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Spurenstoffe im Abwasser

Acherner Konzept könnte bundesweit Kosten sparen

In Achern ist das Projekt einer vierten Reinigungsstufe zur Eliminierung von Spurenstoffen, das als Vorbild für alle kleineren Kläranlagen dienen könnte, vorerst auf Eis gelegt – weil das Land den entsprechenden Förderantrag nicht bewilligte. Der Abwasserzweckverband Achertal hingegen konnte nun Fördergelder für eine Studie gewinnen.

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Unsichtbare Fracht: Als Spurenstoffe gelten unter anderem Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, Medikamenten oder auch Mikroplastik. Foto: Rumpenhorst

In Achern ist das Projekt einer vierten Reinigungsstufe zur Eliminierung von Spurenstoffen, das als Vorbild für alle kleineren Kläranlagen dienen könnte, vorerst auf Eis gelegt – weil das Land den entsprechenden Förderantrag nicht bewilligte. Der Abwasserzweckverband Achertal hingegen konnte nun Fördergelder für eine Studie gewinnen, die auf eine Beprobung der betreffenden Spurenstoffe abzielt. Welches Ausmaß die Abwasserverunreinigung überhaupt annimmt und wie welche Schadstoffe im Abwasser beseitigt werden, dazu hat der ABB die Betriebe der Region befragt.

Mehr als fünf Milliarden Kubikmeter Schmutzwasser entstehen laut Bundesumweltministerium (BMU) jedes Jahr in Deutschland. Über 96 Prozent des deutschen Abwassers wird dem BMU zufolge in Kläranlagen aufbereitet. Im Abwasser finden sich neben Schwermetallen, Stickstoff und Phosphor auch sogenannte anthropogene Spurenstoffe – Rückstände von Medikamenten, Hormonen oder auch Mikroplastik.

Vierte Stufe mit Aktivkohle oder Ozon

Die Abwasserverordnung (AbwV) legt den Schadstoffgrenzwert fest, den die Kommunen in den Kläranlagen einhalten müssen. In den drei herkömmlichen Reinigungsstufen wird das Wasser erst mechanisch von Festkörpern getrennt, dann durch Mikroorganismen von organischen Rückständen befreit und schließlich in einem chemischen Verfahren auch von Phosphor und Stickstoff gereinigt. Bei einer vierten Reinigungsstufe wird mit Aktivkohle oder Ozon gearbeitet, um Spurenstoffe zu beseitigen.

Maßnahmen gegen einzelne Einleiter möglich

Von den Schadstoffen, die über WC, Waschbecken, Bäder und Straßen in die Kläranlage gelangen, so die Auskunft der Stadt Achern, werden nur einzelne „Summenparameter“ wie Stickstoff, Phosphor und der chemische Sauerstoffbedarf als Verschmutzungsindikator gemessen. Grenzwertüberschreitungen sollten durch bauliche und betriebliche Vorkehrungen ausgeschlossen sein. Je nach Zulaufsituation, so die Stadtverwaltung, kann es dennoch zu Abflussspitzen bestimmter Stoffe kommen. Wo einzelne Einleiter als Ursache solcher Probleme bestimmt werden können, seien dort entsprechende Maßnahmen zu treffen: „von Auffangbecken für besonders verschmutztes Prozesswasser bis hin zu eigenen kleinen Kläranlagen, die speziell für die anfallenden Stoffe ausgebildet wurden.“

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Eine vierte Reinigungsstufe in Achern könnte durch die Zugabe von Aktivkohle in die vorderen Belebungsbecken und ein Tuchfiltersystem in den Nachklärbecken Spurenstoffe eliminieren. Foto: pf

Klärschlamm thermisch verwertet

Was die Entsorgung der Abfallprodukte, namentlich des Klärschlamms, angeht, können die Stadt Achern und der Abwasserverband Achertal gleichermaßen auf die „komfortable“ Lösung zurückgreifen, die sich mit dem Zweckverband Interkommunale Zusammenarbeit (IZAO) bietet. Rund drei Tonnen Klärschlamm fallen auf der Verbandskläranlage Achertal pro Tag an, in Achern im Durchschnitt etwas mehr als eine Tonne. Die Kläranlagen der IZAO-Mitglieder entwässern ihren Schlamm soweit, dass er – auf möglichst kurzen Transportwegen – zum Verbrennungsofen im Heizkraftwerk der Firma Koehler in Oberkirch gebracht werden kann. Die im Klärschlamm verbleibenden Schadstoffe werden dabei mitverbrannt.

