„Hoffentlich erkennt der Träger dies als das, was es ist: Ein ordentlicher Schuss vor den Bug.“ Kommentare wie dieser auf der BNN-Facebook-Seite zeigen, dass sich die Stadt Achern im Zusammenhang mit der Kündigung durch sieben Erzieherinnen der Acherner Kindertagesstätte „St. Nikolaus“ kritischen Fragen stellen muss. Die haben auch die betroffenen Eltern. Sie fragen sich: „Gibt es wirklich den von der Stadt versprochenen Neustart – oder gehen eher die Lichter aus?“
Der Bericht über die aktuellen Ereignisse hat viele Menschen in der Region bewegt. Sieben Erzieherinnen, darunter die Leiterin und ihre Stellvertreterin kündigten innerhalb weniger Wochen ihre Jobs – sie beklagen Eltern gegenüber eine „Dauerbelastung“ und „mangelnde Loyalität seitens des Arbeitgebers“.
Die Stadt reagierte auf den Personalengpass mit Einschränkungen der Öffnungszeiten sowie zusätzlichen Schließtagen an „Brückentagen“ und in Ferienzeiten. Gleichzeitig versprach sie einen personellen und inhaltlichen „Neustart“.
Eltern befürchten massive Probleme
Die Situation ist ziemlich verfahren. Das Personal, das den BNN gegenüber nicht über Sorgen und Nöte reden will oder darf, klagt über eine hohe Arbeitsbelastung, die Eltern sehen mit der Abkehr von den bisherigen flexiblen Betreuungsformen zum Teil massive Probleme auf ihre Familien zukommen, während die Stadtverwaltung als Trägerin der Tageseinrichtung um Schadensbegrenzung bemüht ist.
Auf diverse Fragen dieser Redaktion schickte Oberbürgermeister Klaus Muttach zwar eine umfangreiche Stellungnahme, ließ aber auch entscheidende Fragen unbeantwortet.
"Vorsätzliche Körperverletzung"
Die Eltern glauben, dass die Stadt Achern angesichts des seit längerem bekannten häufigen Personalwechsels hätte früher reagieren müssen. Sie stellen sich hinter das Team, sehen es einer „extremen psychischen Belastung“ ausgesetzt und sprechen in diesem Zusammenhang gar von einer „vorsätzlichen Körperverletzung“.
Deshalb machten sie im Gespräch keinen Hehl aus ihren Befürchtungen, dass weitere Kündigungen folgen könnten. Für „Erstaunen“ sorgte bei den Eltern auch der Hinweis der Stadtverwaltung, dass trotz der angekündigten Reduzierung der Öffnungszeiten weiterhin die gleichen Gebühren zu zahlen seien.
Hohe Fluktuation
Zum Hinweis der Eltern auf die schon in der Vergangenheit hohe Fluktuation in diesem Kindergarten verweist Oberbürgermeister Muttach auf die teilweise sehr lange Beschäftigungsdauer des Stammpersonals.
Er sah sich außerstande, konkrete Angaben zur Zahl der in den vergangenen Jahren erfolgten Kündigungen zu machen, räumte aber eine „überdurchschnittlich hohe Fluktuation bei neu hinzugekommenen Beschäftigten“ ein. Seit Januar 2019 hätten bis dato insgesamt zwölf Erzieherinnen gekündigt. Die Gründe für diese Fluktuation seien „definitiv“ nicht der Stadtverwaltung anzulasten: „Insoweit gab es auch keine Hinweise, auf die wir als Stadtverwaltung mit Gegenmaßnahmen hätten reagieren können.“
Arbeitsmarktzulage
Man schätze die Arbeit der Leitung und des Kindergartenteams und nehme auch die Belastung der Erzieherinnen wahr. Muttach: „Wir wollen unsere Wertschätzung für diese Belastung zumindest in der eingeführten Arbeitsmarktzulage zum Ausdruck bringen.“ Wie berichtet, sollen das Personal in dieser Einrichtung ein Jahr lang eine Zulage von 250 Euro monatlich erhalten.
Herausforderung und Chance zugleich
In dem versprochenen „Neustart“ sieht Muttach „eine Herausforderung, aber auch eine Chance“. Man nehme Neueinstellungen vor, außerdem gebe es das Angebot zweier Tagesmütter zur Mitarbeit.
Darüber hinaus seien Erzieherinnen aus anderen Einrichtungen auf freiwilliger Basis zur Mitarbeit in „St. Nikolaus“ bereit. Man wolle andere Einrichtungen aber nicht schwächen. Im Übrigen zeigte sich Muttach optimistisch: Beeinträchtigungen bei der Gewinnung von Personal für die anderen Kindertageseinrichtungen in Achern seien „nicht zu erwarten“.
Keine Gebührenreduzierung in Schließzeiten
Und auch zum Thema Gebühren nimmt Muttach Stellung: Wenn Eltern andere Betreuungsformen wählen, werde man die Gebühren entsprechend anpassen.
Kein Entgegenkommen sei während der erweiterten Schließzeiten möglich – „aus rechtlichen Gründen“. Ohnehin decken die von den Eltern zu zahlenden Gebühren „nur zwölf bis 14 Prozent der Kosten“.