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Weihnachtspakete für Flut-Opfer

Wie Freiwillige aus Achern-Großweier ihren Einsatz im Ahrtal erlebten

Rund 1.000 Päckchen mit Weihnachtsgeschenken haben Freiwillige aus Großweier für Menschen im Ahrtal gesammelt. Das, was sie 17 Monate nach der Flutkatastrophe dort erwartete, hat die Helfer tief erschüttert.

Ausmaß der Zerstörung: Schutt und verwüstete Häuser beherrschen auch mehr als eineinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe das Bild im Ahrtal.
Schutt und verwüstete Häuser beherrschen auch mehr als eineinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe das Bild im Ahrtal. Foto: Oliver Zink

„Es sieht aus, als würde man in ein Kriegsgebiet fahren“, sagen Markus Herrmann und Oliver Zink. „Wir wurden zwar vorgewarnt, dass wir uns auf etwas gefasst machen sollen. Trotzdem waren wir extrem geschockt.“ Die beiden Männer aus Großweier haben gerade einen großen Berg an Spenden aus der Region ins Ahrtal gebracht. 17 Monate nach der Flutkatastrophe, inzwischen fast wieder vergessen nach all den weiteren Krisen, die im Land folgten, seien die Menschen dort froh, wenn noch jemand an sie denke.

Er fahre mit gewissen Bauchschmerzen los, hatte Markus Herrmann vorher noch im Gespräch mit der Redaktion zugegeben. Und tatsächlich: Was beide dort erlebt haben, muss jetzt erst einmal sacken. Viele Straßen seien zwar repariert, Behelfsbrücken aufgebaut, der gröbste Dreck weggeräumt. Den meisten Häusern aber sieht man weiterhin an, welche Naturgewalt dort im Sommer 2021 gewütet hat.

Schotterfelder wo einmal Häuser standen

„Zum Teil ist an den Gebäuden der erste und zweite Stock zerstört und die Fenster kaputt, während in den Etagen oben drüber Menschen wohnen“, beschreibt Oliver Zink. Auch nach unzähligen Aufräumaktionen liegt weiterhin viel Schutt herum, ganze Schotterfelder erinnern daran, dass dort einmal Häuser standen, die jetzt nicht mehr da sind. „Es sieht aus, als wäre dort Krieg gewesen. Anders kann man es nicht sagen“, meint er und schüttelt nur den Kopf, als er am Computer durch einen Ordner voller Fotos klickt, die beide bei ihrem Besuch im Ahrtal gemacht haben.

Die Helfer aus Großweier: Andrea und Oliver Zink, Markus Herrmann, Silvia Beck und Uwe Früh.
Die Helfer aus Großweier: Andrea und Oliver Zink, Markus Herrmann, Silvia Beck und Uwe Früh. Foto: Oliver Zink

Spenden sammeln Herrmann und Zink schon länger, auch wenn sie keinen persönlichen Bezug zu der Region haben: „Dass wir angefangen haben, war eigentlich eine Kurzschlussreaktion, als das Ausmaß der Zerstörung klar war“, sagt Markus Herrmann. Jetzt sammelten sie Päckchen mit Weihnachtsgeschenken, inspiriert von der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“.

Fast 1.000 Pakete kamen am Ende zusammen. „Damit hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht gerechnet“, sagt Oliver Zink. Der geplante Kleintransporter reichte nicht aus, die Firmen Hodapp und Abschleppdienst Ganter stellten Fahrzeuge zur Verfügung – am Steuer ein Mitstreiter mit Lkw-Führerschein, Uwe Früh.

Zum Teil können die Menschen noch nicht darüber sprechen.
Markus Herrmann, Helfer aus Großweier

In der Gemeinde Mayschoß verteilten sie schließlich die Pakete, die Herrmann, Zink, Früh und ihre Frauen gesammelt haben. „Einmal hatten wir 40, 50 Kinder in einem Raum“, beschreibt Herrmann die Übergabe. Der Geräuschpegel: ganz anders als erwartet. „Die Kinder waren sehr still. Eine Mutter erzählte, dass ihre Tochter seit der Flut anfängt zu schreien, sobald es regnet, und sich erst beruhigen lässt, wenn kein Tropfen mehr vom Himmel fällt.“

Ein Bewohner habe ihnen erzählt, wie er seine Mutter im Erdgeschoss des gemeinsamen Hauses schreien hörte und wusste: Wenn ich nach unten gehe, werde ich auch ertrinken. „Zum Teil können die Menschen aber noch gar nicht darüber sprechen, was sie erlebt haben“, sagt Herrmann.

„Das geht vielleicht noch zehn Jahre so, aber Hauptsache, es geht weiter“, habe ihnen ein Metzger gesagt, der einen Verkaufswagen aufgestellt hat, wo vorher seine Metzgerei und sein Wohnhaus standen. „So positiv gestimmt sind aber die Wenigsten“, sagt Herrmann. Vielen Menschen merke man den Frust an, dass sich die Situation nur langsam bessert, viele müssten mit ihren Versicherungen streiten, bei anderen sei beim Wiederaufbau gepfuscht worden.

Bleiben nach Weihnachten Helfer weg?

„Vor allem haben viele Menschen Angst, dass nach Weihnachten keine Helfer mehr kommen“, sagt Herrmann. Auch wenn die großen Helfer-Camps, in denen zeitweise bis zu 4.000 Freiwillige untergekommen waren, längst geschlossen sind: Fachkräfte vom Elektriker bis zum Gipser würden weiterhin gebraucht.

Ein Bekannter habe zu ihnen gesagt: Die Paket-Aktion trage die Menschen jetzt wieder ein paar Monate psychisch. „Wir dachten erst, das sagt er nur so, aber jetzt können wir es verstehen“, sagt Herrmann. „Die Dankbarkeit der Menschen hat am Ende den Schock über die Situation überwogen“, sagt Zink. Beide sind sich inzwischen sicher, dass sie bald noch einmal eine ähnliche Aktion auf die Beine stellen wollen.

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