Marie Fritsch absolviert eine Ausbildung zur Köchin im Hotel Engel in Sasbachwalden. Coronabedingt dürfen dort jedoch nur Geschäftsreisende übernachten, auch im Restaurant sind die Lichter erloschen. Generell sind viele Wirtschaftszweige durch die Krise lahmgelegt worden, das hat Auswirkungen auf das duale Bildungssystem.
Erschwerte Umstände also, um einen jungen Menschen auf sein späteres Berufsleben vorzubereiten – könnte man meinen. Doch die Krise kommt der jungen Frau in manchen Punkten durchaus zugute.
Die Zubereitung von Blätterteig oder einer Rehkeule sind beispielsweise aufwendige Unterfangen. Im Normalbetrieb bleibt Köchen dafür nur bedingt Zeit. Nicht aber während der Pandemie. Ihr Ausbilder nehme sich viel Zeit für sie und könne ihr das Handwerk in Ruhe erklären, betont die 18-Jährige. Im September vergangenen Jahres hat sie ihre Ausbildung begonnen.
Die Praxis fehlt zwar, das kann man aber nachholen.Herbert Decker, Inhaber Hotel Engel
Drei Azubis arbeiten derzeit bei Hotelinhaber Herbert Decker, darunter zwei Köchinnen und eine Hotelfachfrau. „Wir kümmern uns um sie“, betont er. Auch wenn seine Lehrlinge nun mehr Zeit haben, sich auf Dinge vorzubereiten, die im normalen Tagesgeschehen möglicherweise untergehen, fallen manche Inhalte derzeit weg. Hierzu zählt beispielsweise der direkte Kontakt zum Gast – dieser ist gerade als Hotelfachfrau beziehungsweise als Hotelfachmann unverzichtbar. „Die Praxis fehlt zwar, das kann man aber nachholen“, sagt Decker.
Theoretischer Unterricht funktioniert mal besser, mal schlechter
Derzeit hat die Auszubildende Marie Fritsch viele Online-Unterrichtsstunden. Das funktioniere mal besser, mal schlechter, räumt sie ein. Der gemeinsame Kochunterricht beispielsweise kann ebenfalls nur über den digitalen Weg veranstaltet werden.
Auch wenn sie Schnitttechniken und Co. derzeit nur per Video lernt, ist sie dennoch froh um ihren Ausbildungsplatz. „Mich könnte es nicht besser treffen“, sagt sie. Sie fühlt sich im Hotel Engel in Sasbachwalden gut aufgehoben. Andere Schüler ihrer Abschlussklasse hätten dagegen nicht so viel Glück gehabt wie sie und haben keine Ausbildungsstelle bekommen, erklärt Fritsch. Viele müssten das Jahr nun überbrücken.
Mich könnte es nicht besser treffen.Marie Fritsch, Auszubildende
Absagen für Ausbildungsplätze sind in Zeiten von Kurzarbeit keine Seltenheit. Auch Markus Singrün hätte eigentlich wieder Lehrlinge eingestellt – eigentlich. Die Corona-Krise hat dem Inhaber der Reisebörse Achern & Café jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seit 24 Jahren ist er bereits Ausbilder. Im vergangenen Jahr hat jedoch vorerst die letzte Tourismuskauffrau ihre Ausbildung in seinem Reisebüro abgeschlossen.
Hoher Fachkräftebedarf
Praktisch gelehrt wurden nicht etwa Urlaubsbuchungen, sondern Rückabwicklungen und Reisestornierungen. Dennoch habe Singrün seiner Auszubildenden ermöglicht, an Online-Seminaren zur Fortbildung teilzunehmen. Derzeit absolviert jedenfalls niemand die Lehre zum Tourismuskaufmann beziehungsweise zur Tourismuskauffrau in seinem Unternehmen. Dennoch: „Der Fachkräftebedarf ist hoch“, räumt er ein.
Vier bis fünf Initiativbewerbungen für eine Ausbildungsstelle sind in seinem Reisebüro eingegangen. Er musste den jungen Menschen jedoch absagen. Lange sei nicht klar gewesen, ob und wie hoch die Förderung eines Ausbildungsplatzes ausfalle, sagt er. Zu spät habe ihn die Industrie- und Handelskammer (IHK) darauf hingewiesen, dass das erste Lehrjahr fast vollständig finanziell gefördert werde, erklärt er.
Die Praxis fehlt
„Je länger das noch weiter geht, desto mehr leidet das duale Bildungssystem“, sagt Singrün. Auch wenn er derzeit keinen Azubi einstellen konnte, weiß der langjährige Ausbilder, wie der Hase läuft. Theoretische Inhalte könnten gut per Homeschooling gelehrt werden, nicht jedoch die Erfahrung, fremde Kulturen kennenzulernen. Normalerweise dürfen seine Azubis pro Jahr vier Mal an sogenannten Inforeisen teilnehmen. Das hat einen ganz praktischen Grund: Dadurch können sie Kunden Reisen empfehlen, die sie selbst tatsächlich auch unternommen haben.
Der Inhaber hat mittlerweile 100 Prozent Kurzarbeit anmelden müssen. Die Absagen für die Ausbildungsstellen seien der Vorsicht geschuldet gewesen, betont er. Im Zeitraum von Januar bis März sei normalerweise die „absolute Hochsaison“ für das Acherner Reisebüro – viele buchen um diese Zeit ihren Sommerurlaub.
Nicht jedoch zu Pandemie-Zeiten: „Die Buchungsnachfrage geht gegen Null“, sagt Singrün. Viele Kunden rufen nur an, um sich zu informieren, wann und wohin wieder gereist werden kann. Große Versprechungen macht der Inhaber jedoch nicht, zu ungewiss sei die Lage, räumt er ein.