Skip to main content

BNN und BT werden eins

Ob gedruckt oder digital: Die regionale Tageszeitung wird in Zeiten von Fake News dringend gebraucht

Bereits in den 90er Jahren begann der Abgesang auf die Tageszeitung. Das Internet mache sie überflüssig. 30 Jahre später gibt es sie noch immer. Und Medienwissenschaftler sind überzeugt: Es braucht sie mehr denn je.

Nach Redaktionsschluss: Nachtbetrieb bei den Badischen Neueste Nachrichten - von der Plattenherstellung zum Druck und anschließend in den Versand mit Auslieferung
Pünktlich im Briefkasten: Der Leserservice sorgt dafür, dass die BNN jeden Tag die Abonnenten erreichen. Foto: Rake Hora /BNN

Facebook und Twitter, Tik Tok und Instagram – und nun auch noch ChatGPT und andere Formen künstlicher Intelligenz. Es ist offensichtlich: Die Verbreitung von Wissen, von Neuigkeiten und Nachrichten verändert sich seit Jahren. Braucht es da überhaupt noch Tageszeitungen? Auf jeden Fall. Sagt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.

Das Internet ist ein großer Konkurrent

„In Zeiten einer laufenden Kommunikationsrevolution, der Fake-News und des Boulevard-Spektakels wird die regionale Tageszeitung dringend gebraucht“, schreibt Pörksen in einem bisher unveröffentlichten Essay mit dem Titel „Das Spagat-Medium“. Doch wie kann sie sich in der neuen, vor allem digitalen Medienwelt behaupten?

Die Herausforderungen, denen sich die Zeitungsverlage stellen müssen, sind vielfältig. Denn nicht nur die klassischen journalistischen Themenfelder haben Konkurrenz durch das Internet bekommen. Mit Portalen wie „Immoscout“, „Jobfinder“, „Parship“ oder „ebay“ sind die typischen Rubrikenmärkte ebenfalls ins Internet abgewandert. 

Kostentreiber sind der Druck und die Zustellung

Zu diesen digitalen Entwicklungen kommen ganz greifbare, „analoge“ Probleme hinzu: Eine Zeitung zu drucken und schließlich auch auszutragen, kostet immer mehr Geld. Manchmal mehr als über den Verkauf eingenommen werden kann. In Thüringen etwa sah sich die Funke-Mediengruppe im Mai gezwungen, in elf Dörfern keine gedruckten Ausgaben der Ostthüringer Zeitung mehr zuzustellen. Aus Kostengründen.

Gerade der ländliche Raum ist von solchen Entwicklungen besonders betroffen. Und hat gleichzeitig das Problem, dass er oftmals noch nicht ausreichend mit schnellem Internet erschlossen ist, um die digitalen Alternativen gut nutzen zu können. In Amerika gibt es bereits ganze Landstriche, in denen es solche „Nachrichtenwüsten“ entstanden sind. Und in Deutschland?

Auch Zeitungsverlage sind Wirtschaftsunternehmen und müssen sich finanzieren.
Katarina Bader, Medienwissenschaftler an der HdM Stuttgart

„Die USA sind uns in vielem einen Schritt voraus, nicht nur im positiven Sinne“, sagt die Stuttgarter Medienwissenschaftlerin Katarina Bader. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte an der Hochschule der Medien ist der Journalismus im Wandel. Zwar wäre es im Sinne der Meinungsbildung ideal, wenn es mehrere, konkurrierende Berichterstattungen gäbe. „Aber das ist kein Wunschkonzert. Auch Zeitungsverlage sind Wirtschaftsunternehmen und müssen sich finanzieren.“

Das Lokale muss mehr in den Vordergrund

Und das ist auch möglich. Davon sind Bader und Pörksen überzeugt. Zwar gebe es nicht „das Konzept“, aber einige wichtige Faktoren. „Das Lokale muss als Erfolgsfaktor definiert werden“, sagt Bader. Dazu gehört nicht nur, dass überhaupt aus kleinen Gemeinden berichtet wird. „Man muss auch erklären, warum ein gut gemachter Insta-Kanal der Gemeinde schön ist, aber das journalistische Produkt nicht ersetzt.“

Wieso? Weil Journalisten eben nicht nur diejenigen sind, die bei Fernsehen, Radio oder Zeitung arbeiten. „Journalist ist der, der sich an bestimmte Rechercheregeln hält und systematisch recherchiert“, sagt Bader. „Das unterscheidet den Journalisten vom Nicht-Journalisten.“

Journalisten müssen ihre Arbeit besser erklären

Weil das heutzutage allerdings immer weniger Medienkonsumenten bewusst ist, müssten die Zeitungsverlage hier mehr Aufklärungsarbeit leisten, betont Pörksen. Es werde immer wichtiger, dass Journalisten „heute, parallel zur Arbeit der Berichterstattung, über die Spielregeln der eigenen Branche aufklären, Auswahlentscheidungen begründen, Recherchewege beschreiben, Fehler einräumen“. Quasi als „unvermeidlicher Zweitjob“.

Die Tageszeitung kann das Wettrennen um den Aktualitätspokal ohnehin nicht gewinnen.
Bernhard Pörsken, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen

Die wohl wichtigste Aufgabe ist aber wohl, aus einer vermeintlichen Schwäche – die langsamere Reaktion wegen der längeren Produktionszeit – eine Stärke zu machen. „Die Tageszeitung kann das Wettrennen um den Aktualitätspokal ohnehin nicht gewinnen“, urteilt Pörksen. Dafür könne sie mit ihrem Wissen um die Situation vor Ort Hintergründe liefern, die das schnelllebige Internet nicht habe. „Sie ist idealerweise ein Medium des zweiten Gedankens.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang