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50 Jahre Große Kreisstadt Achern: „Nie war die Bedeutung der Stadt größer“

Vor einem halben Jahrhundert schlug die Geburtsstunde der Großen Kreisstadt Achern. Im Vorfeld gab es emotionsgeladene Debatten - und sogar einen Tumult.

50 Jahre Große Kreisstadt Achern: Von links Rainer Ganter (Ortsvorsteher Fautenbach), Gerd Boschert (Ortsvorsteher Wagshurst), Gebhard Glaser (ehemaliger Ortsvorsteher Fautenbach), Gabi Bär (Ortsvorsteherin Mösbach), Hans Jürgen Morgenstern (Ortsvorsteher Gamshurst) Dietmar Stiefel (Bürgermeister), Reinhart Köstlin (ehemaliger Oberbürgermeister), Oberbürgermeister Klaus Muttach, Arno Haiss (ehemaliger Bürgermeister) Richard Kiefer (ehemaliger Ortsvorsteher Großweier), Thomas Beck (Ortsvorsteher-Stellvertreter Großweier), Gerhard Bär (ehemaliger Ortsvorsteher Önsbach), Christine Rösch (Ortsvorsteherin Önsbach) und Christian Zorn (Ortsvorsteher Sasbachried)
Zeichen der Vereinigung: Oberbürgermeister Klaus Muttach und sein Amtsvorgänger Reinhart Köstlin (mit Ortsschild), flankiert von amtierenden und ehemaligen Ortsvorstehern sowie Bürgermeister Dietmar Stiefel und seinem Vorgänger Arno Haiss. Foto: Michael Moos

„Lassen Sie uns heute 50 Jahre Gesamtstadt feiern. Wir haben allen Grund.“ Die goldene Hochzeit Acherns mit den Stadtteilen nahm Oberbürgermeister Klaus Muttach (CDU) Anlass für eine Feierstunde an beziehungsreicher Stelle – im Trauzimmer der historischen Illenau trafen sich ehemalige mit amtierenden Vertretern der seit dem 1. Januar 1973 bestehenden Gesamtstadt.

Die Gästeliste führte Reinhart Köstlin (SPD) an, der von 1991 bis 2007 Oberbürgermeister in Achern war. Für die musikalische Gestaltung der Feierstunde sorgte Paula Klemm, die in diesem Jahr den Musikpreis der Musik- und Kunstschule Achern-Oberkirch gewonnen hat und von Elena Wagner begleitet wurde.

Mit seiner launig-informativen Festrede und einer von Fabian Alt (Stadtarchiv) zusammengestellten Präsentation historischer Bilder weckte Klaus Muttach Erinnerungen an die Zeit vor 50 Jahren, als die Menschen in Achern und den Gemeinen der Region teilweise sehr emotional über die Verwirklichung der von der Landesregierung verordneten Kommunalreform diskutierten.

Dass Achern heute eine Große Kreisstadt ist, brauchte vor 50 Jahren viel Arbeit

Dabei wurde deutlich, dass der Zusammenschluss der Stadt Achern mit den bis dahin selbstständigen Gemeinden Fautenbach, Gamshurst, Großweier, Mösbach, Oberachern, Önsbach, Sasbachried und Wagshurst kein Selbstläufer war, sondern Ergebnis intensiver Bemühungen.

„Für die bislang selbstständigen Kommunen bedeutete die Gemeindereform die Aufgabe von Eigenständigkeit“, so Klaus Muttach. Die Gemeinderäte hätten nach teilweise schwierigen Verhandlungen und Volksbefragungen „mit Wehmut“ für den Zusammenschluss mit Achern gestimmt.

Kommunalreform Achern: Die ehemaligen Bürgermeister der einst selbstständigen Gemeinden nahmen bei der Gemeinderatssitzung am 8. Januar 1973 erstmals am Tisch der Stadtverwaltung Platz. Im Bild (von rechts) Max Sucher (Sasbachried), Franz Volz (Gamshurst), Alfred Holler (Fautenbach), Horst Deufel (Stadtverwaltung) Oberbürgermeister Winfried Rosenfelder, Franz Stockinger (Oberachern), Felix Hodapp (Önsbach), Leo Hiegert (Großweier) Franz Xaver Berger (Wagshurst) und Heinrich Hund (Mösbach).
Die ehemaligen Bürgermeister der einst selbstständigen Gemeinden nahmen bei der Gemeinderatssitzung am 8. Januar 1973 erstmals am Tisch der Stadtverwaltung Achern Platz. Foto: Margot Neubert/Archiv

Für die Bürgermeister sei der Wechsel zum Ortsvorsteher sicher schmerzhaft gewesen, meinte Muttach mitfühlend. Einsichten wie die des einstigen Önsbacher Bürgermeisters Felix Hodapp, nach der „die Eigenständigkeit auf Dauer nicht zu halten“ sei, waren laut Muttach „keinesfalls durchgängiges Gedankengut“. Aber jenseits des persönlichen Interesses hätten jedoch viele die Chance erkannt, die mit dem Zusammenschluss verbunden war.

