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Lesung im Kimmonalen Kino Tivoli

Ex-Berlinale-Chef Dieter Kosslick besucht Achern: „Den Kinos geht es trotz Corona gut“

Dieter Kosslick liest am Samstag, 20 Uhr, im Kommunalen Kino Tivoli in Achern aus seinem Buch „Immer auf dem Teppich bleiben“. Kosslick leitete 18 Jahre die Berlinale, das größte Publikumsfestival der Welt.

Dieter Kosslick, Kulturmanager und ehemaliger Direktor der Berlinale, sitzt bei einer Veranstaltung zum Start der Kampagne «Berlin räumt auf» in einem in einem Warenhaus eingerichteten Gebrauchtwarenladen zwischen gebrauchten Möbeln. Bei der Kampagne spenden Berliner Prominente eigene Gebrauchtwaren zugunsten sozialer «Re-Use-Projekte». In einer Online-Auktion sollen die Sachen versteigert werden. +++ dpa-Bildfunk +++
Dieter Kosslick, Kulturmanager und ehemaliger Direktor der Berlinale, sitzt bei einer Veranstaltung zum Start der Kampagne «Berlin räumt auf» in einem in einem Warenhaus eingerichteten Gebrauchtwarenladen zwischen gebrauchten Möbeln. Bei der Kampagne spenden Berliner Prominente eigene Gebrauchtwaren zugunsten sozialer «Re-Use-Projekte». In einer Online-Auktion sollen die Sachen versteigert werden. +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Christoph Soeder picture alliance/dpa

Der Ex-Berlinale-Chef Kosslick kommt nach Achern.

Ob er eine Großbaustelle zum Stillstand bringen musste, damit die Rolling Stones schlafen konnten, Clint Eastwood und Martin Scorsese überredete, nach Berlin zu kommen, mit Joschka Fischer über die Einladung an Fidel Castro verhandelte oder Meryl Streep in der Not einen Blumenstrauß von der Tankstelle kaufte: Dieter Kosslick hat als Chef der Berlinale viel erlebt. ABB-Mitarbeiter Wolfgang Winter interviewte den Filmexperten vor seiner Lesung.

Mit welcher Strategie können sich die kleinen Kinos im Konkurrenzkampf mit den Multiplex-Theatern behaupten?
Kosslick

In der letzten Zeit ist das Interesse des Publikums an Programmkinos und Kommunalen Kinos erheblich gestiegen. Auf meiner Lesereise habe ich in vielen kleinen Kinos mein Buch vorgestellt und kann deshalb mit Überzeugung sagen: Den Kinos geht es trotz Corona gut. Das hat auf der einen Seite mit dem anspruchsvollen Programm der kleinen Kinos zu tun und zum anderen mit ihrer Unternehmensstruktur. Wer sich als Verein oder Genossenschaft organisierte, hat sich ein großes Stammpublikum aufgebaut, auf das die Kinos zählen können. Ich kann nur sagen: Keine Angst, Qualität verkauft sich gut, den kleinen Kinos wird so schnell nichts passieren.

Besonders ältere Zuschauer reagieren zunehmend ablehnend auf die für sie kaum noch erträgliche Darstellung von Gewalt im Film. Sehen Sie Anzeichen, dass sich dieser Trend wieder umkehren könnte?
Kosslick

Die Filme mit hohen Gewaltanteilen finden eher in kommerziellen Kinos statt. Solange die Studios damit Geld verdienen können, werden sie damit nicht aufhören. Es ist der Versuch der Filmemacher, die durch die Informationsüberflutung abgestumpften Sinne mit Gewaltdarstellungen zu fesseln, um dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums zu erreichen. Auf Dauer wird man damit eine gewisse Klientel längerfristig verlieren, die diese Gewaltdarstellungen nicht länger sehen wollen. Nicht, dass es im Arthouse Kino keine Gewalt gibt, aber nicht so eine partiell sinnfreie Gewalt gegen Sachen wie bei „The Fast And The Furious“.

