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Zwangspause wegen Coronavirus

"Rust ist tot": Im Spaßparadies Europa-Park herrscht gespenstische Leere

Im Europa-Park bricht sich der Frühling Bahn. 25.000 Tulpen sind aufgeblüht, die Narzissen recken sich der Sonne entgegen, ein Meer von Stiefmütterchen lässt die Alleen farbenfroh erstrahlen. Nur ist kein Besucher da, um die ganze Blumenpracht zu würdigen. Der größte Freizeitpark Europas ist wegen der Corona-Epidemie geschlossen. Mindestens bis 19. April, wahrscheinlich noch länger.

Menschenleer: Der zu dieser Jahreszeit sonst sehr belebte Europa-Park in Rust ist wegen der anhaltenden Corona-Krise geschlossen.
Menschenleer: Der zu dieser Jahreszeit sonst sehr belebte Europa-Park in Rust ist wegen der anhaltenden Corona-Krise geschlossen. Foto: dpa

Im Europa-Park bricht sich der Frühling Bahn. 25.000 Tulpen sind aufgeblüht, die Narzissen recken sich der Sonne entgegen, ein Meer von Stiefmütterchen lässt die Alleen farbenfroh erstrahlen. Nur ist kein Besucher da, um die ganze Blumenpracht zu würdigen. Der größte Freizeitpark Europas ist wegen der Corona-Epidemie geschlossen.

Mindestens bis 19. April, wahrscheinlich noch länger. „Es ist ein komisches Gefühl, jetzt durch den Park zu laufen und all diese Blumen fast für mich alleine zu haben“, sagt Bernhard Rein. „Und es ist ein Jammer, dass sie bald herausgerissen werden, um Platz für die Sommerblumen zu machen.“

Abends keine Lichter mehr im Europa-Park

Der Fotograf Rein kennt den Europa-Park wie seine Westentasche. Er war schon als Teenager bei der Eröffnung der Mega-Freizeiteinrichtung dabei, seit zwei Jahrzehnten macht er dort Bilder im Auftrag der Inhaberfamilie Mack. „So etwas habe ich hier noch nie erlebt“, erzählt der 57-Jährige am Telefon. „Jetzt schalten der Park und die Hotels abends sogar die meisten Lichter aus – das geschieht zwar zur Vermeidung der Lichtverschmutzung, ist aber schon gespenstisch.“

Im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz ist die 134 Hektar große Anlage mit über 100 Attraktionen, einer riesigen „Wasserwelt“, sechs Hotels und 23 Stunden Showprogramm durchaus „systemrelevant“. Etwa 4.150 Mitarbeiter beschäftigte im Sommer 2019 die Familie Mack, über 5,7 Millionen Besucher zog der Europa-Park im Vorjahr an.

Einmonatige Corona-bedingte Verschiebung der Saisoneröffnung

In und um die kleine Gemeinde Rust mit 4.300 Einwohnern profitieren normalerweise Hunderte Betreiber von Pensionen, Gasthäusern, Restaurants und Läden, aber auch Handwerker, Lebensmittelhersteller und Dienstleister vom fröhlichen Treiben im Familien-Spaßparadies.

Darum horchten sehr viele auf, als die Macks am 23. März „schweren Herzens“ eine knapp einmonatige Corona-bedingte Verschiebung der Saisoneröffnung verkündeten. „Wir freuen uns, Sie baldmöglichst wieder begrüßen zu dürfen“, schrieben die Betreiber.

Familie Mack äußert sich derzeit nicht

Nun sieht es jedoch danach aus, als müssten sich die Park-Fans mit noch mehr Geduld wappnen. Denn die „schrittweise Rückkehr zur Normalität nach den Osterferien“, von der gerade Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht, beinhaltet ziemlich sicher keinen Startschuss für den Riesentrubel in Rust.

Die Familie Mack gibt zurzeit keine Presse-Interviews. Doch die pessimistische Prognose bestätigt auf BNN-Anfrage die Landtagsabgeordnete für Lahr, Marion Gentges.