Heute tragen alle Stadtteile dazu bei, dass Achern „attraktiv und lebenswert“ ist, betonte Muttach und würdigte die Gründer der Großen Kreisstadt, die „bleibende Verdienste“ erworben hätten. Dank des Engagements vieler Menschen und der politisch Verantwortlichen sei die Stadt heute „vielfältig, offen und liberal“.

Oberbürgermeister Muttach sieht Achern heute als selbstbewusstes Mittelzentrum

Nie, so Muttach weiter, sei die Bedeutung und der Einfluss Acherns größer gewesen als heute: Achern sei „ein wichtiges Mittelzentrum“, sei „selbstbewusst“ und übernehme „Verantwortung für die gesamte Region“.

Als „anerkannter Player“ habe sich Achern als Schulstadt und mit zahlreichen Dienstleistungsangeboten im Wettbewerb mit vergleichbaren Städten „gut behauptet“ und werde mit dem 200 Millionen Euro teuren Klinik-Neubau überdies „zum Zentrum der medizinischen Versorgung zwischen Offenburg und Rastatt“.

Wie schwierig die Geburt der Großen Kreisstadt Achern bisweilen war, zeigte Muttach anhand von Zitaten und Anekdoten aus den Verhandlungen vor 50 Jahren.

So sei der bereits zum 1. Januar 1971 vollzogene Zusammenschluss mit Oberachern gegen das Votum einer Bürgerbefragung beschlossen worden: Laut Muttach habe man einfach zur Zahl der Befürworter die Zahl der Menschen hinzugefügt, die nicht zur Urne gegangen waren.

Die folgende Berufung des Oberacherner Bürgermeisters Franz Stockinger zum Ersten Beigeordneten strebte auch der seinerzeitige Fautenbacher SPD-Bürgermeister Alfred Holler an: Sein Ziel, zum Zweiten Beigeordneten zu werden, scheiterte jedoch am Widerstand der politischen Konkurrenz. Am Ende wurde Holler Chef des Amts für öffentliche Ordnung – aber erst, nachdem er die Prüfung zum gehobenen Dienst bestanden hatte.

Streit vor dem Zusammenschluss: In Renchen gab es Tumulte bei Bürgerversammlung

Weniger um Posten ging es derweil in Önsbach: Dort beklagten die Gegner des Zusammenschlusses mit Achern in einer Traueranzeige das Hinscheiden der 742 Jahre alten Gemeinde. In Großweier wiederum wurde der Acherner Bürgermeister in einer Versammlung zur unerwünschten Person erklärt, während der Mösbacher Bürgermeister Heinrich Hund seine Unterschrift unter den Eingliederungsvertrag als den „in seiner Dienstzeit schwersten Gang“ bezeichnete.

In Sasbachried klagte man über eine gewisse Überheblichkeit des möglichen Partners Sasbach: Nachdem man mit dem Wunsch nach einem Freibad an die Nachbargemeinde herangetreten war, gab es von dort eine klare Ansage: „Die Sasbacher bekommen das Schwimmbad und die Rieder stellen die Liegewiese.“

Den Vogel schossen jedoch die Wagshurster ab, die am Ende ihren Beitrag zum Überschreiten der 20.000-Einwohner-Hürde leisteten und damit den Weg zur Großen Kreisstadt ebneten. Dort musste eine Bürgerversammlung zur Frage eines Zusammenschlusses mit der Stadt Renchen abgebrochen werden. Als signalisiert wurde, dass Renchener Kindern ein Unterricht in Wagshurst nicht zuzumuten sei, gab es derartige Tumulte, dass die Gäste am Ende froh waren, wieder gesund zurück nach Renchen gekommen zu sein.

Nicht ganz frei von Emotionen war nach dem Bericht Muttachs auch die Debatte über die im Zuge der Reform beschlossene Hinwendung Acherns zum Ortenaukreis: Bürgermeister Winfried Rosenfelder freute sich darüber, „endlich aus den Klauen Bühls befreit“ zu sein.

Dass die Bühler immerhin nicht nachtragend sind, zeigte deren Geschenk zum Acherner Jubiläum: So kamen die Gäste an diesem Abend in den Genuss von Affentaler Spätburgunder.

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