
Auch dies gehört, in gewisser Weise, zur Abschiedstour von Oberbürgermeister Klaus Muttach. Am Wochenende wurde in der Illenau und drumherum gefeiert. Das galt vor allem der nun fast abgeschlossenen Wiederbelebung des Gebäudeensembles, die die Acherner Kommunalpolitik buchstäblich Jahrzehnte in Atem gehalten hatte. Und es galt dabei insbesondere dem Kulturforum, das künftig Zentrum des Acherner Kulturlebens sein wird. Kein Wunder also, dass sich kulturelle Höhepunkte und politische Akzente an diesem Wochenende mischten.
Das erste Open-Air-Festival des Kulturforums Illenau begann am frühen Freitagabend mit einer Feierstunde. Oberbürgermeister Klaus Muttach freute sich in seiner Begrüßungsrede, dass die Jahrhundertaufgabe „Revitalisierung der Illenau“ vor ihrer Vollendung steht. Er erinnerte, dass 2007, bei seinem ersten Oberbürgermeister-Wahlkampf, noch immer die Forderung nach Abbruch der Illenau erklang.

Der Stadt habe hier das „Engagement der Bürgergesellschaft“geholfen, wobei Muttach die Illenau Werkstätten und den Förderkreis Forum Illenau hervorhob. Das „Jahrhundertwerk“ sei für den scheidenden OB schließlich auch ein „politisches Statement“.
Zur Erläuterung zog Muttach einen Vergleich mit der Herrschaft der Nationalsozialisten, die Behinderte als lebensunwert bezeichneten, zwangssterilisierten und schließlich ermordeten. Diesen Abgrund vor Augen sieht Muttach in der Illenau „ein Statement zur Wahrung der Menschenwürde für jede und jeden, für ein friedvolles Zusammenleben aller Religionen, und gegen politischen Extremismus und Rassismus.“
In ihrer Festrede führte Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer detailreich die Entwicklung der Illenau seit ihrer Gründung im Jahr 1842 in vielen Einzelschritten vor Augen. Ihre geglückte Wiederbelebung bezeichnete sie, als ein „Leuchtturmprojekt“, das eindrucksvoll zeige, „was Kommune, Kreis, Land und Bund im Schulterschluss bewegen können.“
1998 habe der Gemeinderat mit dem „Mut der Verzweiflung“ entschieden, das ehemalige Kasernenareal für einen Preis von drei Millionen Mark vom Bund zu erwerben. Im Rahmen der Städtebauförderung sollte die Entwicklung des Areals mit einem Betrag von 2,2 Millionen Euro unterstützt werden. 25 Jahre später summierten sich die bewilligten Finanzhilfen von Bund und Land auf 14 Millionen Euro, bilanzierte Schäfer.

Weitere Finanzhilfen folgen beim erfolgreichen Abschluss der Sanierung, sicherte die Regierungspräsidentin zu. Nach der Vollendung des Kulturforums präsentiere sich „eine vorbildlich sanierte öffentliche Einrichtung, die vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bieten werde.
Nach Schäfer informierten zwei „Talkrunden“ über die aktuelle und in die Zukunft gerichtete Fragen im Bereich des Illenau Areals. Hier sprach Bürgermeister Dietmar Stiefel zum Beispiel über den entstehenden Landschaftspark am Mühlbach und die Brücke der Illenau zur Innenstadt. Über großen Applaus konnte sich das glänzend aufspielende Trio Arundo freuen. Am Ende wurde als eine gelungene Überraschung, die von Bärbel Schäfer zelebrierte Enthüllung des sehnlichst erwarteten Autobahnschildes gefeiert. „Ich habe der Regierungspräsidentin deshalb seit vielen Jahren geschrieben“, erzählte Stadtrat Karl Früh. OB Muttach sei die Genehmigung „mit einem Anruf gelungen“.