Wie sehen Sie die Überlebenschancen der Kinolandschaft angesichts der immer stärker zunehmenden Streaming-Angebote?
Kosslick

Vor zwei Jahren, bei meiner letzten Berlinale, gab es auf dem roten Teppich noch Demonstrationen von Kinobesitzern gegen Netflix. Das hat sich geändert, weil inzwischen auch die großen Studios ihre Streamingportale haben. Das heißt, das Kino wird mit dem Streaming leben müssen. Wie viel Umsatz den Kinos, vor allen den kommerziellen Kinos, verloren geht, wird man erst in zwei, drei Jahren feststellen. Es muss jedoch Strategien geben, wie man die Verluste verhindern kann. Eine der Strategien ist, das gilt übrigens auch für die Programmkinos, dass sehr viel mehr für die Filmerziehung der jungen Leute und Kinder getan werden muss. Das sind die Kunden der Zukunft. Wenn sich die Jugendlichen zu sehr daran gewöhnen, Filme auf ihren Handys und Tablets anzuschauen, haben wir sie verloren. Wenn die Kinder ins Kino gehen, werden sie erfahren, dass es ein großer Unterschied ist, ob man sich Ben Hur auf der Armbanduhr oder einer großen Leinwand anschaut.

Haben Sie einen Tipp, wie es möglich ist, Kinder und Jugendliche stärker für das Kino zu begeistern?
Kosslick

In den letzten 18 Jahren konnte ich viel Erfahrungen mit unserem Berlinale-Programm „Generation“ sammeln. Da sind innerhalb von zehn Tagen 60.000 Kinder und Jugendliche ins Kino gegangen. Das Kinoerlebnis wurde in den Schulen vorbereitet und über den Film anschließend in den Schulen noch einmal diskutiert. Das Kino und der Film muss einen größeren Platz als Thema in den Schulen einnehmen. Ich sehe darin eine große Chance, wenn die Schulen sich stärker in der Filmbildung engagieren. Die Kinos sollten viel mehr Wert darauf legen, mit Schulen ins Gespräch zu kommen, um ihren Schülern einen gemeinsamen Kinobesuch zu ermöglichen. Die Kinos müssen auch unbedingt das Angebot ihrer Süßwarentheke überprüfen. Es macht keinen Sinn zu versuchen, die Fridays for Future-Generation ins Kino zu locken und ihnen Zuckerriegel und Zuckerlimonaden zu verkaufen. Das geht nicht, da muss unbedingt eine gewisse Glaubwürdigkeit eintreten.

James Cameron, der Regisseur von Titanic und Avatar, ernährt sich wie viele andere Hollywoodstars vegan. Ist ihnen diese Ernährungsform zu extrem oder finden Sie sie sympathisch?
Kosslick

Die vegane Ernährung finde ich natürlich sehr sympathisch. In der Auseinandersetzung mit dieser Frage konnte ich bereits seit langer Zeit Erfahrungen sammeln. Wir haben bereits vor vielen Jahren die Bewirtung auf der Berlinale umgestellt. Es gab keine Veranstaltungen, Partys und Essen mit Fleischgerichten, die mit öffentlichen Geldern bezahlt wurden. Das konnte ich auch damit begründen, weil uns dadurch mehr Geld zur Verfügung stand, um stärker auf die Qualität von Lebensmitteln zu achten. In meinem Buch habe ich viele Hollywoodstars aufgezählt, die vegan leben, ihre Zahl ist inzwischen weiter gestiegen. Das hat auch damit zu tun, weil die Schauspieler wissen, das ist unser Körper, unsere Produktionsstätte, auf die wir achten müssen. Ein Regisseur wie Cameron lebt ja übrigens nicht nur vegan, sondern dreht ja inzwischen seine Avatar-Filme komplett klimaneutral. Der Virologe Christian Drosten warnte übrigens kürzlich deutlich, dass der wachsende Fleischhunger der Menschheit das Risiko künftiger Pandemien aus der Tierhaltung nach sich zieht.

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