Reiserückkehrer sorgen gerade für mehr als die Hälfte der Corona-Neuinfektionen im Ortenaukreis. Doch wie viele schleppen das Virus wohl auch unentdeckt ins Land – zum Beispiel, weil der obligatorische Test an den Abstrichstationen, wie auf dem Offenburger Messegelände, noch nicht anschlägt? Wie viele erfahren ihr Ergebnis zu spät, sind schon wieder am Arbeitsplatz und gefährden andere? Aus Sicht des Offenburger Gesundheitsamts muss an der Teststrategie noch einmal gearbeitet werden.
Behördenchefin Evelyn Bressau freilich formuliert dies diplomatisch: „Ich begrüße ausdrücklich die Strategie, die Leute erst einmal für fünf Tage in Quarantäne zu stecken und dann zu testen.“ Das habe dann auch Sinn. „Andere Länder machen es uns vor“, so die Amtsleiterin, die die Entwicklung der Corona-Pandemie im Kreis seit Anbeginn begleitet.
Auch wer wieder aus der Quarantäne entlassen werde, solle von sich aus alle Möglichkeiten nutzen, um potenzielle Ansteckungen anderer zu vermeiden. Das heißt: Für 14 Tage möglichst wenig Kontakte und am Arbeitsplatz einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen „um ganz sicher zu gehen“.
Viele junge Menschen sind infiziert
Die Infektionszahlen im Kreis sind in den letzten Tagen wieder deutlich angestiegen – allerdings mit einer sehr unterschiedlichen und bisweilen nicht ganz durchschaubaren Dynamik. Teilweise ist die Zahl der Infizierten deutlich zweistellig, an anderen Tagen wieder werden nur sehr wenige bis keine neuen Fälle gemeldet. Das macht eine Prognose der weiteren Entwicklung schwierig. Auch am Freitag wurden wieder fünf Neuinfektionen registriert.
„Derzeit sind sehr viele junge Menschen infiziert, es gibt wenige Krankenhausaufenthalte und Gottseidank noch keinen Toten“, sagt Bressau. Wie es weitergeht? „Wir gehen davon aus, dass die Infektionszahlen wahrscheinlich auf dieser Höhe bleiben werden, mal mehr, mal weniger“.
Natürlich könne man so genannte Superspreader-Ereignisse nie völlig ausschließen, ausgelöst beispielsweise durch Menschen, die nicht aus Risikogebieten kommen und deshalb nicht wissen und nicht vermuten, dass sie infiziert sind – und die deshalb viele andere unwissentlich anstecken.
Dies auch, weil die Maßnahmen zum Infektionsschutz immer unbeliebter werden: „Wir beobachten eine gewisse Sorglosigkeit“, sagt die Amtschefin, es sei „immer schwieriger, die Menschen zu motivieren, sich an die Regeln zu halten“. Die Maske nehme Lebensqualität, das Atmen werde schwieriger – „das wissen wir alle“.
Grippe könnte im Herbst den Boden für Corona bereiten
Doch der nahende Herbst birgt nicht nur für die Gesundheitsämter erhebliche Risiken – die Zahl der Infektionen könnte wieder deutlich zunehmen. Das hat vor allem zwei Gründe. Die Menschen werden sich wieder mehr in zumeist schlecht durchlüfteten Räumen aufhalten – und andere Infektionen wie die saisonale Grippe oder auch ganz normale Erkältungen könnten dem Coronavirus den Boden bereiten, sich in geschwächten Körpern auszubreiten. „Die Immunsysteme sind dann mit anderen Erkrankungen beschäftigt und Covid-19 kommt obendrauf“, fürchtet Bressau.
Vor diesem Hintergrund sei zu erwarten, dass es wieder zu schwereren Verläufen kommen werde. Gleichzeitig sehen sich Kliniken und Ärzte angesichts der zu erwartenden Fülle von Atemwegsinfekten vor einer bislang ungeahnten Herausforderung: Sie müssen bei durchaus vergleichbaren Symptomen herausfinden, ob ein Mensch mit dem neuen Coronavirus oder einem anderen Erreger infiziert ist.
Haben die Behörden aus den Erfahrungen dieses Frühjahrs ihre Lehren gezogen? Die Antwort von Bressau auf diese Frage ist vieldeutig: „Wir würden und wünschen, dass Regelungen vom Bund kommen, die von Anfang bis Ende durchdacht sind. Oft wird irgendwas gefordert, aber es fehlt die Infrastruktur hintendran“. Bisweilen mangle es an Personal, den notwendigen Laborkapazitäten oder auch der schnellen Meldung von Ergebnissen an die zuständigen Gesundheitsämter.
Sie wisse von Fällen, wo Getestete ihre Ergebnisse schneller direkt vom Labor erhalten hätten als die Behörde, die ja entsprechende Konsequenzen einleiten muss. So etwas könne man auch anders regeln: „Gerade bei der Digitalisierung sehe ich noch deutlich Luft nach oben.“