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Fernunterricht kein Dauerzustand

Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof: Eltern aus der Ortenau klagen auf Unterricht

Eine Ortenauer Elterngruppe will vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim per Eilantrag und Normenkontrollklage prüfen lassen, ob die Versagung von Präsenzunterricht in der Mittelstufe zulässig ist. 

Ein leeres Klassenzimmer
Leere Klassenzimmer: Eltern aus der Ortenau wollen gerichtlich prüfen lassen, ob der Wegfall von Präsenzunterricht zulässig ist. Foto: Armin Weigel

„Die seit vielen – bald vier – Monaten anhaltenden Schulschließungen sehen wir mit großer Sorge und sind der Meinung, dass sie rechtswidrig sind“, so eine Mutter. Die Elterngruppe möchte anonym bleiben, „da wir andernfalls Anfeindungen für die Antragsteller, unsere Kinder, befürchten.“

Drei Offenburger Schüler der Mittelstufe haben – vertreten durch ihre Eltern – beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einen Antrag auf Kontrolle der baden-württembergischen Corona-Verordnung gestellt, soweit diese den Unterrichtsbetrieb in Präsenz untersagt. Unterstützt wird die Klage von zehn Eltern aus der Ortenau.

Die Antragsteller besuchen die Klassen 7 und 8 einer Werkrealschule und eines Gymnasiums und erhalten seit fast vier Monaten keinen Präsenzunterricht mehr, da in Baden-Württemberg alle Jahrgangsstufen ab Klasse 7 – mit Ausnahme der Abschlussklassen – die Schule seit dem 16. Dezember 2020 nicht mehr besuchen dürfen.

Fernunterricht dürfe kein Dauerzustand sein

„Auch für die Zeit nach den Osterferien gibt es immer noch keine Perspektive für eine Rückkehr zur Präsenzbeschulung, weil mit Änderung der Corona-Verordnung zum 29. März 2021 der Fernunterricht erneut bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 18. April verlängert wurde“, beklagt eine Mutter.

Am Montagabend bekräftigte Ministerpräsident Kretschmann, dass er auch nach den Osterferien in Anbetracht steigender Inzidenzen keine Möglichkeit für weitere Öffnungsschritte an den Schulen sähe. „Viele Inhalte wie praktische Aufgaben im Technikunterricht können gar nicht im Fernunterricht vermittelt werden“, heißt es in einer Presseerklärung der Elterngruppe.

Außerdem habe sich auch der Anteil von Fernunterricht durch Videokonferenzen wieder deutlich reduziert, da seit Mitte März mehr Jahrgänge in den Präsenzunterricht zurückgekehrt seien und die Lehrkräfte aufgrund mangelnder technischer Gegebenheiten die im Fernunterricht verbleibenden Klassen in den restlichen Stunden nicht von der Schule aus unterrichten könnten. „Der wenige Fernunterricht kann kein Dauerzustand sein und entspricht nicht dem, was wir unter Bildung verstehen“, wird ein Vater in der Presseerklärung zitiert.

Eltern aus der Ortenau pochen auf soziale Kontakte der Schüler

Außerdem entfielen durch die Versagung des Schulbesuchs fast sämtliche sozialen Kontakte und nicht nur der Bildungs- sondern auch der Lebensraum Schule sei den Kindern derzeit vollkommen versperrt. Die Familien sind sich einig, dass alle ihren Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten müssen. Sie bitten aber das Gericht zu überprüfen, ob die Opfer, die die Kinder und Jugendlichen ab Klasse 7 in der Pandemie mit der Versagung des Schulbesuchs aufgezwungen werden, nicht unverhältnismäßig sind.

Die Schüler und Schülerinnen befänden sich in einer sehr sensiblen Entwicklungsphase und bedürften der besonderen Fürsorge des Staates, anstatt monatelang von der Teilhabe an Bildung und sozialem Leben ausgeschlossen zu werden.

Besonders sei zu beachten, dass diese folgenreiche Einschränkung des Lebens der Kinder und Jugendlichen wissenschaftlich nicht ausreichend begründet sei: „Nachweislich sind sie selbst durch die Erkrankung an Covid-19 kaum gefährdet und tragen im Vergleich zu Erwachsenen weniger zur Verbreitung des Infektionsgeschehens bei. Schon vor einem Jahr wurde durch Studien belegt und ist bisher unbestritten, dass Schulen keine Treiber der Pandemie sind.“

Alle Familien hatten laut ihrer Erklärung viele Male in Gesprächen und mit juristisch und medizinisch fundierten Schreiben bei Abgeordneten, bei der Landesregierung und den Schulen vor Ort auf die Situation ihrer Kinder und die Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Klassen, aber auch gegenüber Erwachsenen hingewiesen. Eine nachvollziehbare schriftliche Erläuterung zur andauernden Schulschließung speziell für die Mittelstufe in Baden-Württemberg hätten sie jedoch nicht bekommen – weshalb sie nun den Rechtsweg beschreiten.

Gericht hatte in vergleichbarem Fall eine Öffnung der Schulen abgelehnt

Bestärkt fühlen sie sich dabei durch die Rechtsprechung der jüngsten Zeit: Bereits Mitte März habe das Verwaltungsgericht Berlin einer Klage von Schülern und Schülerinnen der Klassen 7 und 9 stattgegeben, weil der vollständige Ausschluss dieser Klassenstufen vom Präsenzunterricht „gleichheits- und deshalb rechtswidrig“ sei. Das Gericht habe in seiner Entscheidung auch explizit festgestellt, dass „Distanzunterricht kein gleichwertiger Ersatz für Präsenzunterricht“ ist.

Und jüngst obsiegten letzte Woche zwei Antragsteller am Verwaltungsgericht Wiesbaden. Auch sie beklagten u.a., dass gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße werde. Dem folgte das Gericht, und fügte hinzu, dass die Rechtswidrigkeit sich auch aufgrund der Dauer des Distanzunterrichts ergäbe. Das Land müsse ein schlüssiges Konzept vorlegen, das allen Schülern die grundsätzliche Möglichkeit von Präsenzunterricht ermögliche.

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigte die Anträge aus der Ortenau. In einem vergleichbaren Fall habe der VGH mit Verweis auf die angespannte infektionsschutzrechtliche Lage eine Öffnung abgelehnt. Aber: „Wir prüfen jeden Einzelfall.“

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