Skip to main content

Mehr Nachhaltigkeit

Tipps einer Mutter aus Achern: So ziehen Sie einen Säugling ohne Plastik groß

Bianca Karaula aus Achern zeigt, wie man auch ohne Einmalwindeln und Verpackungsmüll die ersten Jahre übersteht. Das Zauberwort heißt „Abhalten“.

Stefan und Bianca Karaula in den Illenau Werkstätten.
Haben Übung: Bianca Karaula und ihr Mann Stefan zeigen an einer Puppe wie das Abhalten funktioniert. Das Kind erledigt die eigentliche Arbeit. Foto: Hauke Heuer

Frischgebackene Eltern werden es kennen: Jede Woche wandert mindestens ein großer Müllsack voller benutzter Windeln in die Tonne. Hinzu kommt allerlei anderer Abfall, der durch den Nachwuchs zusätzlich anfällt – sei es die Verpackung für Feuchttücher oder die leeren Gläser der Babynahrung.

Alternativlos ist das nicht. Bianca Karaula aus Achern hat für sich einen Weg gefunden, ihre Kinder weitestgehend ohne Plastik aufzuziehen: „Wir interessieren uns generell für diese Thematik und versuchen, möglichst nachhaltig zu leben“, sagt die 39-Jährige während ihre zwei Kinder im Hintergrund spielen.

Den jüngsten Nachwuchs, ein wenige Monate altes Mädchen, trägt sie in einem Gurt vor ihrer Brust.

Kinder brauchen sehr wenig

„Ich bin davon überzeugt, dass ein Baby generell nichts oder nur sehr wenig von dem wirklich braucht, was die meisten heute als selbstverständlich annehmen“, erklärt die junge Frau. So habe keine ihrer drei Töchter einen Schnuller bekommen. „Wenn man sein Kind beruhigen möchte, hilft es am besten, es zu tragen“, sagt sie.

Ihre Kinder würden auch nicht mit den üblichen Mengen Plastikspielzeug jonglieren. „Viele Kinderzimmer sehen heute aus wie Müllhalden. Auch die Großeltern dürfen so etwas nicht schenken“, sagt Karaula und fügt hinzu, „es gibt auch Alternativen aus Holz. Die sind vielleicht ein bisschen teurer, deshalb legen wir im Zweifel alle zusammen“.

Der radikalste Verzicht ist aber sicher der auf Einwegwindeln. Karaula setzt stattdessen auf Windeln aus Stoff, die auf der Vorderseite eine geknöpfte Klappe haben. „So kann man das Baby über den Topf halten, wenn es pinkeln muss“, erklärt sie. „Abhalten“ nenne man diese Praxis. „Es geht vor allem darum, zu bemerken, wann das Kind muss und den richtigen Moment zu erwischen“, sagt sie.

Kinder hätten einen natürlichen Drang, ihr Nest nicht zu beschmutzen, deshalb gelinge das mit ein bisschen Übung sehr gut. „Da herrscht auch viel Unwissen. Viele Kinderärzte behaupten, dass Kinder das nicht kontrollieren können. Meiner Erfahrung nach stimmt das nicht“, meint sie.

Es geht vor allem darum, zu bemerken, wann das Kind muss.
Bianca Karaula, Mutter aus Achern

Die Exkremente des Babys würden einfach in der Toilette entsorgt. Die Windeln wandern bei 60 Grad in die Waschmaschine und können wiederverwendet werden. Das schütze nicht nur die Umwelt, es spare auch sehr viel Geld: „Ein Kind verbraucht rund 6.000 Windeln zu 20 Cent. Das ergibt eine Ersparnis von 1.500 Euro“, rechnet Karaula vor.

Der Verzicht auf die Windeln bringe noch mehr Vorteile mit sich, die Einsparpotenziale eröffnen: „Plastikwindeln gehen oft mit Entzündungen einher. Deshalb brauchen wir keine Lotionen oder ähnliche Produkte mehr“, erklärt die Mutter.

Ihr erstes Kind hat die Bühnenbildnerin, die unter anderem für den SWR arbeitet, noch mit, wie sie sagt, Plastikwindeln groß gezogen. „Einen wesentlichen Unterschied sehe ich ehrlich gesagt nicht. Man muss sich halt umstellen“, sagt sie und fügt hinzu, „wichtig ist es sicherlich auch, nicht immer alles zu verbissen zu sehen und auch einmal einen Kompromiss eingehen zu können“.

Nicht alles zu verbissen sehen

So verpasse auch Karaula ihrer kleinen Tochter in der Nacht öfter eine Wegwerfwindel – einfach, um sicher zu gehen. „Könnte ich meine Kleinkinder nicht selber betreuen und stattdessen in die Krippe geben, würde das wahrscheinlich so auch nicht funktionieren“, stellt sie klar.

Es gebe auch viele moderne Errungenschaften auf die Karaula nicht verzichten möchte – zum Beispiel eine Waschmaschine. Aber tatsächlich wäscht sie nicht mit normalen Waschmittel, sondern mit zerstoßenen Kastanien. Die enthielten sogenannte Saponine, die wie Seife wirkten.

Die junge Mutter legt großen Wert darauf, anderen nicht vorschreiben zu wollen, wie sie ihr Leben zu führen haben oder ihre Kinder großziehen. Aber sie gibt ihr Wissen weiter: Am vergangenen Wochenende hat sich Karaula am ersten „SelbstMachTag“ in den Illenauwerkstätten beteiligt und einen Workshop gegeben. Das Angebot passte sehr gut in das Konzept der Veranstaltung.

So konnten die Gäste am Wochenende beispielsweise auch noch erfahren, wie man Wachspapier zum Einschlagen von Lebensmitteln selber herstellt oder sich aus Stoffresten Einkaufstaschen häkelt. Der Erfolg war dennoch nicht gerade durchschlagend. Drei Frauen besuchten einen der Kurse zum plastikfreien Leben mit Säuglingen. Die Entscheidung darüber, ob es eine Wiederholung gibt, steht noch aus.

nach oben Zurück zum Seitenanfang