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Was tun gegen Lärm?

Lärmschutzbeauftragter Marwein: "Das Thema Motorräder macht die größten Wellen"

Die Kritik konzentriert sich zunehmend auf das Thema Motorräder: Der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Thomas Marwein, erklärt die Hintergründe im ABB-Interview. Gemeinsam mit 30 Kommunen fordert er zahlreiche Sanktionen gegen Biker.

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Motorradlaerm Foto: Roland Spether

Das Thema Lärm ist ein höchst subjektives. Was dem einen Freude bereitet, ist des anderen Leid. In diesem Spannungsfeld agiert Thomas Marwein, der erste Lärmschutzbeauftragte im Südwesten und grüner Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Offenburg. Marwein hat sich zuletzt vor allem in der Debatte um laute Motorräder zu Wort gemeldet und gemeinsam mit Kommunen aus dem Südwesten einen Forderungskatalog ausgearbeitet. ABB-Redakteur Frank Löhnig hat nachgefragt, wo es überall zu laut ist – und was man dagegen tun kann.

Ist es in Deutschland lauter geworden?

Thomas Marwein: Das ist natürlich schwer zu sagen, es geht hier ja immer auch um subjektive Empfindungen, je nachdem, wo man wohnt. Viele Rückmeldungen, die ich erhalte, werden dadurch ausgelöst, dass immer mehr Fahrzeuge unterwegs sind. Und auch dadurch, dass die Motorräder lauter sind als früher – bereits ab Werk. Was die Leute ebenfalls aufregt, das sind die vielen Laubbläser.

Und schon sind wir bei den Motorrädern. Doch dass die ab Werk lauter sind, das darf bezweifelt werden – der Gesetzgeber hat kontinuierlich die Lärmvorschriften verschärft. Die Hersteller mussten Klimmzüge machen, um diese einzuhalten – beispielsweise Wasserkühlungen, die die mechanischen Geräusche dämpfen.

Marwein: Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Bei einer Kontrolle am Seibelseckle zum Beispiel war kein Motorrad leise, aber alle hatten Papiere und Zulassungen, waren also legal. Gerade die BMW-Boxer zum Beispiel wurden in den letzten Jahren serienmäßig lauter. Die Polizei hat für ihre BMWs besonders leise Auspuffanlagen, es geht also.

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11.10.2018, Baden-Württemberg, Stuttgart: Thomas Marwein (Bündnis 90/Die Grünen), Landtagsabgeordneter und Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg für den Lärmschutz, gestikuliert während eines Gesprächs mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). (zu dpa "Lärmschutzbeauftragter fordert mehr Tempolimits" vom 13.10.2018) Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - Verwendung weltweit Foto: Murat

Vielleicht muss man sich mal über illegale Manipulationen unterhalten. Bei einer bestimmten Klientel sind die an der Tagesordnung, es wird offen damit geprahlt, wie laut das eigene Fahrzeug ist – bei Autos wie bei Motorrädern. Tut die Polizei genug, um solchen Fahrern das Handwerk zu legen?

Marwein: Die Polizei tut, was sie kann, vielleicht aber könnte und sollte sie noch mehr tun. Die Leute sagen zu mir immer: „Die sollten mal am Sonntag da stehen“. Leider sind die Beamten da oft gebunden, durch Großveranstaltungen zum Beispiel. Und genug Überstunden haben sie auch angehäuft. Man muss den Polizisten zugestehen, die auch mal abzubauen.

Anders gefragt: Gibt es hinreichende Sanktionsmöglichkeiten auch für die Fahrer, die eine Strafe wegen eines lauten Auspuffs einfach weglächeln oder sogar damit angeben? Warum werden Krawallmachern die Fahrzeuge nicht einfach mal stillgelegt?

Marwein: Das Problem ist, dass es keine einfache Möglichkeit gibt, so laute Motorräder zu erkennen…

… nun, man hört es …

Marwein: So einfach ist das nicht. Es gibt Klappenauspuffanlagen, die werden einfach kurz vor der Polizeikontrolle zugemacht, dann sind sie leise. Wie lässt sich gerichtsfest beweisen, dass sie vorher offen war? Auch die Messungen vor Ort im Freien sind unter Umständen nicht aussagekräftig genug. Wer erwischt wird, zahlt heute zwischen 90 und 135 Euro, das ist keine Strafe. Das muss verzehnfacht werden. Man muss sich nur mal im Ausland umsehen, was da so aufgerufen wird.

