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Neue Vorgaben aus Stuttgart

Klärschlammentsorgung in der Ortenau: In Südbaden verbrannt und als Dünger aufs Feld

Mit der Entsorgung zehntausender Tonnen von Klärschlamm plagen sich die Kommunen nun schon seit Jahrzehnten herum. Neue Vorgaben aus Stuttgart haben das eigentlich erledigt geglaubte Problem jetzt wieder auf den Tisch gebracht.

In einer Halle wird Klärschlamm zwischengelagert.
Ein Thema seit Jahrzehnten: Wohin mit dem Klärschlamm? Zuletzt wurde er bei der Papierfabrik Koehler in Oberkirch verbannt - und alle waren zufrieden. Mit Ausnahme des Landes, das sich um die Verschwendung von Phosphor sorgt. Foto: Nicolas Armer/dpa

Das Thema ist ein wenig anrüchig – und denkbar unsexy. Und dennoch ist darüber mancher Bürgermeister alt geworden und in Rente gegangen. Die Entsorgung von Klärschlamm begleitet die Kommunen in der Region seit Jahrzehnten. Mit jedem neuen Aufschlag hofft man, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Jetzt gibt es einen neuen: Die Schlämme sollen in Südbaden verbrannt und dann auf die Felder gekarrt werden. Die Ansage dazu kommt aus Stuttgart.

Das Land will den in den Schlämmen enthaltenen Phosphor zurückgewinnen. Immerhin: Der Bürger, der für Wasser und Abwasser inzwischen herzhaft zur Kasse gebeten wird, soll davon nur wenig merken. Die Mehrkosten lägen lediglich „im Centbereich“, sagt der Kappelrodecker Bürgermeister Stefan Hattenbach. Er leitet den interkommunalen Zweckverband von 13 Kommunen und Abwasserverbänden aus der nördlichen und mittleren Ortenau.

Klärschlammtrocknung war immer nur ein Notventil.
Ralph-Edgar Mohn, Abwasserzweckverband Raum Offenburg

Die Entsorgung der 23.000 Tonnen Klärschlamm, die in der nördlichen Ortenau regelmäßig anfallen, ist ein wenig die Kulturgeschichte des Umgangs der Menschen mit ihrer Umwelt. Vor drei Jahrzehnten hat man die Schlämme noch einfach auf die Felder geworfen – und sich dann über Schwermetalle in Lebensmitteln gewundert.

Mit diesem Schock begann ein gewundener Weg der jetzt, man errät es fast, wieder da endet, wo alles angefangen hatte: In der Landwirtschaft. Das Land hat das Thema „Phosphor“ ganz oben auf die Agenda gesetzt, beinahe hätte der Ortenaukreis deshalb eine Biotonne einführen müssen, weil man das seltene Element so aus dem Hausmüll filtern wollte. Nur knapp hat es der Kreis geschafft, dem Land zu vermitteln, dass seine Müll-Musteranlage auf dem Kahlenberg diese Aufgabe auch erfüllen kann.

Thema Phosphor kommt mit Wucht zurück

Nun kommt das selbe Thema beim Klärschlamm mit Wucht zurück. Bis 2029 müssen die Kommunen sich von einer überaus bequemen Lösung verabschieden: Der Verbrennung der Rückstände im Heizkraftwerk der Firma Koehler in Oberkirch. Denn dort würde der Schlamm mit anderen Brennstoffen gemischt, die Schlacke dann einfach auf die Felder zu werfen, würde nicht funktionieren. Gesucht wird eine so genannte „Monoverbrennungsanlage“, wie sie in Stuttgart und Karlsruhe bereits laufen. So könnte der Phosphor möglichst sortenrein dort landen, wo er ganz überwiegend genutzt wird: als Dünger in der Landwirtschaft.

Die Verbrennungsanlage soll jetzt im südbadischen Forchheim entstehen. Städte und Gemeinden aus der Region stehen Schlange, um dorthin zu liefern. Und so hat gerade ein Gemeinderat nach dem anderen das Thema auf der Tagesordnung. Bislang, so Stefan Hattenbach, haben alle zugestimmt. Das freilich ist kein Wunder – die Kommunen haben kaum eine Wahl.

Kommunen haben viel Geld ausgegeben

„Die Entscheidungsträger haben die Not, wohin mit dem Schlamm“, sagt Ralph-Edgar Mohn, Geschäftsführer des Interkommunalen Zweckverbands Abwasser Ortenaukreis (IZAO). Mohn ist zugleich Geschäftsführer des Abwasserzweckverbands Raum Offenburg und damit tief drin im Thema. Denn auf dem Verbandsgelände in Griesheim haben die Kommunen aus der nördlichen und mittleren Ortenau in den 90er Jahren viel Geld ausgegeben, um den Klärschlamm loszuwerden. Dort entstand 1994 eine Trocknungsanlage, deren mit Grafitti verschmiertes Betriebsgebäude man heute noch von der Autobahn aus sehen kann.

Das Ziel damals: Den Schlamm so zu trocknen, dass er auf Mülldeponien kann. Doch bald hatte man eine bessere Idee. Die Lastwagen wurden in die neuen Bundesländer umgelenkt, um die weitläufigen Narben des Tagebaus in der ostdeutschen Landschaft mit den West-Schlämmen zu verfüllen. „Landbauliche Verwertung“ nannte man das. Die Klärschlammtrocknung, teuer und aufwändig, war so bald überflüssig: „Das war immer nur ein Notventil, wenn der Schlamm wegen der Grenzwerte auf die Deponie musste.“ Mit der Verbrennung bei Koehler hatte sich dies dann endgültig erledigt. Die teure Anlage war Edelschrott.

Hormone folgen auf Schwermetalle

Bei all diesem Hin und Her spielen auch immer die im Schlamm enthaltenen Schadstoffe eine wichtige Rolle. Die Schwermetalle, sagt Mohn, habe man direkt bei den Produzenten der Abwässer in den Griff bekommen. Doch inzwischen haben sich die Probleme gewandelt: An Stelle der giftigen Metallrückstände sind organische Stoffe getreten – zum Beispiel Medikamente oder Hormone. Die werden zwar durch die Verbrennung zerstört, sagt Mohn. Dennoch wolle man auch hier an der Quelle arbeiten: „Werfen Sie“, so sein Appell an die Bürger, „alte Medikamente nicht in die Toilette.“

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