Was treibt den Protest gegen die Corona-Maßnahmen an? Drei Stunden im Acherner Stadtgarten boten an diesem Samstag einen Einblick in eine Bewegung, die keine Probleme damit hat, wüste Verschwörungstheorien und nachvollziehbare Sorgen unter einen Hut zu bringen.
Lösungen wurden nicht angeboten – dafür Theorien von weltumspannenden finsteren Mächten ebenso wie die Ankündigung massiven Widerstands gegen alle Corona-Maßnahmen der Regierungen – vergangene, zukünftige, aktuelle und eingebildete.
Rund 300 Menschen waren zur ersten Acherner Demonstration gegen die Beschränkungen des öffentlichen Lebens gekommen, nach Angaben des Veranstalters ein paar mehr, laut Polizei einige weniger. Allerdings leerte sich die Stadtgarten-Wiese mit zunehmender Länge der Rednerliste doch sichtbar.
Enorme Bandbreite an Meinungen
„Ich bin aus Neugierde gekommen“, sagte ein Besucher am Ende der Kundgebung, die von einem starken Polizeiaufgebot begleitet wurde, ein anderer sprach es offen aus: „Es wird Zeit, dass das Volk aufsteht gegen diese Politiker“. Zwei Aussagen, die die enorme Bandbreite der an diesem Tag vertretenen Meinungen ebenso widerspiegelten wie die doch sehr unterschiedlichen Menschen, die dem Aufruf „Zeig Dein Gesicht für die Grundrechte“ gefolgt waren.
Wir habe keine Infizierten und schon lange keine Erkrankten mehr.Hubert Kraus, Organisator der Kundgebung
Initiator Hubert Kraus, Unternehmer aus Achern, hat inzwischen Erfahrung mit solchen Veranstaltungen. 18 Kundgebungen hat er nach eigenen Worten bereits organisiert, beginnend bereits mit dem Corona-Lockdown. „Wir haben“, so sagt er, „keine Infizierten und schon lange keine Erkrankten mehr“.
Auch wenn die Maßnahmen inzwischen bei weiten nicht mehr so einschneidend sind wie in diesem Frühjahr – der Protest geht weiter. Die Gründe sind vielfältig. Für einen Redner war die Pandemie nicht viel mehr als statistisches Atmen bei den Tests, die sowieso alle fehlerhaft seien, ein anderer bemühte eine seit Monaten in den sozialen Medien kursierende Liste, nach der Covid-19 angesichts anderer Todesursachen praktisch nicht ins Gewicht falle.
In puncto Mund-Nasen-Schutz ist man sich einig
Alle aber sind sich einig: Die Maskenpflicht ist von Übel. So trug an diesem Nachmittag auch nur eine verschwindend geringe Minderheit Mund-Nasen-Schutz, doch wer es tat, wurde in Ruhe gelassen. Man solle, so hatte Hubert Kraus gleich eingangs der Kundgebung gesagt, Andersdenkenden nicht aggressiv gegenübertreten, sonst sei die Basis für einen Dialog gleich dahin.
Vereinzelt legten die Redner die Latte für einen solchen allerdings recht hoch – beispielsweise mit wilden Mutmaßungen darüber, dass Menschen nach einem (gegebenenfalls falschen) Corona-Test eingesperrt würden, um nach der Behandlung mit gefährlichen Medikamenten „an Covid-19“ zu sterben.
Oder mit Spekulationen über eine Weltverschwörung, über deren Existenz man „zumindest mal nachdenken“ müsse. Das Ganze gewürzt mit dem Hinweis auf Medienberichte über Festnahmen von Corona-Demonstranten in Australien, und schon ist die nächste Theorie zusammengezimmert, die sich in den Köpfen festsetzt.
Auch vernünftige Menschen unter den Demonstranten
Nicht alle glauben, das merkt man am durchaus wechselhaften Beifall an diesem Nachmittag, gleich jede These aufs Wort. Doch die Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie teilen viele. Wie das Paar aus dem Ried, das nicht auf seiner ersten Corona-Demo ist. „Ich wurde schon bei der Schweinegrippe misstrauisch“, sagt die Frau, doch damals habe das nicht so richtig geklappt, sagt sie, und lässt offen, was genau sie meint.
Es sind zwei vernünftige Menschen, das merkt man, wenn man mit ihnen redet, sie haben sich schlau gemacht, wissen so viel über die Pandemie, wie man nur wissen kann, wenn man aufmerksam den Nachrichten gefolgt ist. Und doch: „Nein“ sagen sie wie aus einem Mund auf die Frage, ob sie nicht selbst Sorge hätten, sich mit dem Virus anzustecken. Die ganzen Maßnahmen halten sie für unbegründet.
Es gibt kein Leben ohne RisikoEiner der Redner im Stadtgarten
Das ist typisch für die Stimmung an diesem Nachmittag. Eine Art feindselige Gelassenheit, wenn es so etwas überhaupt geben kann. Man hat es sich auf Decken gemütlich gemacht, feixt, wenn ein Redner mal richtig austeilt, klatscht, freut sich, so etwas wie Gleichgesinnte gefunden zu haben. Alles entspannt, nicht so wie bei anderen Kundgebungen dieser Art.
Und letztlich will man allen trotzig die Stirn bieten – der Politik natürlich, über die sich viele genervt zeigen, den Ärzten und Wissenschaftlern, aber auch dem Virus, ob es nun existiert oder nicht. „Es gibt kein Leben ohne Risiko“, ruft einer der Redner. Das könnte gut als das heimliche Motto dieses Nachmittags durchgehen.