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Stichhaltige Argumente sollen Wespen das Leben retten

Sommer 2020: Experten sehen keine Wespen-Plage

„Es ist total daneben, Wespen als Lästlinge mit Stachel zu sehen und ihnen nach dem Leben zu trachten.” Das sagt der Acherner Kammerjäger Thomas Anzlinger. Wie er wollen auch die Experten im Landratsamt nicht von einer „Wespenplage” sprechen.

Plage oder nicht? „Es ist total daneben, Wespen als Lästlinge mit Stachel zu sehen und ihnen nach dem Leben zu trachten.” Das sagt der Acherner Kammerjäger Thomas Anzlinger. Wie er wollen auch die Experten im Landratsamt nicht von einer „Wespenplage“ sprechen.
Plage oder nicht? „Es ist total daneben, Wespen als Lästlinge mit Stachel zu sehen und ihnen nach dem Leben zu trachten.” Das sagt der Acherner Kammerjäger Thomas Anzlinger. Wie er wollen auch die Experten im Landratsamt nicht von einer „Wespenplage“ sprechen. Foto: Z1004 Peer Grimm

Wenn gelb-schwarze „Mitesser“ die Grillparty stören, greift „Mann“ gern zur finalen Gegenmaßnahme. Am Ende gibt es im besten Fall einen kurzfristigen Rückzug, einen schmerzhaften Stich oder eben ein totes Insekt. Eine „Wespenplage“ heißt es dann. Eine solche gibt es fast in jedem Sommer. Ob auch in diesem Jahr von einer „Plage“ die Rede ist, hat der ABB versucht herauszufinden.

Erste Adresse ist das Landratsamt. Dort muss man es ja wissen. Sprecher Kai Hockenjos stellt mit Hinweis auf die Erkenntnisse des Umweltschutz-Amts zunächst fest, dass Wespen von den wärmeren Wintern und der trockenen und heißen Witterung im Sommer profitieren.

Er räumt ein, dass Wespen in diesen Tagen besonders wahrgenommen werden, weil die Entwicklung der Brut größtenteils abgeschlossen ist und die erwachsenen Tiere auf der Suche nach Nahrung sind - oft in Form vom Zucker. Zusammenfassend kommt er aber zu dem Schluss: „Wir gehen nicht davon aus, dass es in diesem Jahr ein herausragendes Wespenvorkommen im Ortenaukreis gibt.“

Vielleicht hilft eine Anfrage bei denen weiter, die sich oft im Freien aufhalten. Ein Landwirt meint, er habe schon lange nicht mehr so viele Wespen gesehen wie in diesem Jahr. Das zu Boden gefallene Obst könne man kaum aufsammeln, ohne von wütenden Insekten attackiert zu werden.

Mehrere Wespen machen sich über die Trauben her
Gefundenes Fressen: Mehrere Wespen machen sich über die Trauben her - und öffnen damit der Kirschessigfliege Tür und Tor Foto: Maria Rummel

„Die sind nervig, aber für irgendwas gut. Ich weiß nur nicht für was.“

Jörg Huber, Obsterzeuger und Betreiber eines Hofladens in Önsbach widerspricht in diesem Punkt nicht, hat aber einen guten Ratschlag: „Pflückreifes Obst ernten und gleich verwerten.“ Die Wespen betrachtet er für seinen Betrieb grundsätzlich als „kein großes Problem“. Er hat beobachtet, dass in diesen heißen Tagen viele Wespen und andere Insekten die Bewässerungsanlagen auf den Feldern nutzen, um Wasser aufzunehmen. Huber glaubt nicht an eine ausgeprägte Wespenplage: „Die sind nervig, aber für irgendwas gut. Ich weiß nur nicht für was.“

Diese Frage kann Thomas Anzlinger beantworten. Er arbeitet in Achern als Kammerjäger und hält die Wespe nicht für das Problem: „Die Wespen sind Fressfeinde von Schädlingen. Sie ernähren sich beispielsweise von Blattläusen und schützen damit letztlich auch Obstbäume.“ Die allgemeinen Klagen über die Wespen sind aus Anzlingers Sicht überhaupt nicht angebracht.

Er hat seine eigene Theorie: „Die kommen von Leuten, die in ihrer digitalen Welt plötzlich mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. Dann sind sie hilflos.“ Es sei „total daneben“, Wespen als „Lästlinge mit Stachel“ zu sehen und ihnen nach dem Leben zu trachten. Für Anzlinger ist der Umgang mit diesen Geschöpfen „auch eine Frage der Bildung“.

Kaum noch Insekten am Motorradhelm

Obwohl er als Kammerjäger in bestimmten Fällen auch mal gegen Wespen vorgehen muss, mahnt er eindringlich zur Besonnenheit: „Dass es bereits 40 Prozent weniger Fluginsekten gibt als noch vor ein paar Jahren, interessiert offenbar niemanden.“ Als Motorradfahrer findet er es bedenklich, wenn er nach einer abendlichen Fahrt nur zwei Insekten auf dem Visier seines Helms findet.

„Die Tatsache, dass nur wenige Menschen mit der Lebensweise von Wespen oder Hornissen vertraut sind, hat zur Bildung von Mythen und Vorurteilen beigetragen“, erklärt Melanie von Orlow vom Naturschutzbund (Nabu). Durch eine bessere Einschätzung der jeweiligen Sachlage können selbst Hornissen und Menschen friedliche Nachbarn werden. So sei es im Sommer ratsam, süße Nahrungsmittel im Freien abzudecken. Außerdem sollte man nicht nach anfliegenden Tieren schlagen, rät der Nabu.

Kein Grund, sich vor Wespen zu fürchten, sieht auch Manfred Verhaagh. „Sie stechen nur, um sich oder ihr Nest zu verteidigen”, erklärt der Experte des Karlsruher Naturkundemuseums. Das Gift der häufigsten beiden Wespenarten – der Gemeinen Wespe und der Deutschen Wespe – sei zudem nicht so stark und gefährlich wie das der Honigbiene.

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