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Coronavirus im Dreiländereck

Pendler aus dem Elsass sollen zu Hause bleiben - Unternehmen sind verunsichert

Das Coronavirus zwingt die Politik zum Handeln. Der Ortenaukreis schottet sich jetzt in mehrfacher Hinsicht gegen das Elsass ab, was auch die Wirtschaft unter Druck setzt. So sollen Mitarbeiter aus dem Elsass zuhause bleiben, auch für die Schulen gibt es klare Vorgaben.

Stau
Berufspendler fahren mit ihren Autos über eine Autobahn. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv

Panik oder maßvolle Vorsorge? Die rigorose Eindämmungspolitik des Ortenaukreises gegen das im Elsass rasch um sich greifende Coronavirus sorgt zunächst einmal für Eines: Verwirrung.

Vor allem die Empfehlung von Landrat Frank Scherer an die Unternehmen, Mitarbeiter aus dem Nachbarland nach Möglichkeit freizustellen, hat die Wirtschaft kalt erwischt. Denn in vielen Betrieben dürfte dies so ohne Weiteres nicht gehen.

Aktualisierung: Robert-Koch-Institut erklärt Elsass zu Coronavirus-Risikogebiet

Gerade im Hanauerland, also direkt an der Grenze, ist nicht nur die Industrie auf die Arbeitskräfte von der linksrheinischen Seite angewiesen. Sei es beim Bäcker oder im Handwerk – die Nachbarn würden an allen Ecken und Enden fehlen. „Die Unternehmen sind verunsichert“, sagt Nathalie Butz, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein.

Finanzieller Ausgleich ungeklärt

Noch ist völlig unklar, wie die Freistellung finanziell abgegolten werden soll. „Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter, die freiwillig zuhause bleiben, wenn dies der Betrieb so anordnet, auch weiterbezahlt werden“, sagt Kai Hockenjos, Sprecher von Landrat Frank Scherer. Wie dies geregelt werden soll, ist aber offen. Dies werde gerade noch mit dem Sozialministerium geklärt.

24.000 Berufspendler in Baden

8.183 Menschen pendeln Tag für Tag aus dem Elsass zur Arbeit in die Ortenau, 24.000 sind es in ganz Baden – Franzosen ebenso wie Deutsche, die im Nachbarland wohnen. Dass sie plötzlich zum Thema werden, liegt an der schnellen Verbreitung des Erregers auf der anderen Rheinseite, ausgelöst offenbar von einer freikirchlichen Veranstaltung bei Mulhouse. Nun hat sich das Virus auf den Weg nach Norden gemacht.

Landrat zieht Notbremse

Deshalb hat man im Landratsamt die Notbremse gezogen. Französische Jugendliche sollen auf den Besuch deutscher Schulen verzichten , Lehrer und die im Elsass wohnenden Mitarbeiter deutscher Unternehmen zuhause bleiben. Das aber ist nicht so einfach.

In der Ortenau sind durch Jahrzehnte grenzüberschreitender Zusammenarbeit enge Verflechtungen entstanden, die sich nicht so leicht aufdröseln lassen.

Mehrere hundert Kinder aus der Ortenau gehen auf französische Schulen – und dürfen dies auch weiterhin. Der umgekehrte Weg aber bleibt rund 150 junge Elsässern jetzt versperrt.

Viele Widersprüche

Als Symbol solcher Widersprüchlichkeiten mag ein Schulgebäude in Kehl gelten, das Gymnasiums und Realschule zugleich beherbergt. Die Realschüler unterstehen dem Schulamt, das den Empfehlungen des Landratsamts folgt und französische Schüler vom Unterricht ausschließt, die Gymnasiasten hingegen nicht. Die werden vom Oberschulamt Freiburg verwaltet. Und dort gilt das nördliche Elsass nicht als Risikogebiet.

Absagen im Minutentakt

In Kehl zeigt man den Vorgaben aus Offenburg erst einmal die kalte Schulter: „Wir haben 35 Mitarbeiter aus Straßburg, wenn wir die zuhause lassen, dann haben wir schnell Probleme“, sagt Stadtsprecherin Annette Lipowsky.

Leichter tun sich die Kommunen in der Region mit der Empfehlung, größere Veranstaltungen zu streichen. Die Absagen kamen am Dienstag praktisch im Minutentakt.

Lieferengpässe für Unternehmen

Die Wirtschaft aber ist irritiert. „Wir erhalten viele Anrufe“, sagt Kammersprecherin Butz. Ob sich die Unternehmen aus der Ortenau an die Empfehlungen des Landratsamts halten, könne man nicht pauschal beantworten. Freilich zeichne sich ab, dass das Virus die Wirtschaft ausbremst, knapp ein Drittel der Betriebe spricht von Umsatzeinbußen. 30 Prozent von Lieferengpässen.

Dann wird es kritisch

Eine ähnliche Einschätzung lieferte eine Umfrage der IHK Karlsruhe – sechs von zehn Unternehmen spüren negative Auswirkungen auf ihre Geschäfte, so Sprecherin Claudia Nehm, 40 Prozent erwarten steigende Krankenstände. „Etwa die Hälfte der Betriebe spürt schon etwas“, jetzt stelle sich die Frage, wie lange das Virus in der Region präsent ist – und ob auch gesunde Unternehmen leiden: „Dann wird es kritisch“.

Handwerk befürchtet Stillstand

Die Handwerkskammer Freiburg befürchtet „Stillstand im gesamten grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum“, wenn das Südelsass, wie am Dienstag angekündigt, wie ein Risikogebiet behandelt wird. Dies sagt Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsführung. Es bestehe die Gefahr, dass Handwerker auf Aufträge aus dem Elsass verzichten, da nicht klar sei, ob Mitarbeiter danach wieder in den Betrieb dürfen.

Unternehmen zurückhaltend

Die Unternehmen aus der Ortenau reagieren sehr zurückhaltend auf die Frage nach dem Umgang mit französischen Mitarbeitern. Eine Ausnahme machte der Europa-Park, den die Krise kurz vor der Saisoneröffnung trifft. Rund ein Viertel des Personals komme aus Frankreich, sagt Engelbert Gabriel, Sprecher der Geschäftsleitung.

Abstände in Warteschlangen

„In der Nebensaison ist das alles verkraftbar“, er gehe auch nicht davon aus, dass sich die für den 28. März geplante Parköffnung verschiebe. Man werde Vorkehrungen treffen, damit sich die Besucher nicht gegenseitig anstecken – wie Sicherheitsabstände in den Warteschlangen.

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