Skip to main content

Warnschuss für Jäger

Neues Verbissgutachten stellt Acherns Wäldern erneut schlechtes Zeugnis aus

Ein neues Verbissgutachten stellt Acherns Wäldern abermals ein schlechtes Zeugnis aus. Jagdpächter bekommen mehr Zeit, um Rehwild zur Strecke zu bringen.

ARCHIV - Ein Reh springt am 04.05.2015 bei Bodnegg (Baden-Württemberg) über eine Wiese, auf der Löwenzahn blüht. Foto: Felix Kästle/dpa (zu dpa "Forscher untersuchen Einfluss des Luchses auf Rehe" vom 01.04.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Übeltäterin auf dem Sprung: Eine Ricke flüchtet von einer Waldlichtung. Die Rehwildbestände rund um Achern sind trotz steigender Abschusszahlen viel zu hoch. Foto: Felix Kästle/dpa

Es gibt immer noch zu viel Rehwild in Acherns Wäldern. Das bestätigt ein neues Gutachten, das von der Stadt nach dem Entzug der PEFC-Forstzertifizierung im vergangenen Frühjahr in Auftrag gegeben und am Montagabend im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss des Gemeinderates vorgestellt wurde. Durch den hohen Bestand werden die Bemühungen, aufzuforsten und den Wald umzubauen, behindert.

Oberbürgermeister Klaus Muttach (CDU) stellte gleich zu Beginn der Diskussion klar, dass er am liebsten die Waldgebiete Gamshurst, Großweier, Önsbach und Wagshurst aus dem Forstverbund der Gemeinde herauslösen möchte – in der Hoffnung, wenigstens in den Acherner Wäldern eine höhere Bejagung von Rehwild durchsetzen zu können und so das Zertifikat zurückzuerlangen.

Vorangegangene Gespräche mit den Jagdpächtern in den Ortsteilen seien aus seiner Sicht gescheitert.

Bürgermeister plädiert zunächst für klaren Schnitt

„Es gibt über dieses Thema unterschiedliche Meinungen. Die Stadtverwaltung wird nicht an weiteren fruchtlosen Gesprächen teilnehmen. Das ist auch eine Frage der Effizienz“, sagte Muttach und forderte einen klaren Schnitt.

Der müsse sein, weil der Stadt erhebliche Einnahmen aus dem Holzverkauf verloren gingen und auch die Bemühungen zur Wiederaufforstung so zum Scheitern verurteilt seien.

Dabei verwies er auf den Bericht, der ausweist, dass in den kommenden 20 Jahren Kosten von zwei bis 2,5 Millionen Euro für die Verjüngung der Bestände in den Auenwäldern auf die Stadt zukommen, sollte sich an der Situation nichts ändern.

Widerspruch kam von den Gemeinderäten. „Ich persönlich fand die Gespräche nicht fruchtlos“, widersprach Christine Rösch (CDU). In allen Jagdbezirken seien die Abschusszahlen erhöht worden, jetzt müsse man die Ergebnisse abwarten.

Muttach lenkte bereits nach diesem Beitrag ein Stück weit ein und stimmte zu, dass auch das neue Gutachten eine Erhöhung der Abschusszahlen feststellt.

Ich bin der Meinung, dass alle Beteiligten konsensfähig sind
Hans-Jürgen Morgenstern, Gemeinderat, Ortsvorsteher Gamshurst

Der Gemeinderat und Gamshurster Ortsvorsteher Hans-Jürgen Morgenstern (Freie Wähler) stieß in das gleiche Horn: „Ich bin der Meinung, dass alle Beteiligten konsensfähig sind.“ Man habe Gespräche mit den Jagdpächtern geführt.

Die Abschusszahlen würden steigen. Eine Ausgliederung sei zwar generell denkbar, allerdings müssten in diese Entscheidung auch die betroffenen Ortschaftsräte eingebunden werden.

Morgenstern regte eine Änderung der Beschlussvorlage an, die vorsieht, den Pächtern weitere zwei Jahre Zeit zu geben, ihnen die Wildschäden in Rechnung zu stellen und nach Ablauf der Frist abermals über das Thema zu entscheiden.

Der Wagshurster Ortsvorsteher und Gemeinderat Ulrich Berger (CDU) stimmte dem zu und legte die Abschusszahlen des Jagdreviers in seiner Ortschaft dar. So seien im vergangenen Jahr in Wagshurst 65 Stücken Rehwild zur Strecke gebracht worden. 2016 seien es noch 37 gewesen.

Gemeinderat Alois Berger-Köppel (SPD) stellte in Frage, dass mit dem Abschuss des Wildes das Problem tatsächlich gelöst wird. „Der in den Richtlinien vorausgesetzte Begriff von Nachhaltigkeit ist nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagte Berger-Köppel.

So habe auch das Wegreißen von Feldgehölzen und das Setzen auf Monokulturen, insbesondere auf Fichten, zu den Problemen im Wald geführt. „Ich will, dass meine Enkelkinder auch noch Rehe auf dem Feld zu Gesicht bekommen“, sagte er.

Darüber hinaus solle man sich nicht darauf verlassen, dass sich die Jäger diese Form des Umgangs gefallen lassen und sich letztendlich zurückziehen, womit auch niemandem geholfen sei.

Regiebejagung als Alternative

Martin Siffling (Grüne) stellte heraus, dass das viele Rehwild die Zusammensetzung des Biotops beeinflusse und eine erhebliche ökologische Belastung darstelle. Er zeigte auch die Möglichkeit der Regiebejagung, das heißt das Jagen durch beauftragte Jäger, auf. „Ich hoffe, dass wir in Achern nicht so einen Weg gehen müssen“, stellte er klar.

Letztendlich entschieden sich die Ausschussmitglieder einstimmig dem Gemeinderat zu empfehlen, den Jägern weitere zwei Jahre Zeit zu geben, um die Situation zu verbessern und das Zertifikat gegebenenfalls zurückzuerlangen.

Jägervereinigung kritisiert Forderung nach mehr Abschüssen

Rainer Hempelmann, Vorsitzender der Jägervereinigung Kehl-Achern, sieht den Druck, der auf die Achener Jäger ausgeübt wird kritisch: „ Einfach mehr zu schießen, kann nicht die Lösung sein“, sagt er auf Anfrage dieser Zeitung. Oftmals würden andere Faktoren, die zu Verbiss führen, ausgeblendet.

Die Holzwirtschaft, aber auch Menschen, die den Wald in ihrer Freizeit nutzen, würden Wild in Deckungen treiben, wo es dann verstärkt zu Verbiss komme.

Hempelmann verweist auch auf Forschungen der Forstlichen Forschungs- und Versuchsanstalt in Freiburg, die aufzeigen würden, dass Verbiss und Wilddichte nicht zwangsläufig miteinander korrelieren. „Wald und Wild gehören zusammen. Auch ein Reh ist eine lebende Kreatur“, so Hempelmann.

nach oben Zurück zum Seitenanfang