Der Aufgabenkatalog hat Format und beinhaltet zahlreiche Empfehlungen. Es geht um die Sensibilisierung der Menschen für den Artenschutz im Nationalpark Schwarzwald. Es geht um Kommunikation, um Freizeitangebote und darum, wie Konflikte zwischen Natur und Mensch möglichst gering gehalten werden können. Es sind essentielle Fragen mit Blick auf die Nationalpark-Zukunft.
Eines jedoch beschäftigt die Menschen in der Region und weit darüber hinaus ganz besonders: Die Anbindung des Ruhestein, Sitz der Parkverwaltung und des Besucherzentrums, durch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) an den urbanen Raum.
Der Meinungsbildungs-Prozess zu diesen Themen mit unterschiedlichen Beteiligungsformaten erstreckte sich über einige Monate, berichtet Britta Böhr als stellvertretende Leiterin des Nationalparks im Gespräch mit dieser Redaktion.
Bürgerforum übergibt Empfehlungen am 21. Juli an Umweltministerin Thekla Walker
Nun ist das Päckchen geschnürt. Am 21. Juli übergibt das Bürgerforum die Empfehlungen persönlich an Umweltministerin Thekla Walker (Bündnis 90/Die Grünen). Die bekommt an diesem Tag zudem Lesestoff vom Nationalparkrat und -beirat. Diese haben ebenfalls Ideen ausgearbeitet.
„Das Umweltministerium nimmt die empfangenen Empfehlungen als Grundlage für die weiteren Überlegungen zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Nationalparks auf“, schreibt die Nationalpark-Verwaltung in einer Pressemitteilung.
Digital und analog: In diesem Zweiklang bewegte sich der Findungsprozess. In einer ersten Runde stellte der Nationalpark die Themenkomplexe vor: Prozess- und Artenschutz, Nationalpark und Region, Bildung und Teilhabe, Infrastruktur und Verkehr sowie Freizeitnutzung.
Dazu durften die Bürgerinnen und Bürger Ideen formulieren und Meinungen äußern. In Stufe zwei wurden die Forderungen aus dem Bürgerforum zur Diskussion gestellt. Britta Böhr ist äußerst angetan, mit welcher Kompetenz und Begeisterung alle Beteiligten ans Werk gingen.
Vor allem im Bürgerforum: 50 zufällig ausgewählte Menschen – von Teenager bis Senior, aus den Anrainer-Kommunen ebenso wie aus anderen Teilen Baden-Württembergs – trafen sich da seit Mai 2022.
Die Teilnehmer kannten sich vorher nicht, „es war faszinierend, wie schnell alle zusammenfanden und das ohne teambildende Maßnahmen“, bilanziert die stellvertretende Nationalparkleiterin. Vor allem die jungen Teilnehmer hätten sich so erfreut wie erstaunt gezeigt, dass sie eingeladen wurden und ihre Meinung gefragt war.
Es geht um möglichst viele Meinungen und Perspektiven
Es war eine Strategie – und sie ging offenbar auf: Das Dossier zur Weiterentwicklung des Nationalparks sollten eine „große Vielfalt der Meinungen widerspiegeln und möglichst viele Perspektiven berücksichtigen“, so die Pressemitteilung des Nationalparks.
Der daraus resultierende Katalog an Empfehlungen zeigt: Es gibt einige Baustellen. Eine davon ist der ÖPNV. Das dokumentieren schon die Anregungen, die im Zuge der ersten Beteiligungsphase von außen kamen.
Ein Mountainbiker aus Baden-Baden schreibt, dass er, um der Abwechslungen willen, das Rad auch mal mit dem Auto zum Ruhestein fährt. „Gerne würde ich den ÖPNV für Fahrten nutzen. Leider wurde mir bereits dreimal die Mitfahrt in der Linie X45 verwehrt. Und das, obwohl die Busse jeweils annähernd leer waren.“
Eine für Radfahrer sinnvolle Gestaltung des ÖPNV „würde mit Sicherheit zur Verkehrsberuhigung beitragen“. Auch für Nationalpark-Vizechefin Böhr ist klar, es gibt beim ÖPNV Luft nach oben.
Die Busse zum Ruhestein sind derzeit entweder proppevoll oder leer.Britta Böhr, stellvertretende Nationalparkleiterin
Doch bei diesem Thema reden viele Parteien mit: Die Verkehrsverbünde ebenso wie die Landesregierung, dazu die betroffenen Land- und Stadtkreise und andere mehr. Sie stehen über den Verkehrssteuerkreis bereits im Austausch. Längst hat sich bei den Bussen herauskristallisiert: „Sie sind entweder proppevoll oder leer“, sagt Böhr.
Zur Information: Die Linie X45 fährt vom Bahnhof Baden-Baden in einer guten Stunde direkt zum Ruhestein, die Linie 400 in 39 Minuten vom Bahnhof Achern dorthin. Von Bühl geht es mit einmal Umsteigen an der Sand-Kapelle mit den Linien 263 und X45 zum Nationalpark.
Nationalpark will Kommunikation verstärken
Eine andere Geschichte ist die Bewusstseinsbildung zum ÖPNV. Nicht jeder weiß offenbar, dass es diese Busanbindungen gibt. Die Empfehlung: Mehr Information. Und Kommunikation. Das gilt nach Ansicht des Forums auch für den Nationalpark selbst. Britta Böhr räumt ein, dass die Nationalparkverwaltung da noch mehr in die Offensive gehen kann.
Möglich sind Info-Stände auf Wochenmärkten ebenso wie Besuche in Gemeinderatssitzungen mit Themenvorträgen. „Das lässt sich sehr schnell angehen“, so die stellvertretende Parkleiterin, denn das könne die Verwaltung selbst regeln. Anderes, wie die Forderung nach einer Verbindung der beiden Parkteile, benötigt Entscheidungen auf Landesebene.
Gleichwohl, es gab natürlich ein Leben vor dem Bürgerforum. „Wir sitzen hier nicht am Ruhestein und drehen Däumchen“, betont Böhr. Und wenn es einen Beleg dafür gibt, dann sind das nicht nur die steigenden Gästezahlen im Besucherzentrum am Ruhestein, sondern auch die gewaltige Resonanz durch Kooperationsschulen wie -kindergärten.
Die Ranger sowie alle anderen Mitarbeiter klagen auch nicht über Arbeitsmangel. Dazu beschäftigt sich die Parkverwaltung bereits jetzt „intensiv mit den Ergebnissen der Beteiligung“. Anregungen kamen zum Beispiel zur Besucherlenkung. Sie sollen in die Konzeption einfließen, die der Nationalpark zur Zeit mit einem Dienstleister erarbeitet.
Diese Beteiligung lebte nach Ansicht der Nationalparkverantwortlichen vor allem von der Mitsprache. Die zufällige Auswahl der Beteiligten an diesen Prozessen tut ihr Übriges: Die Entscheidungen werden unabhängig und unvoreingenommen getroffen. Und wie geht es weiter? „Unser Ziel ist es, in einem Jahr das Bürgerforum einzuladen“, so Britta Böhr. Dann soll es ein erstes Resümee geben.