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Rheinübergang bei Freistett

Einzelhandel meldet Umsatzeinbrüche wegen Vollsperrung

Die Vollsperrung des Rheinübergangs zwischen Freistett und Gambsheim wirkt sich massiv auf den Rheinauer Einzelhandel aus. Zwischen 30 und 80 Prozent gehen seit Anfang Juni die Umsätze zurück. Der Freitagsmarkt im Herzen Freistetts hat ebenfalls weniger elsässische Beschicker und Kunden.

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Die Parkplätze sind leer: Immer weniger französische Kunden kaufen seit der Vollsperrung des Rheinübergangs bei den Discountern im Freistetter Industrie- und Gewerbegebiet Glockenloch ein. Foto: kec

Leere öde Parkplätze, wenige Kunden und ein reduzierter Mitarbeiterstamm: so präsentiert sich derzeit und wahrscheinlich bis Anfang September, wenn der Rheinübergang wieder befahrbar ist, das Einkaufszentrum am Glockenloch in Freistett.

80 Prozent der Kunden sind Franzosen

„Es ist sehr, sehr ruhig“, so das allgemeine Fazit des Freistetter Einzelhandels. Er weist mit Schildern und Bannern darauf hin, dass die Geschäfte geöffnet haben. „Die französischen Kunden weichen auf Märkte in Hügelheim und Kehl aus“, bedauert ein Filialleiter. „So macht Einkaufen auch mal Spaß“, freut sich dagegen eine deutsche Kundin, „auf Anhieb einen Parkplatz und die erste an der Kasse.“ „Aber dem Kaufmann stehen die Haare zu Berge“, meint Manfred Hetz vom gleichnamigen Getränkehandel mit Blick auf den leeren Parkplatz vor seinem Geschäft. „So was kennen wir nicht, man hört ja draußen das Gras wachsen.“ 80 Prozent seiner Kunden sind Franzosen. Ihnen ist derzeit für drei Monate die bequeme Fahrt über die Rheinbrücke bei der Passage 309 wegen Bauarbeiten verwehrt.

Mehrzahl der Geschäfte trotz Vollsperrung geöffnet

„Der Umsatz sowie die Kundenfrequenz liegen aktuell bei etwa 35 bis 40 Prozent und unsere Gastronomiekunden spüren teilweise auch den Umsatzrückgang“, erklärt Hetz. „Das ist negativ für den Betrieb, aber wir machen ganz normal weiter.“ Jetzt zu schließen oder die Öffnungszeiten zu reduzieren, sei seiner Meinung nach fatal, da zahlreiche Stammkunden trotz der Sperrung die Umwege in Kauf nehmen. „Wenn die dann vor verschlossenen Türen stünden, das sei „nicht auszudenken“. So wie eine Frau aus Hagenau, die mit ihren zwei Söhnen gerade die Einkäufe in ihrem Auto verstaut. „Wir nehmen den Umweg über die Fähre gern in Kauf, um wie gewohnt in Freistett einzukaufen“, sagt die Elsässerin.

Weder Kündigungen noch Kurzarbeit

„Grundsätzlich machen wir das Beste aus der Situation“, betont Hetz. „Wir nehmen uns mehr Zeit für die Kunden und können Überfälliges abarbeiten.“ Innerbetriebliche Lösungsansätze, wie Kündigungen und Kurzarbeit, kommen für ihn nicht in Frage. Ganz im Gegensatz zu den Geschäften direkt an der Grenze: die Zigarettenläden, der Friseur, der Imbiss und das Café, sie haben bis Ende August weitestgehend geschlossen. Auch der im Glockenloch ansässige Drogeriemarkt schloss kurzerhand den Laden für eine Woche und nutzte die Zeit für Renovierungsarbeiten. „Unseren französischen Kollegen wurde angeboten, in unserem Markt in Hügelsheim zu arbeiten, so haben sie einen kürzeren Arbeitsweg“, berichtet die dm-Gebietsverantwortliche Carmen Morrone, „einige Rheinauer Kollegen helfen außerdem in den anderen umliegenden Märkten aus.“

Discounter reduziert Filialbesetzung

Bei den gegenüberliegenden Discountern und dem Tabakshop hingegen wurde das Personal auf Sparflamme gesetzt, Urlaub verordnet oder Mitarbeiter auf andere Filialen verteilt. „Wir stellen uns vor Ort möglichst flexibel auf die aktuelle Situation ein, so haben wir die Filialbesetzung reduziert, indem Mitarbeiter Urlaub nehmen, zeitweise in anderen Filialen eingesetzt werden oder auf Wunsch auch unbezahlten Urlaub in Anspruch nehmen können“, erklärt Tobias Neuhaus, Sprecher von Aldi-Süd. „Unsere grenznahen Filialen werden von rund 70 Prozent französischen Kunden besucht, daher haben wir aufgrund der Baumaßnahme aktuell deutlich weniger Kunden.“

Zu viel Ware in der ersten Woche

Mario Köhler von der Lidl-Pressestelle ergänzt: „Weder bei der Warenanlieferung noch für unsere Mitarbeiter gibt es während der Sperrung Beeinträchtigungen.“ Ein Mitarbeiter eines Discountes erinnert sich an den Beginn der Vollsperrung: „Die erste Woche war stressig, wir waren statt zu neunt nur zu dritt, hatten viel zu viel Ware geordert, die eingeräumt werden musste und dann in der Auslage vergammelte.“ Nun gehe es geruhsamer zu.

