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Flucht aus der Ukraine

Direkt aus dem Kriegsgebiet nach Achern

Bei einem Begegnungscafé kamen am Donnerstag erstmals Flüchtlinge aus der Ukraine in den Illenau-Werkstätten in Achern zusammen. Wie viele Ukrainer schon angekommen sind, ist unklar.

Flüchtlinge in den Illenau Werkstätten.
Finden in Achern Unterschlupf: Lydmila aus Kiew ist mit ihrer Tochter Vika (l.) nach Deutschland geflüchtet. Ihre Freundin Irina hat sie gemeinsam mit ihrer Tochter Anya (r.) begleitet. Foto: Hauke Heuer

Sie sind nicht sichtbar, aber doch da. Mittlerweile befindet sich eine größere Zahl Flüchtlinge aus der Ukraine in Achern. Laut Oberbürgermeister Klaus Muttach (CDU) hätten sich bisher rund 70 Personen bei der Verwaltung gemeldet, beispielsweise um die entsprechenden Leistungen zu beziehen oder um um eine Unterkunft zu bitten.

Da die Ukrainer jedoch ohne Visa einreisen können und nicht selten von Freunden und Bekannten untergebracht und versorgt werden, sei die Dunkelziffer höher, so Muttach.

Am Donnerstagnachmittag kamen in den Illenau-Werkstätten erstmals rund drei Dutzend Flüchtlinge in einem gemeinsam von der Einrichtung, der Bürgerstiftung, der Caritas und der Stadtverwaltung organisierten „Café für alle“ zusammen. Das Treffen soll der Kommunikation und Kontaktaufnahme dienen und künftig immer im Zweiwochentakt stattfinden.

Klaus Muttach nutze den Anlass, um die Flüchtlinge in Achern willkommen zu heißen und sich bei denjenigen zu bedanken, die sich bereit erklärt haben, Menschen aufzunehmen.

Fast ausschließlich Frauen mit ihren Kindern und einige ältere Ukrainer beteiligten sich an der Veranstaltung. So auch Irina und Lydmila aus Kiew mit ihren Töchtern Anya und Vika. Die Frauen wollen nicht mit vollem Namen genannt werden. Derzeit leben sie in einer Wohnung in Mösbach, die die Stadt ihnen zur Verfügung gestellt hat.

Wohnung von Bekannter wird zu klein

Die Frauen sind bereits am 12. März in Achern angekommen. „Wir haben zuerst in der Wohnung einer Bekannten geschlafen. Die hat selber drei Kinder. Deshalb wurde es in der Dreizimmerwohnung schnell eng. Die neue Unterkunft ist groß genug“, berichtet Lydmila.

In Achern fühlten sich die Flüchtlinge sicher. Die Gegend gefalle ihnen sehr. Die Menschen seien alle nett und zuvorkommend. Doch die Frauen haben eine lange Odyssee hinter sich: Am Tag des Überfalls auf ihr Land, am 24. Februar, seien um 4 Uhr am Morgen Bomben und Raketen in der Nähe eingeschlagen. „Wir mussten uns in einer Tiefgarage verstecken. Danach haben uns die Männer zu Verwandten auf das Dorf geschickt“, erinnert sich Anya.

Wir mussten uns in einer Tiefgarage verstecken
Anya, Schülerin aus Kiew

Doch auch hier schlugen einige Wochen später Geschosse ein. Die Frauen machten sich mit der Bahn über Polen, Frankfurt an der Oder und Berlin auf den Weg nach Südwestdeutschland. Drei Tage dauerte die Reise ins sichere Achern.

Die Ehemänner und Väter der Ukrainerinnen sind Berufssoldaten und kämpfen in diesen Tagen gegen die russischen Invasoren. „Wir haben große Angst und telefonieren täglich mit ihnen. Videoanrufe sind aufgrund der gestörten Internetverbindungen leider nicht möglich“, berichtet Vika.

Sie und ihre Freundin Anya hätten eigentlich in den kommenden Monaten ihren Schulabschluss machen sollen. Die Prüfungen wurden abgesagt. Jetzt lernen die 17-Jährigen im Homeoffice. Die Lehrer schicken die Aufgaben aus dem umkämpften Kiew an Schüler, die mittlerweile über ganz Europa verteilt sind.

Landsleute helfen den Flüchtlingen

Mit beim „Café für alle“ dabei ist auch Valentina Keterling. Die gebürtige Kiewerin lebt seit 25 Jahren mit ihrem Mann in Achern und hilft jetzt ihren Landsleuten auf der Flucht. „Schon seit drei Wochen bekommen wir regelmäßig Anfragen in Whatsapp-Gruppen.

Die Leute brauchen Hilfe bei Behördengängen oder Unterstützung bei der Reiseplanung. Ich versuche in meiner Freizeit so viel wie möglich zu helfen“, sagt die Altenpflegerin, die sich nicht nur in Achern, sondern vor allem in Offenburg um Neuankömmlinge kümmert.

Sie zeigt Fotos und Nachrichten auf ihrem Handy, die verdeutlichen, wie sehr sich die Situationen der Flüchtlinge unterscheiden und wie unterschiedlich die Probleme sind. Die einen suchen schnell nach einer Unterkunft für die Nacht, andere wollen wissen, wie sie am besten mit dem Zug zu Freunden nach Spanien kommen.

Doch auch sie selbst ist betroffen: „Meine 85-jährige Mutter ist in Kiew und weigert sich, die Stadt zu verlassen“, sagt Keterling. Sie hoffe und bete jeden Tag, dass ihr in dem Kriegsgebiet nichts zustößt.

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