Bundesweiten Widerhall findet der laute Knall, der an Heiligabend 2018 die Menschen am Acherner Euro-Rasthof aufschreckte . „Erdgas-Angst!“ titelte die Auto Bild in ihrer am Donnerstag erschienenen Ausgabe, und auch die Bild-Zeitung als Mutterblatt selbst räsoniert ausführlich unter der Überschrift „Erdgas-Audi beim Tanken explodiert“ über den Vorfall, bei dem der Fahrer des Fahrzeugs schwer verletzt worden war.
Ob man freilich der Empfehlung der Zeitung mit den großen Buchstaben folgen und von Erdgas-Audis erst einmal Abstand halten sollte, das steht dahin. Denn der explosive Zwischenfall hatte eine Vorgeschichte und die wirft, je tiefer man gräbt, umso mehr Fragen auf.
Wagen hatte Vorschaden
Das Fahrzeug war als Firmenwagen eines in der Region hinlänglich bekannten Architekten und Investors unterwegs. Und es hatte, das räumt auch dessen Offenburger Sprecher Ulf Tietge auf Anfrage dieser Zeitung unumwunden ein, im Oktober einen Unfall mit Heckschaden – also genau da, wo die beiden aus Verbundmaterialien gefertigten Tanks sitzen. Haben die dabei etwas abbekommen? Oder wurde bei der Reparatur nicht ganz sauber gearbeitet? Auf diese Fragen kann derzeit niemand eine seriöse Antwort geben. Doch Peter Ziegler, Vorsitzender des Bundesverbands für Gasanlagentechnik, will dafür sorgen, dass sie zumindest nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Den Hersteller Audi spricht Ziegler weithin von der Schuld an dem Vorfall frei – doch zur Frage, wie mit dem Fahrzeug nach dem Unfall umgegangen wurde, macht er in einem dieser Zeitung vorliegenden Schreiben eine Reihe kritischer Anmerkungen. Im Mittelpunkt: Der Gutachter, der die Reparatur an dem Audi freigegeben hat und, so ist Ziegler überzeugt, der Sicherheit der Gastanks wohl nicht die erforderliche Aufmerksamkeit schenkte. Insbesondere, so der Verbandsvorsitzende, habe es nach der Reparatur keine Gasprüfung gegeben, obgleich zumindest die Abdeckung der beiden Zylinder beschädigt worden sei.
Nur ein Parkrempler?
War es also mehr als ein leichter Parkrempler, wie Pressesprecher Tietge („Ein Kratzer an der Stoßstange“) glauben machen will? Die Reparaturen summieren sich laut Ziegler auf mehr als 3.000 Euro, und das Fahrzeug wurde, allem Anschein nach, nicht in einer Werkstatt des Herstellers, sondern bei einem Karosseriebetrieb instand gesetzt. Wurde da geschludert? Das lässt Ziegler in seinem Schreiben offen, fordert aber eine Untersuchung des geborstenen Tanks durch die Bundesanstalt für Materialforschung (BAM), das Institut übrigens, das auch für die Einschätzung von Silvester-Knallern zuständig ist.
Lückenlose Aufklärung gefordert
Den lauten Knall aus Achern hat man auch in Hamburg vernommen, und die Auto Bild hat sich eingehend mit dem Thema befasst – Matthias Moetsch, Ressortleiter für Investigatives, vertieft sich ins Thema und widmet ihm eine Doppelseite. Ergebnis: In ein solches Gasauto werde er nicht mehr einsteigen, bevor nicht das Kraftfahrtbundesamt, die Staatsanwaltschaft und der Hersteller den Vorfall „lückenlos aufgeklärt“ haben.
Der Unfall, ein „Parkschaden“, spielt in dem Bericht weniger eine Rolle als die zahlreichen Fälle, bei denen es zuvor zum Bersten von Gasbehältern an anderen Autos gekommen war – durchaus auch an Tankstellen. Und so gilt die Aufmerksamkeit den Leichtbau-Druckzylindern, die aus drei ineinander liegenden Kunststoffschichten gefertigt werden.
Offene Schraubverbindung
Waren die Tanks beschädigt oder nicht? Dies ist nur eine der Fragen, die sich laut Peter Ziegler stellen. Eine andere, die mutmaßlich aber nicht zur Ursache des Unfalls führen wird: Warum war eine Zuleitung im Gassystem des Wagens nach der Detonation derart gelockert, dass Ziegler die Mutter bei der Besichtigung des Fahrzeugs an der Unfallstelle nach eigenen Angaben selbst von Hand festschrauben konnte – mit drei Umdrehungen, wie er betont? „Von allein“, so Ziegler, „kann sich eine solche Schraubverbindung nicht lösen“.