Weniger Kunden bei Freistetter Freitagsmarkt

„Langweilig, so macht es keinen Spaß“, meint hingegen die Verkäuferin im Tabakshop, „sonst haben wir bis zu 500 Kunden täglich, jetzt kommen gerade mal 100 bis 150, statt drei Kassen haben wir nur eine geöffnet, der Umsatz liegt radikal am Boden.“ Nur den nun täglichen Spaziergang über die Fußgängerbrücke zur Arbeit genießt die junge Frau, der den täglichen Arbeitsweg jedoch um gut 20 Minuten verlängert.

Auch der Markt am Freitagmorgen im Herzen von Freistett hat mit der Brückensperrung zu kämpfen. Es fehlen nicht nur die französischen Marktbeschicker, sondern insbesondere kauffreudige Kunden.

Rheinauer Imbissbetreiber melden Umsatzrückgang

Selbst die Dönerläden in Rheinau merken die Brückensperrung. „Wir haben 30 Prozent weniger Kunden“, klagt ein Imbissinhaber. „Viele unserer Kunden sind Franzosen, doch jetzt kommen nur die, die hier im Umfeld arbeiten und eh über die Grenze müssen.“ Auch er weiß eine nette Geschichte zu berichten: „Gestern kamen zwei Familien, die wegen der Ausnahmesituation einen Ausflug über den Rhein machten.“

In knapp zwei Monaten ist der Spuk wohl wieder vorbei. „Dann heißt die Herausforderung, Kundenströme wieder neu aufbauen“, erklärt Hetz, „80 Prozent der Kunden werden gleich wieder kommen, die anderen haben ihr Kaufverhalten geändert. So werden wir gut eineinhalb Jahre daran arbeiten müssen wieder die 100 Prozent zu erreichen.“

Karen Christeleit

Erst im Zuge der Rheinaufschüttung 1974 entstand am Rheinkilometer 309 in deutsch-französischer Zusammenarbeit eine Staustufe. Neben dem zehn Meter hohen Wehr auf deutscher Seite wurde auf französischer Seite eine Schleuse und ein Wasserkraftwerk realisiert und erstmals eine dauerhafte feste querende Straßenverbindung zwischen Gambsheim und Rheinau geschaffen.

Mehr als 12.000 Fahrzeuge täglich

Inzwischen passieren täglich mehr als 12.000 Autos und Lastwagen den Rheinübergang. Er ist nicht nur für Pendler, sondern auch für den grenzüberschreitenden Handel eine wichtige Trasse geworden. Dies hat nicht nur die Stadt Rheinau positiv beeinflusst, auch der Einzelhandel und die Firmen profitierten von der guten Anbindung. Bereits 2011, als der französische Betreiber Centrale Electrique Rhenane de Gambsheim (CERGA), ein gemeinsames Tochterunternehmen der französischen EDF und der deutschen EnBW, die Erweiterung des Laufwasserkraftwerkes mit derzeit vier Rohrturbinen um eine weitere Turbine plante, drohte für die Bauarbeiten die Vollsperrung der Brücke. Doch dieses Projekt zerschlug sich. Umweg über Iffezheim und Straßburg Im Zuge des Radwegeprojektes über den Rhein wurden auf der französischen Seite Mängel an den Brücken festgestellt. Man entschied sich für den Neubau der drei maroden Brücken, in die man den geplanten Rad- und Fußweg gleichsam integrieren wird, unter Vollsperrung. Nach langen Diskussionen errichteten die Behörden eine provisorische Fußgängerbrücke über die beiden Schleusenbecken. Außerdem wurden Parkplätze geschaffen und ein Bus-Shuttle eingerichtet. Motorisierte Verkehrsteilnehmer müssen über die gesamte Dauer der Vollsperrung die Rheinübergänge Altenheim, Straßburg/Kehl und Iffezheim oder die Fähre Drusenheim, deren Fahrzeiten verlängert wurden, benutzen. Bauarbeiten kommen zügig voran Die Bauarbeiten kommen indes zügig voran. Mittlerweile ist die Brücke über die westliche Schleusenkammer neu betoniert, die zweite Brücke wird derzeit erneuert. kec

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