
Ein zufriedener Präsident des Landgerichtes Offenburg hat am Dienstag beim Jahrespressegespräch das Jahr 2022 in Zivil- und Strafsachen bilanziert. Jens Martin Zeppernick ging zudem auf die personelle Entwicklung und Situation im Landgerichtsbezirk ein.
Der Landgerichtsbezirk, nicht identisch mit den Grenzen des Ortenaukreises, umfasst die Amtsgerichtsbezirke Offenburg, Gengenbach, Kehl, Lahr, Oberkirch und Wolfach mit 345.000 Einwohnern. Offenburg zählt damit zu den größeren Gerichten im Land.
Im vergangenen Jahr hat es weniger Fälle gegeben
Anhand von Statistiken zeigte der Präsident die hohen Erledigungszahlen in Zivil- und Strafsachen im Jahr 2022 auf und informierte über die Dauer zwischen Eingang einer Klage und ihrer Erledigung. Erfreulich ist der Rückgang der Fallzahlen, sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen.
Im Zivilbereich sind es vor allem die Dieselverfahren, die stark rückgängig sind. Ob dieser Rückgang anhält, ist laut Richterin Anne Doll davon abhängig, wie anhängige Verfahren bei der Europäischen Union und dem Bundesgerichtshof entschieden werden.
Amtsgerichte haben mehr zu tun
Die Erhöhung des Streitwertes bei Landgerichtseingängen von bisher 5.000 auf 8.000 Euro bringe den Zivilkammern zwar eine weitere Entlastung, dafür erhöhen sich die Fallzahlen für die Amtsgerichte. In der Verfahrensdauer, das ist der Zeitraum vom Eingang einer Klage bis zur Entscheidung, liege der Landgerichtsbezirk mit einer rund einen Monat schnelleren Abwicklung besser als der Schnitt des Oberlandesgerichtsbezirkes.
Die Verfahrensbeteiligten streben immer eine schnelle Abwicklung eines Verfahrens an. Ein Knackpunkt sind vielmals aufwendige Gutachten mit komplexen Inhalten, wie es Präsident Jens Martin Zeppernick verständlich darlegte. Die zeitlich schnelle Aufarbeitung von zurückliegenden Fällen liegt an der guten personellen Ausstattung des Landgerichtes.
Wir sind personell, was die Anzahl der Richter, wie auch deren Qualifizierung angeht, gut aufgestellt.Jens Martin Zeppernick
Präsident des Landgerichts
In Zivil- wie in Strafverfahren sind mehr Fälle erledigt worden, als Eingänge zu verzeichnen waren. „Wir sind personell, was die Anzahl der Richter, wie auch deren Qualifizierung angeht, gut aufgestellt“, so Präsident Zeppernick. Probleme gebe es eher mit Stellenbesetzungen in der Verwaltung.
Drei neue Richterinnen haben ihre Arbeit aufgenommen
Die personellen Veränderungen mit vier Wechseln in vier Monaten konnten mit Linda Hemmes, Hannah Decker und Thalia Fix als neue Richterinnen ausgeglichen werden. „Damit ist weitgehend eine Pari-Pari-Situation zwischen weiblichen und männlichen Kollegen am Landgericht eingetreten“, bemerkte der Jurist. Vakant ist noch die Stelle des Vizepräsidenten.
Positiv bilanzierte Jens Martin Zeppernick die Einführung des hauptamtlichen Bereitschaftsdienstes. Acht Richterinnen und Richter haben sich bereit erklärt, außerhalb der regulären Dienstzeit sich um eilbedürftige Verfahren zu kümmern, die keinen Aufschub erlauben.
Richterin Anne Doll ging auf ausgewählte Zivil- und Strafprozesse in der vergangenen Zeit ein. Aufsehen erregten beispielsweise die Zivilverfahren um einen knarzenden Relaxsessel oder ein schadhaftes Sport-Motorboot.
Auch die spektakulären Strafprozesse aus jüngerer Zeit, wie der zweifache Totschlag in der Offenburger Kesselstraße, die Todesfolgeprozesse in Kehl oder die Brandstiftung in einem Seniorenheim in Gengenbach wurden angesprochen und diskutiert.
Gericht kann sich nicht über ärztliche Einschätzung zur Schulfähigkeit hinwegsetzen
Urteile mit Freisprüchen wegen Schuldunfähigkeit bei solch schweren Straftaten sind in der Bevölkerung vielmals nicht nachvollziehbar. Präsident Zeppernick klärte solche Situationen aus juristischer Sicht eindeutig auf.
Über eine Schuldunfähigkeit attestiert von spezialisierten Ärzten und Psychologen kann sich ein Gericht schlecht hinwegsetzen. Er verglich als Beispiel eine schuldunfähig gesprochene erwachsene Person mit dem Intellekt eines dreijährigen Kindes.
Eine Verurteilung brauche eine eindeutige Beweislage. Solche Prozesse seien nicht nur öffentlichkeitswirksam, sondern in der Abwägung und Urteilsfindung für die Gerichte auch sehr komplex und herausfordernd.