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Analyse von Strafdauern

Landgerichte Baden-Baden und Offenburg: Anderer Ort, andere Strafe?

Wie hart das Urteil nach einer Straftat ausfällt, liegt neben der Tat auch daran, wo der Täter vor Gericht steht. So sind die Strafen einer Analyse nach im Landgerichtsbezirk Baden-Baden oft vergleichsweise höher als im Bezirk Offenburg.

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Symbolbild. Foto: Keystone
Wie hart das Urteil nach einer Straftat ausfällt, liegt neben der Tat auch daran, wo der Täter vor Gericht steht. So sind die Strafen im Landgerichtsbezirk Baden-Baden oft vergleichsweise höher als im Bezirk Offenburg. Das ergab eine Analyse des Wissenschaftlers Volker Grundies vom Max-Planck-Institut.

Im Bezirk Baden-Baden sind die Strafen rund 15 Prozent kürzer als im bundesweiten Durchschnitt. Die Verurteilten erhalten über alle Deliktarten hinweg im Schnitt eine Strafdauer von 3,4 Monaten. 3,9 Monate sind es bundesweit. Und 3,1 Monate bekommen die Verurteilten im Bezirk Offenburg durchschnittlich – 22 Prozent weniger als im Bundesvergleich. Das geht aus einer Grafik von Spiegel Online hervor.

Unterschiedliche Härte bei verschiedenen Delikten

Sind die Richter in Baden-Baden also strenger als in Offenburg? Dabei kommt es auf die Art des Delikts an. So ergibt die Analyse, dass wegen Drogendelikte Verurteilte aus dem Bezirk Offenburg sogar einige Tage länger sitzen müssen als Baden-Badener, aber 18 Prozent kürzer als im Durchschnitt aller Landgerichtsbezirke. Bei den Verkehrsdelikten liegt die Strafdauer im Bezirk Offenburg genau im bundesweiten Mittel, im Nachbarbezirk ist sie niedriger. Doch wer sich in Baden-Badener Gebiet des Diebstahls oder der Unterschlagung schuldig macht, muss mit höheren Strafen als in Offenburg rechnen, ebenso ist die Lage bei Gewaltdelikten und Beleidigung und Raub.

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Verschiedene Deliktarten: Mal sind die Richter im Bezirk Baden-Baden strenger, mal die in Offenburg. Foto: BNN

Keine festgelegten Strafen

Rüdiger Moll, Richter am Landgericht Offenburg in Zivil- und Strafsachen, mahnt zur Vorsicht, anhand Grundies‘ Analyse davon auszugehen, dass die Strafen in Landgerichtsbezirk Offenburg milder seien als in Baden-Baden: „Wenn man genau hinsieht, wird man meistens doch beachtliche Unterschiede finden, die eine höhere oder mildere Strafe rechtfertigen.“ Der Gesetzgeber sehe einen Strafrahmen vor, innerhalb dessen die Richter urteilen, und keine festgelegten Strafen für ein bestimmtes Delikt. „Dabei werden Gesichtspunkte, die für den Täter sprechen, gegen solche Umstände abgewogen, die gegen ihn sprechen.“ Auf der einen Seite könnten das beispielsweise ein Geständnis, Reue oder Schadenswiedergutmachung sein, auf der anderen Seite einschlägige Vorstrafen oder auch ein großer Schaden. „Es liegt auf der Hand, dass es angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens kaum Fälle geben wird, die genau gleich gelagert sind“, ergänzt Moll. Die Strafen seien Abwägungsentscheidungen.

Strafen seien nicht unangemessen hoch oder niedrig

Durch die Analyse ergebe sich, so Moll, kein Anhaltspunkt dafür, dass die im Bezirk Offenburg „verhängten Strafen unangemessen milde Sanktionen für das jeweilige Fehlverhalten wären“. Auch gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass andererseits „die in Baden-Baden verhängten Strafen unangemessen hoch wären“. Die Pressestelle des Landgerichts Baden-Baden kann keine Auskunft zu dem Thema geben, ebenso wenig die Staatsanwaltschaft Baden-Baden, da solche Daten dort nicht erhoben werden. Die Staatsanwaltschaft Offenburg teilt mit, dass sie auch keinen Vergleich ziehe, aber Entscheidungen vom Einzelfall abhängig seien.

Großer Ermessensspielraum für Richter

Woher kommen die unterschiedlichen Urteile der Richter? Rüdiger Moll erklärt, dass die Strafrahmen oft sehr weit gefasst sind und somit ein großer Ermessensspielraum bestehe. Nach dem Gesetz könne beispielweise ein einfacher Diebstahl mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Moll wolle aber auch nicht verneinen, dass sich die Strafrichter daran orientierten, was sie bei ähnlichen Sachverhalten für Strafen gegeben hätten.

Unterschiedliche Ansätze für Angleichung

Um die Strafpraxis bundesweit anzugleichen, würden in der Wissenschaft unterschiedliche Ansätze diskutiert, berichtet Moll. Eine Idee sei, dass der Gesetzgeber genauere Vorgaben mache, zum Beispiel Richtlinien, die das Ermessen der Strafgerichte mehr einschränken oder auch mehr Kontrolle der Revisionsgerichte.

Rüdiger Moll ist selbst der Ansicht, dass Richter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Datenbanken ausreichend Möglichkeiten hätten, sich einen Überblick über die Entscheidungen anderer Strafgerichte zu verschaffen. „Diese Datenbanken enthalten in anonymisierter Form die Entscheidungen anderer Gerichte, in denen auch die Strafzumessung niedergelegt ist“, erläutert er.

Strafdauern

Die Einwohner in Baden-Württemberg kommen besser davon als der Durchschnittsdeutsche. Mit Ausnahme des Landgerichtsbezirks Stuttgart, der genau den Mittelwert trifft, sind die Strafen im Bundesland wenige bis mehr als 20 Prozent unter dem Durchschnitt. In Freiburg sind sie bundesweit am kürzesten: 23 Prozent unter dem Mittelwert. In Bayern dagegen ist es umgekehrt: Lediglich im Bezirk Schweinfurt ist die Strafdauer niedriger als im Bundesvergleich, ansonsten urteilen die Richter strenger als die meisten anderen. Besonders lang sind die Strafen in den Landgerichtsbezirken München I und München II (24 und 23 Prozent über dem Durchschnitt). Zum Vergleich: Die durchschnittliche Strafdauer in München I beträgt 4,9 Monate, im Bezirk Offenburg ist es mehr als ein Monat weniger. Auch Frankfurt am Main und Essen kommen mit rund 4,6 Monaten auf hohe Werte, während im Norden in den Bezirken Kiel, Itzehoe und Flensburg die Richter ähnlich niedrige Strafen vergeben wie im badischen Landesteil.

Zuständigkeiten

Zum Landgerichtsbezirk Baden-Baden zählen die Amtsgerichtsbezirke Achern, Baden-Baden, Bühl, Gernsbach und Rastatt. Im benachbarten Landgerichtsbezirk Offenburg gibt es die Amtsgerichte Kehl, Gengenbach, Lahr, Oberkirch, Offenburg und Wolfach.

Die Analyse

Volker Grundies analysierte 1,5 Millionen Entscheidungen aller rund 800 deutschen Amts- und Landgerichte aus den Jahren 2004, 2007 und 2010. Dabei berücksichtigte er Faktoren wie die Schwere der Tat, Vorstrafen, mildernde Umstände, Alter, Nationalität und Geschlecht der Verurteilten.

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