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Kommentar

Ausgangssperren in der Region: Falsche Botschaft

Der Ortenaukreis verzichtet trotz einer hohen 7-Tage-Inzidenz auf weitere Ausgangssperren in der Corona-Pandemie. Der Landkreis Karlsruhe erlässt hingegen eine Allgemeinverfügung. Dieser Flickenteppich verfehlt das Ziel, findet Redakteur Frank Löhnig.

Polizeistreife kontrolliert nächtliche Ausgangssperre in Achern
Ausgangssperre aufgehoben: Trotz weiter hoher Corona-Zahlen verzichtet der Ortenaukreis auf eine regionale Sonderregelung. Es gebe kein diffuses Infektionsgeschehen, das so etwas erfordere. Foto: Benedikt Spether

Es war nicht zu erwarten, dass ausgerechnet Landrat Frank Scherer auf einer nächtlichen Ausgangssperre wegen der Corona-Pandemie bestehen würde. Der Chef im Offenburger Landratsamt macht schon seit dem Herbst kein Geheimnis darum, dass er die Beschränkung von Wirtschaft, Freiheitsrechten und dem sozialen Leben in der Ortenau mit kritischer Distanz sieht. Nicht mit der fanatischen Hingabe eines Corona-Leugners, aber mit dem Auge eines Verwaltungsjuristen, der gewohnt ist, Rechte und Risiken abzuwägen.

Also kann man abends und nachts wieder vor die Haustüre treten im Ortenaukreis. Die Frage ist allerdings, wohin. Denn bei minus zehn Grad wie in den vergangenen Tagen hat eine solche Beschränkung für den vernünftigen Teil der Menschen ohnedies kaum mehr als statistische Bedeutung. Und den Unvernünftigen erreicht man eh nicht.

Genau in dieser Betrachtung aber liegt das Problem. Die unmittelbare Wirkung einer nächtlichen Ausgangssperre (oder deren Streichung) ist wenigstens im Winter höchst fragwürdig. Ihr Wert liegt in der Symbolik: Sie gemahnt eindrücklich, dass wir uns in einer Pandemie befinden und gefälligst aufzupassen haben.

Willkür hat keine Signalwirkung mehr

Jetzt aber ist daraus ein landesweiter Flickenteppich geworden, gewoben aus diskussionswürdigen Einschätzungen der Fachleute, vermischt mit der politischen und weltanschaulichen Grundhaltung des jeweiligen Landrats. Ein Spagat, den jeder erahnen kann, der einmal die geschraubten Formulierungen in der Pressemitteilung des Offenburger Landratsamts vom Donnerstagabend überfliegt.

Die Botschaft für die Menschen, die den Corona-Beschränkungen ohnedies immer kritischer und genervter gegenüberstehen, ist entsprechend verheerend: Was so willkürlich festgelegt wird, hat keine Signalwirkung mehr. Jedenfalls nicht die gewünschte.

Dabei hätten die kommunalpolitischen Akteure ein Thema, an dem sie sich durchaus erfolgreich abarbeiten könnten: die Impfkampagne, die all diese Sorgen und Nöte auflösen könnte, kommt nach wie vor nicht in die Gänge. Dass in den so genannten „Kreisimpfzentren“ in Offenburg und Lahr Tag für Tag nur wenig mehr als 40 Menschen immunisiert werden können, ist ein ebenso katastrophaler Befund wie die schleppende Arbeit im „Zentralen Impfzentrum“ in Offenburg, das ja gleich sechs Landkreise versorgen muss.

Eher beiläufig erwähnte kürzlich die zuständige Dezernentin im Landratsamt, dass man sich für mindestens sechs Wochen auf unverändert knappe Zuteilungen eingestellt hat. Hier wäre ein Aufschrei der Politik geboten gewesen. Am Freitag wurden allein für den Ortenaukreis neun weitere Corona-Todesopfer bekannt. Es sind jetzt 432.

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