferschwierigkeiten gibt es vor allem bei Schmerzmitteln und Blutdruck-Senkern. Die Probleme, die hier bereits seit Anfang des Jahres aufgetreten sind, haben aber, wie Schneider erklärt, verschiedene Ursachen, die durch die Corona-Krise zwar vielleicht verstärkt, aber nicht wirklich verursacht wurden.
Im Rahmen der Globalisierung kam es dazu, dass bestimmte Wirkstoffe für sehr viele Medikamente inzwischen fast ausschließlich in Indien und in China hergestellt werden. Wenn es in diesen für den gesamten Weltmarkt der Pharmaindustrie zentralisierten Produktionsstätten zu Verunreinigungen oder zu Produktionsausfällen kommt, schlägt dies auf die Pharmaunternehmen der ganzen Welt durch. Dieser Fall ist, verstärkt noch durch die Corona-Krise, in diesem Jahr eingetreten. Waren vor der Corona-Krise im November 2019 noch etwa 290 in Deutschland zugelassene Medikamente betroffen, so waren es im April dieses Jahres bereits knapp 380 Arzneimittel.
Vergleicht man das mit der Zahl der insgesamt in Deutschland zugelassenen 103 000 Arzneimittel, so erscheinen die Lieferengpässe weniger dramatisch zu sein. Dass Patienten in den Apotheken auch im Murgtal dennoch vergleichsweise oft nicht sofort und noch öfter ein anderes Medikament als ursprünglich verordnet erhalten, hat aber auch noch einen weiteren Grund, wie Schneider erklärt: Es sind die Rabattverträge, die die Krankenkassen mit den Pharmaunternehmen abgeschlossen haben.
Rabattverträge verschärfen Situation
Das führt dazu, dass die Apotheker den gleichen Wirkstoff in der gleichen Dosierung bei jeder Krankenkasse von einem anderen Hersteller ausgeben dürfen. Konkret: Ein bei der AOK versicherter Patient erhält sein wirkungsgleiches Medikament von einem anderen Hersteller als ein Patient, der bei der Barmer oder der DAK versichert ist. Und weil die Krankenkassen stets mit den Herstellern über Rabatte verhandeln, kommt es auch innerhalb einer Kasse immer wieder zu Herstellerwechseln. Vom Gesetzgeber ist das gewünscht, weil dies zu einer Konkurrenz-Situation zwischen den Herstellern und damit möglicherweise zu günstigeren Preisen führt, Apotheker und Patienten aber müssen mit den Folgen umgehen.