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Paket mit 929-Millionen Euro Volumen

Breite Mehrheit für neue Krankenhäuser im Ortenaukreis

Seit Jahren wird um die Klinikreform im Ortenaukreis gestritten. Am Dienstag ging es um die Finanzierung - und die Kreistagsfraktionen waren sich überraschend einig.

Ein Krankenpfleger schiebt  in einer Klinik ein Krankenbett durch den Flur.
Die große Krankenhausreform rückt näher. Der Krankenhausausschuss des Kreistag hat am Dienstag für das Finanzierungskonzept gestimmt, das eine Kreditfinanzierung bis ins Jahr 2058 vorsieht. Dass der Kreistag dem folgt, davon kann man ausgehen. Foto: Daniel Bockwoldt /dpa

Die Finanzierung der Agenda 2030 ist in trockenen Tüchern. Jedenfalls so gut wie. Bei nur einer Gegenstimme sprach sich der Krankenhausausschuss des Kreistags für ein fast eine Milliarde Euro teures Zahlenwerk aus, das die Verwaltung nach monatelanger Vorbereitung vorgelegt hat. Es beruht im Kern auf einem gemeinsamen Vorschlag von CDU und SPD, der bereits in der Finanzkommission eine breite Mehrheit gefunden hatte. Das letzte Wort hat nun der Kreistag.

Weniger erfolgreich waren die beiden Fraktionen mit dem Versuch, auch gleich die Zukunft der aufzugebenden Klinikstandorte als Gesundheitszentren festzuzurren. In einer ziellosen Debatte verhedderte sich der Ausschuss in einem Wust von Bedenken. Jetzt soll die Verwaltung das ganze Konzept erst einmal auf Fallstricke abklopfen und im Oktober nochmals vorlegen.

Land übernimmt zwischen 50 und 60 Prozent der Kosten

1,3 Milliarden Euro kostet die Klinikreform mit allem Drum und Dran. Doch am Dienstag ging es nur um die Klinikneubauten in Achern und Offenburg sowie um den rund 170 Millionen Euro teure Gesamtsanierung in Lahr. In einem Pressegespräch mühte sich die Verwaltung nochmals, die verschlungenen Wege zu skizzieren, die über einen dicken Zuschlag für die Sanierung in Lahr (80 Millionen mehr) und der Streichung von 228 Betten (90 Millionen weniger) letztlich zur Investitionssumme von 929 Millionen Euro für die drei Häuser führen.

Davon trägt das Land entweder 50 Prozent, wie sich der Kreis mindestens erwartet, oder 60 Prozent, wie Sozialminister Manne Lucha gleich mehrfach versprochen hat. Ob er diese Zusage erfüllen kann, steht dahin – 2021 ist Landtagswahl. Landrat Frank Scherer warnte davor, die Debatte über den Anteil des Landes jetzt weiter zu forcieren: „Wenn Sie wollen, dass Herr Lucha noch etwas länger Minister ist, dann zwingen sie ihn heute nicht, etwas zu unterschreiben.“ Eine humoristische Note in einer ernsten Debatte, die sich dadurch auszeichnete, nicht wieder in den Grundsatzstreit über Sinn oder Unsinn der Agenda 2030 abzudriften.

Das mag an schockierenden Zahlen gelegen haben. 60 Millionen Altschulden schleppt das Klinikum mit sich herum, dazu kommen 20 Millionen Euro Zinsen sowie 280 Millionen Euro Verlust, die aus dem laufenden Betrieb von 2019 bis 2030 anfallen. Letztere, und nur diese, sollen von 2031 an vom Klinikum aus den dann (hoffentlich) sprudelnden Gewinnen abgestottert werden. Geschäftsführer Christian Keller zeigte sich auf Nachfrage dieser Zeitung überzeugt, dass es die tatsächlich auch geben werde: „Wenn wir in der neuen Struktur Verluste schreiben, dann werden alle Häuser Verluste schreiben. Und dann ist das das Ende des Gesundheitswesens.“ Auch Landrat Scherer erhofft sich ein Innehalten der Politik, die ja durch die stete Verschärfung der Rahmenbedingungen für die Kliniken die Misere erst heraufbeschworen hat: „Ich habe das Gefühl, wir haben die Sensibilität der Bundespolitik ein Stück weit da, wo wir sie haben wollen.“

Was anfangs nicht so richtig klar war: Die übrigen Kosten der Reform wird der Kreis allein tragen. Das Klinikum soll unbelastet starten. Möglich ist dies, wie berichtet, über eine (sehr) langfristige Verschuldung und eine Erhöhung der Kreisumlage um etwa zwei Punkte. Wie hoch genau, das hängt von verschiedenen „Stellschrauben“ ab – der Landesförderung, die Baukosten, der Steuerkraft der Kommunen oder dem Zinssatz. Der Hinweis der Verwaltung, dass hier noch „Luft nach oben“, also für eine Verbesserung der Finanzlage, sei, weckte sogleich wieder Begehrlichkeiten: „Die Rechnung hat Sicherheitspolster. Der Wille der CDU-Fraktion ist, dass sich die Verbesserungen zugunsten der Kreisumlage niederschlagen“, so Bruno Metz, CDU-Sprecher im Ausschuss.

18 Millionen Euro Minus im vergangenen Jahr

Doch bevor man sich über Derlei Gedanken machen kann, muss man erst einmal sehr viel konkretere Probleme lösen. Wie die 280 Millionen Euro Verlust aus dem laufenden Betrieb, an die man noch einmal bei der Vorstellung des Jahresabschlusses aus 2019 erinnert wurde, bei dem das Klinikum wieder mehr als 18 Millionen Minus eingefahren hatte – nach einem beherzten Rückgriff auf das Eigenkapital wohlgemerkt.

Valentin Doll, Sprecher der FW-Fraktion, forderte die Verwaltung auf, weitere Vorschläge zur Verringerung des Defizits zu unterbreiten: „Es soll keine Denkverbote geben.“ Sonst könne der Verlustvortrag ins Unermessliche steigen. Eine Liste mit Ideen soll am 10. Dezember im Ausschuss vorgelegt werden. Ob „keine Denkverbote“ die vorzeitige Schließung eines Klinikstandorts umfasst, blieb offen. Doch alle anderen Möglichkeiten dürften inzwischen so ziemlich ausgeschöpft sein.

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