Arbeit und Schulen werden sicher Vorrang vor dem Freizeitvergnügen haben.
Marion Gentges, Landtagsabgeordnete für Lahr (CDU)

Die CDU-Politikerin hat nach eigenen Worten erst an diesem Dienstag mit Spahn das „Wiederanfahren des öffentlichen Lebens“ nach der Corona-Pause besprochen. „Die Frage ist jetzt: Welche Dinge braucht man und auf was kann man verzichten? Da werden Arbeit und Schulen sicher Vorrang vor dem Freizeitvergnügen haben“, sagt Gentges.

Die von den BNN befragten Bewohner in Rust erwarten, dass der Park frühestens Anfang Juni eröffnen kann. Unklar ist, ob dann aus Sicherheitsgründen das Angebot und die Besucherzahlen zunächst reduziert werden, etwa durch die Beschränkung auf den Online-Ticketverkauf. „Der Park kann nicht gleich von 0 auf 100 hochgefahren werden“, ist Gentges überzeugt.

Mehr als 2.000 Beschäftigte in Kurzarbeit wegen Covid-19

Nach Informationen der Lahrer Zeitung hat die Familie Mack für mehr als 2.000 Beschäftigte in allen Bereichen die Kurzarbeit eingeführt. Dabei stocken die Betreiber laut Marion Gentges das Gehalt der Mitarbeiter durch zusätzliche Zahlungen auf.

„Im Park bereitet man sich intensiv auf den Tag X vor“, sagt sie. Der Fotograf Bernhard Rein erzählt, dass die Künstler des Europa-Parks gerade ein Spezialprogramm vorbereiten würden. „Man sieht jetzt auch viele Handwerker, die die erzwungene Pause dazu nutzen, um Bau- und Wartungsarbeiten vorzuziehen.“

Rust ist tot.
Bernhard Rein, Fotograf

So reduziert die Aktivitäten in der Freizeitanlage sind, stellen sie für Rein doch einen großen Kontrast zum Straßenbild seiner Gemeinde unter Quarantäne dar. „Rust ist tot“, beklagt der Mann, der sich als „echten Ruaschder“ bezeichnet.

Früher hätten alle in der Saisonpause „Winterschlaf“ gehalten: „Dann: Peng! Mit der Parkeröffnung war die Gemeinde zu 100 Prozent voll. Dieses ,Peng’ fehlt jetzt allen, die vom Europa-Park profitieren.“ Wegen der vielen Stornierungen von Gästen würden ihm mindestens drei Monatsumsätze fehlen, schätzt Rein, dem drei Ferienwohnungen im Ort gehören.

Jetzt kommt niemand mehr.
Josef Utz, Betreiber der Ferienwohnung am Steingarten

„Wir waren bis November ausgebucht, doch jetzt kommt niemand mehr“, stöhnt Josef Utz, der gemeinsam mit seiner Frau Rita die „Ferienwohnung am Steingarten“ betreibt – als Zusatzverdienst zu seiner Rente, wie er sagt. „Es ist gerade finanziell sehr eng, leider können wir keine Hilfe erwarten“, klagt der Pensionär.

Ähnlich schwierig ist die Lage im „Gästehaus Glück“. Der 50-jährige Rolf Glück hat nach eigenen Angaben einen Antrag auf Finanzhilfe gestellt: „Ein paar Monate ohne Einnahmen geht es, dann müsste ich aber wohl mit der Bank reden, ob sie die Tilgung des Kredits stunden kann.“

Bürgermeister von Rust: "Einschnitte haben Dimensionen, die wir uns nie vorstellen konnten"

Im Gespräch mit den BNN nennt der Bürgermeister Kai-Achim Klare (SPD) die Situation „bedrückend“ und die Folgen für Rust durch die Europa-Park-Schließung „gravierend“. „Diese Einschnitte haben Dimensionen, die wir uns nie vorstellen konnten“ sagt Klare. Seine große Hoffnung ist, dass Rust bald unter einen staatlichen „Rettungsschirm“ schlüpfen kann.

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