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Wertvolles Zeitzeugnis

Mitglied des Großweierer Heimatvereins hat 120 alte Häuser ab 1700 dokumentiert

Ein Mitglied des Großweierer Heimatvereins hat in zehn Jahren Arbeit 120 alte Häuser ab 1700 dokumentiert.

Alte Häuser Serie - s´Bihlers von 1785 im Großweierer Ortsteil Hesselbach
1785 erbaut: Das Haus „s’Bihlers“ im Hesselbach. An dem Standort stand bereits 1701 ein Haus von Johann Jakob Brunner. Foto: Roland Spether

Wenn Kinder in früheren Zeiten auf dem Weg zur Schule mit Leuten Scherze machten, nachmittags im Großweierer Dorfbach herumtollten oder über den Zaun in Nachbars Garten kletterten, konnte es gut sein, dass Erwachsene sie gefragt haben: „Wem gehört ihr denn, in welchem Haus wohnt ihr?“ Dann haben die Kinder verschmitzt geantwortet: „Ich wohne in s’Wendels Joseffe, der Anton gehört dem Ziise Saveri und die Maria ist in s’Dicke Naaze daheim.“

Wenn die fragende Person dann bei den Eltern über die frechen Kinder meckern wollte, aber nicht aus Großweier kam, hatte sie keinen blassen Schimmer, wo die Buben mit roten Backen und die Mädchen mit langen Zöpfen wohnten. Doch bei den Einheimischen funktionierte dieser Trick nicht, denn die wussten genau, welche Familien mit Hausnamen wie „s’Räddi Mesmers“, „s’Boldiins“ oder „s’Rumaale“ gemeint sind. Damit auch, wo die Lausbuben wohnen und ob auch Mädchen bei den lustigen Streichen mitmachten.

Geschichte von 179 Häusern akribisch erforscht

Die Hausnamen im „Groschwierer Dialekt“ sind bis heute eine Spezialität im Dorf, die es früher auch andernorts gab, aber oft verloren ging.

Nicht so in Großweier: Rolf Federle von der Arbeitsgruppe „Historik Großweier“ hat über mehrere Jahre die Geschichte von 179 Häusern akribisch erforscht, dokumentiert und als Buch (erhältlich in der Ortsverwaltung) veröffentlicht, das ein einzigartiges Zeitdokument über die Häuser eines Dorfes, deren Erbauung, Eigentümer und Familien aus dem frühen 18. Jahrhundert bis in die Neuzeit ist. Viele Häuser haben über diese lange Zeit ihr Gesicht verändert oder mussten neuen weichen. Es gibt aber noch einige wie das Haus „s’Bihlers“ von Christel und Herbert Bühler, das 1785 im Ortsteil Hesselbach errichtet wurde.

Der erste bekannte Besitzer des Hauses auf dem heutigen Standort war ein Johann Jakob Brunner, dessen Anwesen 1705 als „Behausung, Hofreite, Scheuer und Stallung samt einem Garten“ beschrieben wird. Er war von 1683 bis 1685 Schultheiß, von 1698 bis 1700 wird er als Heiligenpfleger genannt.

Der erste Bühler auf diesem Haus ist Johann Jakob Bühler aus Litzloch, der 1714 die Enkelin von Johann Jakob Brunner heiratete. Er überschrieb das Anwesen seinem Sohn Michael, der 1770 eine „testamentarische Disposition“ traf. Darin setzte er seine drei Kinder aus der ersten Ehe mit Ottilia Müller sowie die drei Kinder aus der Ehe mit Katharina Schimpf als wahre Erben ein. „Er klagt aber darüber, dass seine drei Kinder aus der ersten Ehe Alexander, Leonhard und Meinrad sich zu seinem großen Verdruss in die Fremde begeben hätten, obwohl er sie zur Haus- und Feldarbeit höchst benötigt hätte. Sie sollen deshalb nur den Pflichtteil erhalten.“

Buch ist wertvolles Zeitzeugnis für Großweier

Nach dem Tod von Michael Bühler wird Gregor Bühler der Erbe, er ist auch Bauherr des heute noch stehenden Hauses, das laut dem Eckbalken 1785 erbaut worden sein soll. Dieser Gregor Bühler ist 1798 auch Vorträger für die Abgaben aus dem markgräflichen Lehengut im Hesselbach, das zu diesem Zeitpunkt an den Freiherrn Georg Adam von Kinningen verliehen ist.

Die Quellen seiner Recherchen hat Federle sehr genau belegt, jedes Haus ist in dem über 270 seitigen Buch mit Hausname, Namensgeber und Straße aufgelistet. Bei fast allen ist ein historisches Foto dabei. Auf manchen posieren fein angezogene Bewohner vor ihrem Haus, auf anderen sind Fuhrwerke mit Ochsen und Pferden zu sehen oder wie um das Haus ein Garten mit Obstbäumen angelegt ist.

Das macht die unglaublich zeitintensive und fachlich versierte Arbeit des Autors zu einem wertvollen Zeitzeugnis eines Dorfes, da sich darin auch viele Informationen über die Besitzer und deren Nachkommen, über Münzen, Maße und Gewichte und das mühsame Leben der Bauern, Handwerker, Tagelöhner und die Familie befinden, die oft nur mit einer Kuh, einem Schwein, ein paar Hühnern und Ackerland über die Runden kommen mussten. Wenn sich dann noch Missernten, Hunger und Krieg einstellten, dann war die Not noch größer, so dass 400 Großweierer den Ort in der Hoffnung verließen, über dem „Großen Teich“ ein neues, besseres Leben zu finden.

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