Das lange Kulturforum Wochenende setzte das Programm am Samstag mit einem ökumenischen Gottesdienst fort. Die evangelische Pfarrerin Katrin Bessler-Koch und ihr katholischer Kollege Pfarrer Christof Scherer verwiesen in ihrer Predigt auf die Geschichte der Illenau und das „Miteinander“ ihrer Simultankirche. Es gehört bekanntlich zur Tradition der Heilanstalt, dass hier von Anfang an Geistliche beider Konfessionen tätig waren.
Die lustigen, die kindliche Fantasie anregenden „Hintertürgeschichten“ des Buchfinktheaters faszinierten gegen Mittag die jüngsten Besucher des Festivals. Den Reigen der kabarettistischen Nachmittagsveranstaltungen eröffnete Max Ruhbaum, dem Lennart Schilgen, und das Pop-Kabarett Korff-Ludewig folgten. Leider nutzten nur jeweils zwischen 60 und 100 Zuschauer die Möglichkeit, die gratis gebotenen Vorstellungen anzuschauen.
Über einen Zuschauermangel musste sich Maxim Maurice hingegen nicht beklagen. Rund 600 kleine und große Fans des Magiers verfolgten die Tricks und Illusionen der „großen Zaubershow für die ganze Familie“. Maurice ließ sein magisches Tischen schweben, zersägte seine Assistentin in diverse Einzelteile und rammte ihr scheinbar ein Dutzend lange Messer in den Körper.
Ein echten Lachschlager stellte das gut besuchte Improtheater „Die Creadiven“ auf die Bühne. Die köstliche Mimik der Schauspieler und ihr Einfallsreichtum bei der Bewältigung der vom Publikum gestellten Aufgaben begeisterte. Eine bessere Werbung für das Illenau-Theater hätten sich die engagieren Laiendarsteller nicht wünschen können.
A-cappella-Gruppe kommt wieder
Der Auftritt der jungen Freiburger A A-cappella-Gruppe „anders“ sorgte für einen weiteren Höhepunkt des abwechslungsreichen, von Acherns Kulturchefin Nicole Reuther zusammengestellten Programms. Wer den Auftritt von „anders“ und seine sonntägliche Reprise verpasste, sollte sich unbedingt den 9. März 2024 vormerken. Hier ist der poetische „Kurzurlaub“ der Gruppe noch einmal im Bürgersaal zu sehen.
In der abendlichen Gala-Veranstaltung überraschte, nach dem Vorspiel des „Jungen Streichorchester“, das Sinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Achern-Oberkirch. Das von den Lehrkräften und dem spanischen Dirigenten Mauricio Sotelo-Romero erarbeitete Konzert verblüffte mit seiner virtuosen und mitreißenden Darbietung. Der hohe Schwierigkeitsgrad der Stücke, zu denen zum Beispiel Pablo de Sarasates Zigeunerweisen mit einem tollen Violinensolo von Hendrik Münchenberg gehörten, ließ erahnen, wie viel Detailarbeit in der Einübung der Kompositionen steckt.
Besonders die Auszüge aus dem Musical „Phantom der Oper” sorgten für Gänsehaut. Ob schmiegsam oder ungestüm, geheimnisvoll und verschlossen oder sich mit einer wunderbaren Strahlkraft öffnend, das feinst abgestimmte Orchester zog alle Register der musikalischen Darstellungskunst. Inzwischen gab es im weiten Rund längst nur noch Stehplätze. Die lange Strecke von der Bühne bis zur Kaiserlinden-Allee war dicht mit Besuchern gefüllt.
Manuel Brommer und sein Partner Thomas Decker hatten 187 computergesteuerte Scheinwerfer, sieben Showlaser und 20 Nebelmaschinen installiert, um sie taktgenau zu den Klängen der vom Orchester gespielten Carmen-Suite erstrahlen zu lassen. Bei den abendlichen Proben wurden die farbigen, den Nachthimmel erleuchtenden Laserstrahlen sogar noch im Ortsteil Fautenbach gesehen. Sie aus nächster Nähe, mit der großartigen Musik des Orchesters im Ohr, zu erleben, wurde zu einem einzigartigen Erlebnis.