Vierte Stufe nur für große Anlagen

Bei der Voruntersuchung zu einer vierten Reinigungsstufe hat die Stadt Achern ihr Abwasser auch auf die 47 Stoffe geprüft, die das Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg (KomS) in der „Spurenstoffliste A“ anführt. Und Resultate erhalten, die „im Rahmen der Ergebnisse aus vergleichbaren Anlagen“ des Bundesgebiets liegen. Fördergelder von 50 bis 80 Prozent für eine zusätzliche Reinigungsstufe werden aber in erster Linie für Anlagen gewährt, die eine hohe Tagesfracht „klären“. Das einstige Acherner „Leuchtturmprojekt“ spielt sich hingegen nicht in einer solchen Größenordnung ab. Da hilft auch nicht das innovative Konzept des Einsatzes von Aktivkohle im von Mikroorganismen durchsetzten Belebungsbecken, obwohl es allen übrigen kleineren Kläranlagen als Vorbild dienen und erhebliche Baukosten einsparen könnte. Auch würde es sich eigentlich lohnen, dafür Mitarbeiter des KomS von den Großanlagen für Machbarkeitsstudien abzuziehen.

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Klares Wasser entnimmt der stellvertretende Klärmeister Oliver Erdrich dem Nachklärbecken. Foto: pf

Rheinau auf Erfahrung größerer Betriebe angewiesen

Die Stadt Rheinau befinde sich gerade in einem wasserrechtlichen Genehmigungsprozess, erklärt Stadtkämmerer Uwe Beck. Dieser untersuche die einzelne Kläranlage nicht nur hinsichtlich der wasserrechtlichen Vorgaben, in die abschließende Beurteilung und Genehmigung des Landratsamts fließe auch der sogenannte Wasserkörper ein – also die Kläranlage „inklusive der regionalen Gewässer, in welche gereinigte Abwässer eingeleitet werden“, so Beck. Dabei werden etwa Phosphateliminierung, Nitrat- und Nitritwerte oder der Gehalt an Schwermetallen gemessen. Der Klärschlamm, etwa 800 Tonnen pro Jahr, wird in Rheinau „schon seit den 80er-Jahren einer thermischen Verwertung zugeführt.“ Bei der Entwicklung von Verfahren zur Spurenstoffelimination sei man mit 11 400 Bewohnern als kleine Kläranlage „auf die Forschung und Erfahrungswerte von größeren Kläranlagen angewiesen“, so Beck weiter, nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens werde man sich aber auch in Rheinau mit dem wichtigen Thema der Spurenstoffeliminierung befassen.

Spurenstoffe im Trinkwasser

Die Belastung durch stoffliche Rückstände im Abwasser sei nicht zu unterschätzen, heißt es auch von Seiten des Abwasserverbands Achertal. Auch Pestizide, Korrosionsschutzmittel, synthetische Süß- oder Duftstoffe oder Röntgenkontrastmittel zählen zu den Spurenstoffen, die „schon in sehr geringen Konzentrationen von weniger als einem millionstel Gramm nachteilige Wirkungen für empfindliche Gewässerorganismen oder Lebewesen in deren Nahrungskette“ haben können. Im schlimmsten Fall gelangten die Spurenstoffe über den Wasserkreislauf zurück ins Grund- und Trinkwasser.

Es sind so viele Handlungsfelder des täglichen Lebens betroffen, dass ein Verzicht auf die Spurenstoffe nicht möglich ist

Umdenken in Gesellschaft nötig

Weil immer mehr Medikamente, „Haushaltshelfer“ und Pflegeprodukte genutzt werden, habe sich auch die Reinigungsleistung der Kläranlagen entsprechend erhöht, heißt es aus Kappelrodeck. Einige Stoffe, wie Röntgenkontrastmittel, könnten durch gezielte Maßnahmen am Entstehungsort gesammelt werden, für andere, wie PFC und synthetische Süßstoffe, bedürfe es eines Umdenkens in der Gesellschaft, erklärt die Stadt Achern: „Grundsätzlich sind so viele unterschiedliche Handlungsfelder des täglichen Lebens betroffen, dass ein völliger Verzicht auf die gelisteten Spurenstoffe nicht möglich ist“.

Gebühren für Verursacher denkbar

Diese Sichtweise deckt sich interessanterweise auch mit der Kritik an der Einführung einer weiteren Reinigungsstufe: Einer Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zufolge könne der Reinigungsmehraufwand nicht nur eine Gebührensteigerung von durchschnittlich 14 Prozent, sondern auch höhere Energiekosten und die Gefahr von Transformationsprodukten mit sich bringen. Stattdessen empfehlen BDEW und Umweltbundesamt, das Verursacherprinzip durch eine Abgabe auf Arzneimittel zu stärken.

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