Ein erhebliches Ärgernis sind die Leichtkrafträder – so gut wie keines ist legal leise, und die Fahrer bleiben praktisch unbehelligt. Deshalb die Frage nach der Polizei …

Marwein: Ja, das höre ich auch selbst immer wieder, vor allem auch, weil die Tonalität dieser kleinen Motoren bauartbedingt noch deutlich störender ist. Ich setze große Hoffnungen auf die Elektromobilität bei Zweirädern, angefangen vom Mofa bis zum großen Motorrad.

Es klingt, als hätten Sie sich komplett auf das Thema Motorräder eingeschossen. Andere machen auch Lärm.

Marwein: Es gibt eben viele Beschwerden. Und es ist so, dass das Thema Motorräder die größten Wellen macht und besonders emotional von den Betroffenen diskutiert wird – von den lärmgeplagten Anwohnern ebenso wie von den Motorradfahrern. Übrigens – ich bin selbst Motorrad gefahren. Und auch der Bundesverband der Motorradfahrer sagt, dass man die lauten Maschinen nicht will.

Die Regeln haben sich geändert – heute erlauben EU-Zulassungen Auspuffanlagen auf dem Nachrüstmarkt, die früher in Deutschland niemals legal gewesen wären. Auch die Quads verdanken wir wohl der EU, Fahrzeuge, die vor allem wegen mechanischer Geräusche extrem laut sind. Diskutieren wir hier also nicht um des Kaisers Bart – weil letztlich die EU entscheidet?

Marwein: Ich habe noch keine Beschwerden über Quads bekommen – ich weiß nicht einmal, ob die als Autos oder als Motorräder zu werten sind. Und ja, das Thema Zulassungen ist unsere Generalforderung – da muss man rangehen. Derzeit entscheidet ein Gremium in Genf, da sitzt ein Vertreter der Bundesregierung drin, aber niemand vom Land. Dazu kommen die EU-Bürokratie und die Hersteller mit an den Tisch. Ich kann nur appellieren, dass man da mal an die Zulassungen rangeht, die wenigen Verschärfungen, die es bisher gab, wirken sich kaum aus. So werden keine Geräuschwerte über Tempo 80 erhoben, und auch über die genutzten Gangstufen bei den Lärmmessungen gibt es keine Aussagen.

Es ist viel lauter geworden, vor allem in den Innenstädten. Woran liegt das Ihrer Analyse nach? Nur an Motorrädern?

Marwein: Die Bevölkerungszahl nimmt zu, es gibt mehr Wohngebiete, mehr Autos. Und es gibt die Unsitte, die Kinder jeden Morgen in die Schule zu fahren – da könnte schon die eine oder andere Fahrt entfallen. Und es gibt immer mehr Autos, heute ist der Zweitwagen praktisch Standard.

Fürchterlich laut sind auch die LKW. Warum hört man zu dem Thema nichts von Ihnen?

Marwein: Es kommen nur ganz selten Diskussionen über den Lärm durch LKW auf, vielleicht ab und an durch die Kühllaster mit ihren Diesel-Aggregaten in den Innenstädten. Aber ja, es gibt immer mehr LKW, die Lagerhaltung wird auf die Straße verlegt. Beschwerden hatten wir aber nur wenige.

Die Wahrnehmung von Lärm und die daraus folgenden Beschwerden sind sehr subjektiv. Haben wir hier also auch eine sehr subjektive Diskussion?

Marwein: Im Grunde ja. Aber wir machen uns natürlich in der Geschäftsstelle Lärmschutz unsere eigenen Gedanken, wir wollen agieren, nicht nur reagieren. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt, weil die Länder hier keine eigenen Kompetenzen haben. Was wir machen können, ist zum Beispiel lärmarmen Asphalt verbauen, das bringt richtig was.

Eine Gewissensfrage: Mit Verbreitung von Elektroautos kam auch die Forderung auf, diese Fahrzeuge mit Soundgeneratoren auszustatten, damit man sie hört. Ist das nicht eine Horrorvorstellung für einen Lärmschutzbeauftragten?

Marwein: Die EU-Regelung ist schon in Kraft, die Fahrzeuge müssen bis Tempo 50 ein Geräusch von sich geben. Man kommt damit einer Forderung der Blindenverbände nach. Aber der Zielkonflikt liegt natürlich auf der Hand. Wenn ich mir vorstelle, dass es bald mehr Elektroautos gibt, dann folgen garantiert die Debatten darüber, wie sinnvoll das Ganze ist. Ich persönlich bräuchte solche Soundgeneratoren nicht.

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