Die Acherner Berufsschüler des Kaufmännischen Berufskolleg blicken auf eine Tabelle, die von einem Projektor an die Wand geworfen wird. „Das ist unser Warenbestand. Alles elektronische Geräte, die man auch im Handel findet, aber bei uns heißt die Marke Apple einfach Apfel, um das Urheberrecht nicht zu verletzen“, erklärt Lehrer Frank Lemmrich und seine Schüler müssen ein wenig lachen.
Lemmrich hat gemeinsam mit seinen Schülern ein Unternehmen gegründet, dass den klangvollen Namen „Stars of the Future“ trägt und vor allem Unterhaltungselektronik verkauft. Die Besonderheit: Die Firma existiert nur im Internet und die Waren auf der Liste liegen nicht wirklich in einem Lager und warten auf ihren Verkauf, sondern sind nichts weiter als ein Datensatz auf einem Server.
„Wir arbeiten schon seit 15 Jahren mit Übungsfirmen, um den Schülern eine möglichst praxisnahe Ausbildung bieten zu können“, erklärt der Direktor der Berufsschule Ralf Schneider. Derzeit gibt es in Achern noch fünf weitere Firmen, die von Schülern betreut werden und beispielsweise mit Kaffee, Früchten, Haustieren oder auch Nudeln aus dem Schwarzwald handeln.
500 Übungsfirmen in Deutschland
Die entsprechende Infrastruktur im Internet wird von einem Unternehmen in Essen bereitgestellt, dass in Deutschland rund 500 solcher Übungsfirmen betreut. Weltweit gäbe es sogar rund 60.000 virtuellen Unternehmen, die alle miteinander vernetzt sind, so Schneider.
Eben diese Vernetzung ist es, die das Projekt erst so interessant macht. Die Schüler können mit den anderen Unternehmen handeln und Verträge abschließen. Es gibt eigentlich keinen Aspekt der Unternehmensführung, den das Netzwerk nicht ermöglicht, sagt Schneider: „Im Grunde ist alles echt, abgesehen vom Geld und den Waren.“
So müssten die Schüler beispielsweise darauf achten, nach einem erfolgreichen Verkauf auch Umsatzsteuer abzuführen, sonst komme das Finanzamt und sanktioniere das Unternehmen. Jede virtuelle Firma verfüge über eine Einkaufsabteilung, eine Abteilung für Rechnungswesen, ein Sekretariat aber auch eine Personalabteilung. Der Laden läuft erst dann rund, wenn es den Schülern gelingt, alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen.
Die Übungsfirma bringt den Schülern mehr als ein Praktikum.Frank Lemmrich, Lehrer Berufsschule Achern
Die Schüler fahren sogar auf Messen, wo sie mit den Vertretern anderer Übungsfirmen zusammen kommen und dann im richtigen Leben Verträge abschließen, die sie später, wieder zurück im Klassenraum, tatsächlich erfüllen müssen. „Die Schüler sind ganz anders motiviert, beim Rechnungen stellen und Auftragsbestätigungen verschicken, wenn sie sich die Aufträge selber erarbeitet haben“, berichtet Lemmrich.
Schüler können sich ausprobieren
Aus seiner Sicht haben die Schüler, die in einem virtuellen Unternehmen ausgebildet werden, entscheidende Vorteile. „Die Übungsfirma bringt den Schülern mehr als ein Praktikum, wo man kaum tiefer in die Prozesse eintauchen kann. Wir arbeiten hier mit Software, die tatsächlich auch in richtigen Firmen zum Einsatz kommt“, erklärt Lemmrich.
Noch wichtiger sei es, dass die Schüler durch die praktische Arbeit lernen, sich zu strukturieren und sorgfältig zu arbeiten. „In der Realität flippt der Chef aus, wenn er einen Kunden am Telefon hat, eine Rechnung sucht, aber nicht finden kann, weil diese vom Mitarbeiter falsch abgelegt wurde“, erklärt der Lehrer.
Elanur Akyldiz, ist froh an dem Projekt teilnehmen zu dürfen. Sie sei an die Berufsschule gekommen, weil sie sich sehr für den kaufmännischen Bereich interessiere. Im Vorfeld habe Sie ein Praktikum bei einem Hersteller für elektronisch verschließbare Türen absolviert. „Dort durfte ich die Software nicht benutzen, weil die Gefahr zu groß war, dass mir ein Fehler unterläuft“, berichtet die 16-Jährige. In dem virtuellen Unternehmen dagegen können sie auch einmal etwas ausprobieren.