Skip to main content

Gebäude mit Geschichte

Auswanderer im Cadillac: Bertolt-Brecht-Haus in Achern zeugt von familiären Wurzeln des Dichters

Karoline Brecht - geborene Wurzler - ist die Großmutter des vor 125 Jahren geborenen Dichters Bertolt Brecht. Sie stammte aus Sasbach und wohnte im ältesten, heute noch bestehenden Wohnhaus in Achern.

Alte Häuser Serie: Das Bertolt-Brecht-Haus in Achern - Der Dichter hatte Verwandte in Sasbach und mit Josef Wurzler (Acherner Straße) einen Millionär als Großonkel.
Das „Brecht-Haus“ in der Acherner Hauptstraße: Es wurde 1693 erbaut und ist damit das älteste Wohn- und Geschäftshaus in der Heimatstadt der Großeltern des Dichters Bertolt Brecht.   Foto: Roland Spether

Die Josef-Wurzler-Straße in Achern führt über das Bert-Brecht-Haus in der Hauptstraße in den Nachbarort Sasbach. Die Oma des vor 125 Jahren geborenen Dichters Bertolt Brecht, Karoline Brecht (1839 - 1919), war eine geborene Wurzler und stammte aus Sasbach. Sie wohnte in dem ältesten, heute noch bestehende Wohn- und Geschäftshaus in Achern von 1693.

Historiker begibt sich auf die Suche nach Verwandten von Bertolt Brecht

Dort betrieb ihr Ehemann Stephan Bertolt Brecht ein Lithografie-Geschäft. Wenn Sommer war, verbrachten die Brüder Bertolt und Walter Brecht oft ihre Ferien bei den Großeltern „unter dem breiten Dach des Hauses am Marktplatz“. Der Ortshistoriker und Ahnenforscher Paul Meyer (Großweier) nahm den runden Geburtstag Brechts zum Anlass, auf die Suche nach den Verwandten des Dichters zu gehen. Die Oma der Brecht-Enkel war eine Tochter der Sasbacher Schreiner-Familie Magdalena Schrempp und Bernhard Wurzler, die 15 Kindern das Leben schenkten.

Missernten und Krankheiten: 230 Sasbacher verlassen ihre Heimat

Sieben Kinder starben sehr früh, vier Kinder wanderten nach Amerika aus und vier blieben in der Heimat, darunter Karoline Wurzler und ihr Bruder Josef Wurzler. Es muss ein großes Leid gewesen sein, das über die Familie hereinbrach. Siebenmal standen die Eltern am Grab eines ihrer Kinder. Dieses Schicksal teilten damals viele Familien.

Überall im badischen Land herrschte großes Elend. Es gab Missernten, Hunger, Krankheiten. Viele Kinder überlebten auch aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung nicht das erste Lebensjahr. Die Not trieb viele Menschen aus dem Land. Allein zwischen 1846 und 1855 verließen 230 Sasbacher ihre Heimat nach Amerika. Es ging auch in Richtung Banat und Siebenbürgen.

Stephan Bertolt Brecht wird im Haus „Felseneck“ geboren

Der Urgroßvater von Karoline Wurzler, Philipp Wurzler, kam von Villingen. Er war Schreiner. Auch sein Sohn Anselm und dessen Sohn Bernhard betrieben dieses ehrbare Handwerk, so Meyer. Die später von Brecht als „unwürdige Greisin“ beschriebene Karoline Wurzler heiratete Stephan Bertolt Brecht, den Sohn des Hauptlehrers Johann Michael Brecht. Dieser war mit Franziska Mees aus Achern verheiratet und bewarb sich am 1. Februar 1837 beim Großherzoglichen Innenministerium um „gnädigste Übertragung des vakanten Schul- und Mesnerdienstes in Sasbachwalden“ und bekam die Stelle.

Schule und Wohnung befanden sich im Haus „Felseneck“. Doch aufgrund vieler fleißiger Schüler musste der Tanzsaal des Gasthauses „Rebstock“ gemietet werden, so Eugen Beck im „Sasbacher“ 1973. Vier Kinder wurden auf „Felseneck“ geboren, das älteste war Stephan Bertolt Brecht.

Bertolt Brechts Urgroßvater ist Mitbegründer der Volksbank Achern

Vielleicht erbte Bertolt Brecht sein revolutionäres Blut von Urgroßvater Bernhard Wurzler, auch Gemeinderat und Mitbegründer der Volksbank Achern. Dieser taucht während der Revolution 1848/49 unter den Aktivisten auf und musste nach dem Scheitern der Bewegung dafür büßen. So verwundert es nicht, dass einige seiner Kinder nach Amerika auswanderten.

Dort brachte es Sohn Josef zu Wohlstand. Doch wie dies geschah, war nach Walter Brecht in „Unser Leben in Augsburg damals“ sehr fragwürdig. „Hinter vorgehaltener Hand“ hieß es, dass er in Amerika „ganz unten anfing“, Geld verlieh und mit Immobilien seine Deals machte.

Auswanderer wird in New York zum Millionär

In den Slums von Brooklyn soll er auf Häuser von Verarmten hochverzinsliche, „zweite Hypothen“ („Second Mortgages“) vergeben haben. „Wurde der Zins nicht bezahlt, nahm er die Häuser“. Dadurch konnte er mitten in New York ein großes Mietshaus („Wolkenkratzer“) bauen, das ihn zum Millionär machte.

Vor dem Ersten Weltkrieg kam er nach Achern und hatte einen Cadillac dabei, der vor dem Hotel „Post“ parkte. Das „rosige, gesunde Gesicht“ verriet nicht viel von seinem Wesen, auch seine Kleidung war unauffällig. „Mit unseren und den Acherner Maßstäben gemessen, erwies sich jedoch alles an ihm auffällig.“

Straße zum Klinikum Achern wird nach Josef Wurzler benannt

Die Kinder beschenkte er „generös“ mit Ringen, die jedoch „billiges, jämmerliches Zeug“ waren. Doch das 1913 eröffnete Krankenhaus wurde mit 5.000 Mark für die Gesundheit und 2.000 Mark für Fliegengitter reichlich beschenkt. Durch die Spende wurde die Straße zur Klinik nach ihm benannt und der Sponsor, Limousine und Fahrer wurden mit Blasmusik empfangen. Seine letzte Ruhe fand Josef Wurzler auf dem „Green-Wood Cemetery“ in Brooklyn, er starb am 18. April 1925.

nach oben Zurück zum Seitenanfang