
Die Debatte um den künftigen Standort der Integrierten Leitstelle hat seit Dienstag eine völlig neue Richtung. Denn Landrat Frank Scherer (parteilos) schlägt den Neubau des Landratsamts im Norden Offenburgs vor.
Überraschung war das häufigste Wort, das die Sprecher der Fraktionen in der gemeinsamen Sitzung von Verwaltungsausschuss und Ausschuss Umwelt- und Technik des Kreistags am Dienstag in den Mund nahmen.
Landrat überrascht die Kreistagsmitglieder erneut
Die meisten Beobachter hatten eine Entscheidung beider Ausschüsse für den neuen Standort der Integrierten Leitstelle (ILS) erwartet: Also die Entscheidung, dass diese Koordinationsstelle von Rettungseinsätzen nun, wie vom Landrat am 18. September überraschend verkündet, in Gengenbach gebaut wird statt in Offenburg.
Landrat Scherer hatte, wie er an der Sitzung am Dienstag wiederholte, die politisch unsichere Lage in Offenburg bezüglich der Baumdebatte ebenso wie die Unsicherheit, ob eine Bebauungsplanänderung am Widerstand der erstarkten Baumschützer scheitern würde, als Grund dafür genannt, ebenso wie den Druck, den Rettungsverbände in Sachen zeitnaher Neubau einer leistungsstärkeren ILS machen würden.
Der Neubau in Gengenbach könnte Oktober 2026 einsatzbereit sein, in Offenburg stünden die genannten Probleme einer schnellen Lösung im Wege, so der Landrat. So weit der Wissensstand der meisten Ausschussmitglieder.
Was Scherer dann als Überraschungskatze aus dem Sack ließ, sorgte für Anträge zur Vertagung des gesamten Themas auf Dezember 2023. Denn Scherer erklärte, dass neuste Untersuchungen am Landratsamtsgebäude in der Badstraße ergeben hätten, dass eine Sanierung bei laufendem Betrieb, anders als der Kreistag es aufgrund damaliger Expertise 2019 beschlossen hatte, kaum möglich sei.
Sanierung des Landratsamtes nicht bei laufendem Betrieb möglich
Die Asbestbelastung und eine zu aufwendige Verkabelung würden dem im Wege stehen. Rund 800 Mitarbeiter müssten ausgelagert arbeiten und die Sanierung sich über acht Jahre hinziehen. Auch würde diese Sanierung mittlerweile geschätzt bis zu 105 Millionen Euro kosten.
Deshalb, so Scherer, habe er die Variante eines Neubaus prüfen lassen. Und zwar am nördlichen Stadteingang Offenburgs an der Okenstraße auf einer Brachfläche von 26.000 Quadratmeter, die aktuell von der Grossmann Group des Architekten Jürgen Grossmann entwickelt wird. Dort entsteht die neue Zentrale der Bundespolizei sowie mittels städtebaulichem Wettbewerb ein repräsentativer architektonischer Akzent für den nördlichen Stadteingang.
Beobachter hatten sich bereits gefragt, was sonst noch auf dem riesigen Grundstück vorgesehen ist. Wie Scherer jetzt erklärte, habe er sich frühzeitig in dieser Sache an Offenburgs Oberbürgermeister Marco Steffens (CDU) gewandt. Dieser erklärte in der Sitzung am Dienstag, dass er sich unter anderem wegen der Verquickung beider Projekte in der Debatte um den Abzug der ILS aus dem Oberzentrum Offenburg bisher nicht zu Wort gemeldet hätte.
Kritiker hatten Steffens vorgeworfen, dass er zu so einem wichtigen Thema bisher schwieg.
Grossmann und Scherer kennen sich gut. Das Landratsamt hat bei nicht unstrittigen Grossmann-Projekten wie dem Europäischen Forum am Rhein in Altenheim und auch, wie am Wochenende bekannt wurde, bei einem geplanten Yachthafen dort Genehmigungen erteilt. Bei beiden Projekten hatte und hat die Gemeinde Neuried Einsprüche.
Der Neubau im Norden Offenburgs könnte wohl bis 2028 fertig sein, so Scherer. Er kündigte an, das Thema am 4. Dezember in einer weiteren gemeinsamen Sitzung beider Ausschüsse auf die Tagesordnung zu setzen, damit der Kreistag am 19. Dezember entscheiden könne.
Verwaltung prüft bis zum 4. Dezember vier Varianten
Doch die Überraschung der Ausschussmitglieder über diesen Vorschlag sorgte dafür, dass nun auch der Standort ILS wieder neu auf den Prüfstand kommt, wovor Alfred Baum (Grüne) eindringlich warnte. Stefan Hattenbach für die CDU-Fraktion, Valentin Doll für die Freien Wähler, Hans-Peter Kopp für die SPD, zeigten sich überrascht von den Plänen und beantragten eine Verschiebung der ILS-Entscheidung.
Kopp forderte den Landrat auf, bis 4. Dezember ein Gesamtkonzept vorzulegen. Scherer sagte zu folgende vier Varianten prüfen zu lassen: 1. Sanierung des Landratsamts plus Neubau ILS am Standort, 2. Sanierung Offenburg und ILS in Gengenbach, 3. Neubau plus ILS im Norden Offenburgs und 4. Neubau in Offenburg und ILS in Gengenbach.