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Lebenshilfe-Außenarbeitsplatz

Beispiel aus Achern zeigt, warum Inklusion in der Arbeitswelt schwierig ist

Josef Hock hat seinen Arbeitsplatz bei der Lebenshilfe gegen einen bei der Firma Draisin in Achern getauscht. Sein Beispiel zeigt, warum die Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt oft schwierig ist.

Vielfältige Aufgaben in der VormontageJosef Hock arbeitet auf einem Außenarbeitsplatz der Lebenshilfe bei der Firma Draisin in Achern.
Josef Hock arbeitet auf einem Außenarbeitsplatz der Lebenshilfe bei der Firma Draisin in Achern. Foto: Stefanie Prinz

Konzentriert setzt Josef Hock den Drehmomentschlüssel an: Er befestigt die Ritzel für ein Spezialfahrrad an einem Motor. Links und rechts von ihm werkeln Kollegen an anderen Fahrrädern, die in den Räumen der Acherner Firma Draisin entstehen.

Hock selbst ist eigentlich bei der Lebenshilfe Baden-Baden/Bühl/Achern beschäftigt: Der 60-Jährige war vor zehn Jahren der zweite Mitarbeiter in der Region, der aus deren Werkstätten (WDL) auf einen Außenarbeitsplatz gewechselt ist. Sein erfolgreiches Beispiel zeigt gerade, wo die Probleme bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt liegen. Corona hat die Sache nicht einfacher gemacht.

Arbeit in Werkstätten irgendwann zu eintönig

Dort, wo Menschen mit Behinderung in einem, wie die Lebenshilfe sagt, beschützten Rahmen tätig sind, sei es ihm zu eintönig geworden, sagt Josef Hock. „Ich habe immer nur dieselbe Arbeit gemacht“, beschreibt er die 34 Jahre in den Werkstätten.

An seinem heutigen Arbeitsplatz liebt er deshalb vor allem die Abwechslung: Jeden Tag stehen andere Aufgaben an, „und das ist gut so“. Dazu gehört zum Beispiel, Schutzbleche zusammenzubauen, dabei die Kabel für die Fahrradlampen zu verlegen, Räder zu montieren.

Er ist überall mit dabei, wie alle anderen auch.
Norbert Wieber, Produktionsleiter bei Draisin

Dabei ist Hock unter den Kollegen nicht etwa ein Exot mit Sonderstellung: „Er ist hier voll integriert und überall mit dabei, wie alle anderen auch“, sagt Norbert Wieber, Produktionsleiter bei Draisin. Vor Ort hat Hock einen festen Ansprechpartner, und damit er einfacher vom Betreuten Wohnen in Achern zur Arbeit kommt, haben ihm die Kollegen ein Fahrrad umgebaut.

Einmal im Monat kommt Stefan Kopf von der Lebenshilfe im Unternehmen vorbei. Er betreut die sogenannten „Betrieblich integrierten Arbeitsplätze“ (BIA), bei denen die Menschen über die Werkstätten bezahlt und versichert werden, aber außerhalb arbeiten.

Das klappe nicht immer so gut wie hier: „Mitunter machen Betriebe mit, die meinen, sie müssten das tun, aber stehen eigentlich nicht mit Überzeugung dahinter“, sagt Kopf. Manche unterschätzten auch die Aufgabe, die Person zu integrieren, oder es komme zu einem Konkurrenzdenken unter den eigenen Mitarbeitern der Firmen.

Schritt aus Lebenshilfe-Werkstätten ist groß

„Das sind aber Ausnahmen“, sagt Kopf. Zurück in die Werkstätten wollten die Menschen umgekehrt so gut wie nie, auch wenn so ein Außenarbeitsplatz doch anstrengender sei: Das Umfeld sei anders, und die Menschen müssen zum Beispiel selbst an den Arbeitsplatz kommen und werden nicht, wie in den Werkstätten, mit einem Sammel-Bus abgeholt. „Für die Leute, die schon Jahre in der WDL waren, ist der Schritt nach draußen schon ein großer.“

Die Inklusion in den Betrieb laufe im besten Fall wie bei Josef Hock, sagt Stefan Kopf. „Zudem identifizieren sich mache Mitarbeiter auch weniger mit der WDL und ihnen ist es wichtig, sagen zu können, dass sie woanders arbeiten, auch wenn sie auf dem Papier zu uns gehören.“ Das Ziel sei, dass die Menschen irgendwann von ihrem Unternehmen angestellt werden, so Kopf, „das hatten wir in den zehn Jahren aber erst in zwei, drei Fällen“.

Dieses Problem, das nicht nur in der Region vorkommt, beklagt unter anderem der Verein „Sozialhelden“ mit Sitz in Berlin. Dieser kritisiert, dass Menschen mit Behinderung in Werkstätten oftmals „für ein Taschengeld“ arbeiteten und ihnen der Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu schwer gemacht werde.

„Ob jemand übernommen werden kann, hängt ja auch von der wirtschaftlichen Lage ab“, sagt Stefan Kopf. Auch bei Draisin hat das eine Rolle gespielt, wie Geschäftsführer Thomas Hornung sagt: „Würden wir anstelle von Josef Hock eine eigene Vollzeitstelle besetzen, müssten wir zum Ausgleich auf die leichten Montagearbeiten im eigenen Haus verzichten und stattdessen günstigere Fertigwaren nutzen.“ Zudem wäre man dann mehr auf die ohnehin brüchigen Lieferketten angewiesen.

Im Vordergrund steht ein bewusstes soziales Engagement.
Thomas Hornung, Draisin-Geschäftsführer

Im Vordergrund stehe aber ein „bewusstes soziales Engagement“, sagt Hornung: Die Palette von Draisin bestand vor zehn Jahren zu 80 Prozent – heute zu einem Drittel – aus Produkten für Menschen mit Behinderung. „Da passt es zu unserem Selbstverständnis, dass wir auch in der Belegschaft Menschen mit Handicap haben.“ Ein zweiter Mitarbeiter der Lebenshilfe ist seit Kurzem im Lager tätig.

Insgesamt besetzt die Lebenshilfe Baden-Baden/Bühl/Achern derzeit nur etwa zehn betrieblich integrierte Arbeitsplätze, sagt Stefan Kopf: Während Corona seien einige Kooperationen beendet worden, von Firmen und Mitarbeitern, die angesichts des Virus besonders vorsichtig waren. Für Josef Hock ging die Arbeit in dieser Zeit normal weiter – mit Masken, Kundschaft nur auf Termin und viel Abstand innerhalb der Fahrradwerkstatt.

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